«Auf Besuch ist mir immer langweilig»
Der 11-jährige Alex beschwert sich, weil er seine Eltern immer begleiten muss, wenn diese ihre Freunde besuchen. Warum kann er nicht einfach zu Hause bleiben? Er fragt unsere Expertin Sarah Zanoni um Rat.
«Frag doch mal Sarah»
Meine Eltern wollen immer, dass ich mit zu ihren Freunden zu Besuch gehe. Aber das ist total langweilig für mich, weil es dort entweder keine oder nur viel jüngere Kinder hat. Und diese Leute stellen dann auch immer doofe Fragen, zum Beispiel wie es mir in der Schule gefällt oder ob ich grösser geworden sei. Warum darf ich nicht einfach zu Hause bleiben?
Alex, 11 Jahre
Lieber Alex
Ich kann dich gut verstehen, dass du solche Fragen nicht gerne über dich ergehen lässt. Leider machen das immer noch viele Erwachsene: Sie fragen Kinder über die Schule aus, als ob diese euer ganzes Leben ausmachen würde. Wichtiger ist doch, was du sonst noch gerne magst, wie zum Beispiel Sport, Technik oder Musik. Und dass du im Wachstum bist (und noch ein paar Jahre lang bleibst) sollte auch jeder und jedem klar sein.
Aber sieh es doch mal so: Die Freunde deiner Eltern haben dich wahrscheinlich eine ganze Weile nicht gesehen. Da fällt ihnen viel stärker auf, wie stark du gewachsen bist. Nimm ihnen das nicht übel – immerhin erkennen sie die Veränderung an dir, sie nehmen dich wahr.
Nun zum Punkt des Zu-Besuch-Gehens an sich und der damit verbundenen Langweile. Ich finde es völlig verständlich, dass ein Junge in deinem Alter weder mit Kleinkindern spielen noch mit den Erwachsenen diskutieren mag – und das wahrscheinlich einen ganzen Abend lang.
Was bräuchtest du denn, damit dir ein solcher Besuch trotzdem Spass macht? Den ganzen Abend an den elektronischen Geräten gamen fällt ja schon mal weg. Aber wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Oft wird es Kindern schon beim Essen langweilig, weil Erwachsene nur über ihre eigenen Themen reden und das Kind nicht mit einbeziehen. Aber ich weiss, dass man auch mit 11-Jährigen wunderbar diskutieren kann, wenn sie das Thema interessiert. Welche Gesprächsthemen würden dir gefallen? Worüber kennst du dich aus? Meine Erfahrung zeigt, dass Kinder heutzutage über viele Dinge sogar besser Bescheid wissen als die Grossen.
Oder wie wäre es, wenn du ein Lego mitnimmst, das du dort nach dem Essen aufbauen kannst? Das braucht bestimmt eine Stunde oder so. Vielleicht bekommst du sogar ein neues Set oder du nimmst ein bereits aufgebautes vorher auseinander und setzt es nochmal neu zusammen.
Erklär deinen Eltern deine Situation – nicht erst, wenn der nächste Besuch ansteht, sondern schon jetzt.
Andere Ideen wären: ein Buch zum Lesen, Knobelspiele, etwas zum Zeichnen. Oder du nimmst ein Spiel mit, das du mit allen zusammen spielen kannst. Und vielleicht kannst du eine bestimmte Zeit zum Gamen oder Video schauen aushandeln (falls du sowas überhaupt magst).
Mein Tipp: Erklär bitte deinen Eltern deine Situation – nicht erst, wenn der nächste Besuch ansteht, sondern schon jetzt. Und sprich in einer sachlichen, ruhigen Tonlage über das Thema. Die meisten Eltern mögen es nämlich nicht, wenn ihr Sohn oder ihre Tochter rumquengeln oder schimpfen. Besser, du sagst ihnen, was dich stört und was du bei ihren Freunden gerne als Beschäftigung machen möchtest. Wenn du mit deinen Eltern auf diese Weise sprichst, werden sie dich sicher anhören und bereit sein, beim nächsten Besuch dies so auszuprobieren.
Dass du gar nicht erst mitgehst, sondern zuhause bleibst, fände ich persönlich schade. Denn andere Menschen zu treffen, miteinander Zeit zu verbringen oder zusammen zu essen, ist ein wichtiger Teil unserer Kultur. Wer das schon als Kind mitbekommt, profitiert später im Leben davon. Dir wird es leichter fallen, mit Erwachsenen zu sprechen, als wenn du das nie geübt hättest. In schon etwa drei Jahren wirst du damit konfrontiert, wenn du eine Schnupperlehrstelle suchst und dich in einem neuen Umfeld mit fremden Menschen befindest.
Ich hoffe, du kannst für dich bei jedem Besuch etwas Gutes herausnehmen. Ein leckeres Dessert, ein paar neue lustige Witze oder ein Sieg beim Spiel?
Viel Vergnügen!
In unserer Rubrik «Frag doch mal Sarah» beantwortet Jugendcoach Sarah Zanoni Fragen von Kindern und Jugendlichen.
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