Was tun, wenn die Freundschaft einseitig endet?

Elisabeths Tochter will ihre Chindsgi-Freundin zum Geburtstag einladen, doch diese hat kein Interesse mehr an einer Freundschaft. Sollen die Eltern zur Notlüge greifen oder die Wahrheit sagen? Unser Expertenteam weiss Rat.
Eine Frage – drei Meinungen
Unsere Tochter hatte im Kindergarten eine Freundin. Diese Freundschaft war von beiden Seiten sehr eng. Mit der Schule trennten sich ihre Wege, auch weil wir Eltern den Kontakt nicht halten konnten. Unsere Tochter spricht weiter von ihrer «besten Freundin». Nun hat sie uns gebeten, diese zum 6. Geburtstag einzuladen. Die Antwort der Mutter war ernüchternd: «Wir haben unsere Tochter gefragt, aber es passt leider nicht mehr für sie.» Sollen wir unserem Kind die Wahrheit sagen oder ihr mit einer Notlüge den Schmerz ersparen?
Elisabeth, 43, Münchenbuchsee BE
Das sagt unser Expertenteam:

Kinderfreundschaften sind weniger stabil und exklusiv als oft gedacht. Häufig werden Kinder zu Freunden, die – vereinfacht gesagt – verfügbar sind und mit denen man spielen kann. Diese Umstände können ändern, und damit auch die Freundschaften. Vielleicht ist es auch gut, wenn diese Freundin nicht kommt. Denn die erinnerte Vertrautheit ist wahrscheinlich nicht mehr dieselbe. Daher: Lassen Sie das «mehr» einfach weg. Lassen Sie Ihrer Tochter die Erinnerung an die schöne Freundschaft. Das Vermissen der alten Freundin wird verblassen, wenn sich neue Freundschaften entwickeln. Mit Kindern, die da sind.

Lügen Sie. Mir kündigte mit 13 die beste Kollegin die Freundschaft, und es war auch als Teenager noch schwer zu ertragen. Kinder im Alter Ihrer Tochter können Entscheidungen von dieser Tragweite meist nur schwer einordnen. Schützen Sie Ihre Tochter: Nehmen Sie die Schuld auf sich oder nennen Sie organisatorische Gründe. Die Enttäuschung Ihrer Tochter müssen Sie aushalten, aber lassen Sie nicht zu, dass ihr Selbstwertgefühl verletzt wird. Zudem riskieren Sie, dass alle folgenden Geburtstage ruiniert werden: Ihre Tochter wird immer an die Verletzung erinnert. Das muss nicht sein, auch nicht um der Wahrheit willen.

Sie müssen weder «die Wahrheit» sagen noch Ihr Kind benotlügen; es reicht, wenn Sie Ihrer Tochter mitteilen, die Freundin könne leider nicht zum Geburtstag kommen. Kinderfreundschaften können manchmal über längere Zeit sehr stabil, manchmal sehr flüchtig sein – und wie alle Beziehungen zuweilen auch einseitig. Auf diese Tatsache muss man die Kleinen nicht eigens stossen, das merken sie auch selbst mit der Zeit. Gelegentlich schmerzhaft, oft aber ganz beiläufig, indem sie nämlich feststellen, dass ihr eigenes Interesse an jemandem auch nicht unbedingt für die Ewigkeit ist.
Das Expertenteam:
- Annette Cina, 51, arbeitet am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. In ihrer eigenen Praxis berät die Psychologin, Psychotherapeutin und dreifache Mutter Jugendliche und Erwachsene. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Prävention von kindlichen Verhaltensstörungen, Paarkonflikte, Kindererziehung und Stress.
- Andrea Jansen, 44, ist Gründerin der Elternplattform Mal-ehrlich.ch. Die Journalistin, Unternehmerin und Stiftungsrätin war früher Fernsehmoderatorin und Produzentin bei SRF. Andrea Jansen hat drei Kinder im Alter von 7, 9 und 11 Jahren. Sie lebt mit ihrer Familie auf Hawaii und in Zürich.
- Peter Schneider, 66, ist Psychoanalytiker, Kolumnist und Satiriker. War mal Professor für Pädagogische und Entwicklungs-Psychologie an der Uni Bremen, ist immer noch Privatdozent für Klinische Psychologie an der Uni Zürich. Vater und Ehemann eines erwachsenen Sohnes und einer erwachsenen Frau aus und in erster Ehe.
In dieser Rubrik beantworten Expertinnen und Experten Ihre Fragen zu Erziehung und Alltag mit Kindern.
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