17. Juni 2020
Scheidungskinder sind beziehungsunfähig. Stimmt’s?
Lesedauer: 3 Minuten
Erziehungsmythos 9:
Scheidungskinder sind beziehungsunfähig. Stimmt’s?
Das sagen die Experten:
«Wenn Eltern den Kindern zuliebe zusammenbleiben möchten und von diesem Wunsch beseelt Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Partnerschaft unternehmen, ist das ein valabler Grund. Wenn sie hingegen nicht in der Lage sind, ihren Kindern ein angemessenes Familienklima zu bieten, das getragen ist von Positivität und Wertschätzung, und chronische Spannungen und destruktive Konflikte das Zusammenleben vergiften, schadet dies den Kindern mehr als eine gelungene Trennung. Mehrere Studien zeigen, dass eine andauernd negative Familiendynamik für Kinder schädlicher ist als die Scheidung per se.»
«Eine Trennung oder Scheidung fügt dem Kind keinen Schaden zu. Was ein Kind dagegen belastet, sind Eltern, die die Familien- und Paarebene nicht auseinanderhalten können, unverarbeitete Konflikte vor dem Kindern austragen und sie zum Spielball elterlicher Emotionen werden lassen. Kinder geraten dann zwischen die Fronten, ja sie werden zur eigentlichen Kampftrophäe, zum angeblichen Grund für den erbitterten Scheidungskampf. Wenn wir ihnen dies ersparen wollen, müssen wir zwei Punkte beachten. Erstens sollten wir uns bewusst sein, dass die Gefühle der Kinder dem anderen Elternteil gegenüber nicht identisch sind mit den Gefühlen, die wir für diese Person haben. Zweitens sollen wir darauf achten, alles zu unterlassen, was die Beziehung der Eltern zum anderen Elternteil gefährdet. Wenn wir uns bei allen Situationen während und nach der Trennung diese Punkte vor Augen halten und versuchen die jeweiligen Situationen mit den Augen der Kinder zu sehen, können auch Scheidungskinder glücklich aufwachsen.»
«Bei Trennung oder Scheidung der Eltern ändert ungefähr jedes dritte Kind sein Verhalten in der Schule. Diese Kinder ziehen sich entweder zurück oder werden verhaltensauffällig. Schulische Schwierigkeiten treten oft im Alter von sechs bis acht Jahren sowie während der Pubertät auf. In diesen Phasen baut das Kind wichtige Stufen seiner Ich-Entwicklung auf – unter anderem die Konzentrationsleistung. Eine Trennung der Eltern kann diesen Prozess beeinträchtigen. Sie kann auch ein Kompensationsverhalten auslösen: eine verstärkte Nutzung von sozialen Medien einhergehend mit Sozialkontaktverlust oder ein verändertes Ess- und Schlafverhalten. Zudem ist es möglich, dass die Entwicklung des Kindes verzögert oder beschleunigt wird. Bei all diesen Folgen gilt: Je konfliktreicher eine Trennung – also je mehr Streitgespräche, Wut und Aggressionen –, desto schlimmer für das Kind und desto stärker die möglichen Folgen. In meiner Praxis stelle ich fest, dass Scheidungskinder als erwachsene Einzelpersonen später öfter Schwierigkeiten haben, sich in Beziehungen längerfristig zu binden. Auch der Selbstwert kann leiden. Vergessen wir aber nicht: Im besten Fall wird das Wohlbefinden des Kindes von einer Trennung überhaupt nicht beeinträchtigt und das Kind gewinnt an Selbständigkeit und Bewältigungsstrategien hinzu.»
Alle Erziehungsmythen im Überblick:
Lesen Sie hier die Antworten auf 15 Erziehungsmythen:
- Gute Noten sollte man mit Geld belohnen
- Handy-Entzug als Strafe ist sinnvoll
- Ein Kind mit viel Freiheiten wird verantwortungsvoller
- Einzelkinder sind verwöhnt und können nicht teilen
- Raufende Kinder werden kriminell
- Wer mit seinen Kindern streitet macht sie streitsüchtig
- Kindern sollte man nichts verbieten, da sie sonst zu kleinen Rebellen werden
- Mit viel Spielzeug fühlt sich ein Kind geliebt
- Trotzende Kinder brauchen härtere Erziehung
- 13-Jährige kann man nicht mehr erziehen
- Als Eltern sollte man auch beste Freunde seiner Kinder sein
- Ab der 1. Klasse sollte ein Kind ein Smartphone erhalten
- Früh geförderte Kinder werden erfolgreicher
- Eine Ohrfeige hat noch keinem Kind geschadet
«150 Fragen – 150 Antworten zu Erziehung, Familie und Schule».
Im 132 Seiten starken Ratgeber kommen 51 Expertinnen und Experten zu Wort. NeuabonnentInnen erhalten das Booklet geschenkt. Eine Einzelausgabe kostet 14.90 Fr. plus Versandkosten; Sie können es hier bestellen.
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