«Die Schliessung der Schulen im Frühling war katastrophal»
Merken
Drucken

«Die Schliessung der Schulen im Frühling war katastrophal»

Lesedauer: 1 Minuten

3 Fragen an Regula Bernhard Hug, Leiterin der Geschäftsstelle ­Kinderschutz Schweiz, zur neuen Studie über das Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz.

Frau Bernhard Hug, was sind die wichtigsten Ergebnisse Ihrer Studie?

Wir haben herausgefunden, dass Kinder in der Schweiz immer noch regelmässig mit physischer und psychischer Gewalt bestraft werden. Jedes 20. Kind wird regelmässig körperlich bestraft, verbal wird sogar jedes vierte Kind bewusst verletzt. Immerhin: Diese Zahlen sind leicht rückläufig im Vergleich zu den früheren Studien.

Regula Bernhard Hug leitet die Geschäftstelle Kinderschutz Schweiz
Regula Bernhard Hug leitet die Geschäftstelle Kinderschutz Schweiz

Studien zeigen, dass ­gefährdete Kinder im Lockdown letzten Frühling noch mehr gelitten haben. Wie wirken sich Einschränkungen des ­öffentlichen und privaten Lebens auf das Bestrafungsverhalten aus?

Die Schliessung der Schulen war kata­strophal. Einerseits fielen die Institution Schule und andere Betreuungsein­richtungen als wichtige Kontrollinstanzen weg. Und andererseits lastete mit dem Fernunterricht und der bedrückenden Situation noch mehr Druck auf gefähr­deten Familien. Die Studie hat zudem gezeigt, dass vor allem Bestrafungen mit psychischer Gewalt, im Gegensatz zur physischen Gewalt, oft durch die äusseren Umstände einer Familie begünstigt werden. Also Umstände wie finanzielle Sorgen, grundsätzliche Überforderung und mentaler Stress – ­alles natürlich verstärkt durch die Corona-Pandemie.

Interessanterweise zeigt Ihre Studie, dass Eltern, die Kinder mit verbaler ­und körperlicher Gewalt bestrafen, die Unterstützungsangebote besser bewertet haben als andere. Warum? 

Es ist in der Tat ein wichtiges Zeichen, dass mehr als die Hälfte der Eltern, die ihren Kindern bewusst Schmerzen zufügen, dieses Verhalten ändern wollen und offen sind für Angebote. Und doch gibt es eine kleine Gruppe resistenter Eltern, die Gewalt in der Erziehung als richtig empfindet. Hier kämpfen wir dafür, dass die gewaltfreie Erziehung ins Zivilgesetzbuch aufgenommen wird, damit kein Kind mehr unter entwürdigenden Erziehungsmethoden aufwachsen muss.

Mehr zur Kampagne von Kinderschutz Schweiz

Seit 2017 wird die Präventionskampagne «Starke Ideen – Es gibt immer eine Alternative zur Gewalt» von der Universität Freiburg wissenschaftlich begleitet. Die Studie zum Bestrafungsverhalten in der Schweiz wurde 2019 zum dritten Mal durchgeführt.

Zu den Ergebnissen und zum Stand der politischen Motion:
www.kinderschutz.ch
www.keine-gewalt-gegen-kinder.ch

Florina Schwander
war bis 2022 als Online-Leiterin bei Fritz+Fränzi tätig. Sie mag Kinder, Geschichten, Pflanzen, Kaffee, Flipflops und Code. Sie ist Mutter einer Tochter und von Zwillingsjungs im Primarschulalter.

Alle Artikel von Florina Schwander