«Ich würde viel lieber Klavier spielen anstatt Gitarre»
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«Ich würde viel lieber Klavier spielen anstatt Gitarre»

Lesedauer: 2 Minuten

Die zwölfjährige Olivia spielt seit drei Jahren Gitarre. So langsam lässt aber ihre Motivation zum Üben nach. Deshalb wendet sie sich an unsere Expertin Sarah Zanoni.

Text: Sarah Zanoni
Bild: Adobe Stock

«Frag doch mal Sarah»

Ich spiele Gitarre, seit ich neun Jahre alt bin. Doch jetzt habe ich einfach keine Lust mehr dazu. Schon seit Monaten übe ich nur noch am Abend vor der Gitarrenstunde. Und meine Eltern sagen, ich müsse weiterspielen, weil es ein Talent sei und man etwas, was man angefangen hat, nicht einfach aufhören dürfe. Dabei würde ich jetzt viel lieber Klavier spielen lernen.
Olivia, 12 Jahre

Liebe Olivia
Es ist etwas Tolles, ein Musikinstrument spielen zu können. Es begeistert die Menschen, wenn jemand schöne Musik machen kann – egal ob auf der Bühne oder im kleinen Kreis in der Familie oder unter Freunden. Und wenn jemand nur für sich selbst musiziert, weil es ihm oder ihr Spass macht – auch gut. Dafür braucht es einerseits Talent, aber natürlich auch Fleiss und Durchhaltevermögen, damit man wirklich Fortschritte erzielt.

Aber wenn man über längere Zeit keine Lust mehr darauf hat, sollte man sich deswegen nicht schlecht fühlen. Auch du nicht, liebe Olivia. Immerhin spielst du nun schon seit rund drei Jahren Gitarre. Vielleicht ist das deinen Eltern im Moment gar nicht bewusst, wie lange du schon drangeblieben bist? Und da du nun eine Jugendliche geworden bist, haben sich bestimmt deine Interessen und Hobbys verändert. Ausserdem bringt es wenig, wenn man am Abend vor dem Unterricht widerwillig nur das Nötigste übt. Das spürt nämlich auch deine Gitarren-Lehrperson.

Ich finde es verständlich, dass du etwas Neues ausprobieren möchtest. Das zeugt von deiner Neugierde, deiner Offenheit und Lernfreude.

Nun braucht es gute Argumente, die deine Eltern überzeugen, dich zu einem neuen Instrument wechseln zu lassen. Erkläre ihnen, weshalb du genug von der Gitarre hast und jetzt bereit bist, deinen musikalischen Horizont zu erweitern. Einfach zu sagen: «Ich habe keine Lust mehr. Ich will jetzt Klavier spielen» wird zu wenig bringen. Besser, du erzählst ihnen, was deine Gedanken und Pläne sind.

Das bedeutet: du solltest dir die Frage nach deinen persönlichen Beweggründen unbedingt stellen. Wie kam es dazu, dass du plötzlich auf Klavierspiel Lust hast? Gibt es ein Vorbild aus der Musikszene oder kennst du jemanden persönlich, der Klavier spielt? Oder geht es darum, ein Instrument zu erlernen, bei dem man gleichzeitig auch singen kann (was allerdings auch mit Gitarre möglich wäre)?

Ich weiss, dass viele Eltern der Meinung sind, ein Kind müsse bei der einen Sache bleiben, die es einmal angefangen hat. Das ist im Grunde genommen auch richtig. Denn man geht ja auch mit der Musikschule eine Vereinbarung ein, da man einen Platz des Instrumentalunterrichts besetzt. Das sollte man nicht einfach so während des Schuljahres hinschmeissen.

Ausserdem gibt es manches Kind, das sich wünscht, zu musizieren, aber dessen Familie einfach kein Geld dafür hat. Trotzdem finde ich es verständlich, dass du etwas Neues ausprobieren möchtest. Das zeugt von deiner Neugierde, von deiner Offenheit und Lernfreude.

Versuche, mit deinen Eltern darüber zu reden und einen Deal zu finden. Falls deine Eltern fordern, du müsstest mindestens bis Ende des Schuljahres weiter den Gitarrenunterricht besuchen, kann ich das gut verstehen.

Es lohnt sich, wenn du dich ernsthaft für dein Anliegen einsetzt.

Schlage deinen Eltern vor, dass ihr vorerst nur ein Klavier zur Miete nehmt und du mindestens ein Jahr lang den Unterricht besuchen wirst. Es lohnt sich bestimmt, wenn du dich ernsthaft für dein Anliegen einsetzt – dann merken deine Eltern, wie wichtig es dir damit ist.

Ich wünsche dir viel Erfolg!

Frag doch mal Sarah

In unserer Rubrik «Frag doch mal Sarah» beantwortet Jugendcoach Sarah Zanoni Fragen von Kindern und Jugendlichen.

Hast du auch eine Frage, die du ihr gerne stellen würdest? Dann sende eine E-Mail an online@fritzundfraenzi.ch oder kontaktiere uns auf unseren Social-Media-Kanälen.

Jugencoach Sarah Zanoni

Sarah Zanoni
arbeitet seit rund 20 Jahren als Jugendcoach mit Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen. Sie hält Vorträge und Seminare rund ums Thema Kind und Jugend und hat Bücher dazu publiziert. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und lebt im Kanton Aargau. Ihre Hobbys sind ihre Hunde, Krimis, Reisen und Schreiben.

Alle Texte von Sarah Zanoni