Trennung: «Steckt euer Ego zum Wohl der Kinder in die Tasche»
Bilder: Thomas Schweigert / 13 Photo
Statt sich in endlosen Grabenkämpfen zu verlieren, stellen Martina Kral und Matthias Lehmann aus Luzern nach der Trennung das Wohl ihres 15-jährigen Sohnes Tom in den Vordergrund. Ein Protokoll aus unserem Dossier zum Thema Scheidungskinder.
Martina Kral: Natürlich gab es Situationen, in denen ich am liebsten alles an die Wand geschmissen hätte. Doch das Kind geht das alles nichts an. Ich wurde als Partnerin zurückgelassen, nicht als Mutter. Also hielt ich die ganze Wut, die Aggressionen vor Tom fern. Und ich schüttete mich mit Arbeit zu, das half. Nun habe ich damit abgeschlossen, bin dankbar über ein tolles, gesundes Kind. Mein Credo: Alles, nur kein Selbstmitleid. Steckt euer Ego in die Tasche, es lohnt sich!
Tom Lehmann: Ich kann mich schon noch daran erinnern, wie es zu dritt war. Das war eine sehr schöne Zeit. Dann hiess es, dass ich nun in zwei Wohnungen leben sollte, mal hier, mal da. Das fand ich damals lustig, total cool. Irgendwann vermisste ich aber die zweite Person um mich herum schon.
Martina Kral: Mit zehn Jahren sagtest du, du hättest es langsam gesehen, nun könne man wieder zusammenziehen. Da war es an der Zeit, dir zu sagen, dass wir Eltern es nicht schaffen, zusammenzuleben.
Online-Dossier Trennung:
Matthias Lehmann: Wir Eltern treffen uns mindestens einmal im Monat, um die nächsten Wochen zu planen. Konkret gehen wir unsere Agenden Tag für Tag durch. Als Tom acht war, verglichen wir akribisch unsere Dienstpläne. Wo es Lücken gab, organisierten wir Mittagessen bei einer anderen Familie oder sorgten dafür, dass Tom bei Freunden übernachten kann. Das ist heute nicht mehr nötig. Tom ist mittlerweile sehr selbständig.
Martina Kral: Wenn wir planen, sprechen wir auch über alles andere: über Noten in der Schule oder ob Tom neue Schuhe braucht. Wenn ich der Lehrerin etwas schreibe, nehme ich Matthias immer ins CC. So sind wir immer auf dem gleichen Stand. Schlimm, wenn man bewusst Informationen zurückhält, um sich gegenüber dem Ex-Partner einen Vorteil zu verschaffen.
Matthias Lehmann: Als es zur Scheidung kam, gabs punkto Unterhalt und Finanzen eine Pattsituation. Heute noch teilen wir Toms Kosten hälftig – grössere Posten wie Snowboardkurs oder Gitarrenunterricht sowieso. Aber auch für kleinere Sachen gibt es ein Tom-Konto, auf das wir beide einzahlen.
Tom Lehmann: Ich verbringe schätzungsweise 30 Prozent meiner Zeit beim Vater. Es war auch schon mehr. Ich gehe in die 2. Sek. In einem Jahr komme ich aus der Schule. Wo ich dann leben werde, hängt davon ab, wo ich eine Lehrstelle finde.
Martina Kral: Die Abmachung zwischen Matthias und mir ist, dass wir in derselben Stadt und im selben Quartier bleiben, solange Tom schulpflichtig ist. Wir sind beide in neuen Partnerschaften. Gut möglich, dass einer von uns einmal umzieht. Klar ist, dass es auch für Tom stimmen muss, schliesslich ist er für uns beide das einzige leibliche Kind. Warum nicht eine Männer-WG mit euch zwei? Das wäre doch auch schön.
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Alle weiteren Artikel aus unserem Dossier Scheidung können Sie in der Märzausgabe nachlesen. Das Heft ist ab dem 7. März 2018 am Kiosk oder online erhältlich.