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Drei Lernmethoden im Test

Lesedauer: 3 Minuten

Das menschliche Gehirn vollbringt beim Lernen Leistungen, zu denen kein Supercomputer imstande ist. Wie das funktioniert und welche unterschiedlichen Lernmethoden es gibt.

Text: Claudia Füssler
Bilder: Raffael Waldner  / 13 Photo

Es ist das komplexeste Organ, das die Natur erschaffen hat: Kein Computer kann leisten, was unser Gehirn vollbringt. Das gelingt dank 100 Milliarden Nervenzellen. Zu den beeindruckenden Eigenschaften unseres Gehirns gehört seine Lernfähigkeit. Nur weil es sich ein Leben lang permanent verändert, sind wir überhaupt in der Lage, zu lernen. 

Dieses Lernen findet an den Stellen statt, wo elektrische Signale von einer Nervenzelle zur anderen übertragen werden – den sogenannten Synapsen. Wenn wir Informationen aufnehmen, egal ob über Auge, Ohr, Nase oder Haut, werden die Synapsen aktiviert. Je mehr Synapsen aktiviert werden, umso mehr Nervenzellen sind involviert und umso besser können wir uns etwas merken. Wiederholungen sorgen dafür, dass die Synapsen immer wieder aktiviert werden. Das stärkt die Verbindungen zwischen den Nervenzellen. Mit der Zeit bilden sich so neue Verknüpfungen, das Netz wird dichter und grösser. Wissenschaftler haben das beispielsweise sehr eindrücklich bei Menschen gesehen, die ein Musikinstrument erlernen. Die neuen Nervenzellen und ihre Verbindungen werden vor allem im sogenannten Hippocampus gebildet. Dieses Hirnareal ist für Lernen und Gedächtnis, aber auch für die räumliche Orientierung zuständig.

Nur weil sich unser Gehirn ein Leben lang permanent verändert, sind wir überhaupt in der Lage, zu lernen.

Inzwischen weiss man, dass Nervenzellen sich bis ins hohe Alter erneuern können. Yoga oder eine Fremdsprache lernen, sich neue Gesichter merken, den Weg in die Ferien anhand einer Karte finden – all das können wir auch in älteren Jahren problemlos lernen. Wenn die Pfade bereits angelegt oder ausgetreten sind, weil wir etwa schon Pilates machen oder Spanisch erlernt haben, gelingt das leichter. Etwas gänzlich Neues zu lernen, bereitet uns mehr Mühe, ist aber mit etwas Engagement ohne Weiteres möglich.  Rufen wir etwas über längere Zeit nicht mehr ab, werden ungenutzte Verbindungen auch wieder gelöscht. 

Wissenschaftler unterscheiden zwischen bewusstem (intentionalem) und beiläufigem (implizitem) Lernen. Es gibt zahlreiche Lernmethoden, die je nach Lernziel eingesetzt werden können. Ob eine Methode effektiver ist als die andere, hängt von zahlreichen Faktoren wie dem Lerngegenstand, dem Vorwissen oder der Motivation des Lernenden und der Kompetenz des Lehrenden in einer Methode ab. Drei Beispiele von Lernmethoden und wie sie funktionieren:

Episodisches Lernen 

Wir alle lernen jeden Tag episodisch, nämlich aus Erlebnissen, die wir haben. Wer noch nie geflogen ist, kann viel lesen und sich erzählen lassen über das Reisen per Flugzeug. Das episodische Lernen zum Thema setzt allerdings erst in dem Moment ein, in dem man selbst im Flieger sitzt. Aus der Erfahrung, die man dabei macht, lernt man für den nächsten Flug – zum Beispiel, dass man lieber am Gang als am Fenster sitzt. Bei Kindern ist das episodische Lernen besonders ausgeprägt, weil sie viele Dinge zum ersten Mal tun. Episodisches Lernen kann auch dabei helfen, Fehler nicht noch einmal zu machen: Unfälle oder unangenehme Situationen werden gut im episodischen Gedächtnis gespeichert.   

Videoserie «Mit Kindern lernen»
Wie können Eltern ihre Kinder beim Lernen unterstützten? Was motiviert sie, was sorgt nur für Konflikte daheim? Die Psychologen Fabian Grolimund, Stefanie Rietzler und Nora Völker geben Tipps und zeigen in den Videos mit dem Hasen, wie man Kinder lobt, motiviert und mit Niederlagen umgehen kann.

Auswendiglernen

Es ist in den vergangenen Jahren ganz schön in Verruf geraten, hat aber durchaus seine Berechtigung: das Auswendiglernen. Dabei prägt man sich mithilfe verschiedener Lerntechniken Zahlen, Formeln, Texte, Fakten ein, so dass man sie originalgetreu wiedergeben kann. Das gelingt nur durch häufige Wiederholung. Der Nachteil: Es braucht kein inhaltliches Verständnis und hilft so auch nicht beim Verstehen von Zusammenhängen. Der Vorteil: Wird etwas zu Beginn des Lernens oft genug wiederholt, wandert es vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis und kann dort langfristig abgerufen werden. Das ist praktisch für das Einmaleins, die Rechtschreiberegeln oder unregelmässige Verben. So mancher Erwachsene kann heute noch die ersten Strophen eines Gedichtes zitieren, das er in der Schule lernen musste.     

Verteiltes Lernen 

Am Tag vor einer Prüfung intensiv allen Stoff zu lernen, kann bestens funktionieren, um in der Prüfung gut abzuschneiden. Doch das, was wir uns bei diesem sogenannten massierten Lernen einverleiben, ist schnell wieder verloren.

Stoff, den wir uns unmittelbar vor einer Prüfung komplett einverleiben, ist schnell ­wieder verloren.

Studien zufolge ist es deutlich effektiver, mit längeren Pausen von mehreren Tagen, also verteilt, zu lernen. Wissenschaftler vermuten, dass durch diese Art des Wiederholens das Gehirn angeregt wird, sich an das Lernen vor ein paar Tagen zu erinnern, die entsprechenden Verknüpfungen im Gehirn werden so verstärkt. Heisst: Statt am Donnerstag die Fakten für die Biologieprüfung vom Freitag zweimal durchzugehen, lieber am Montag und am Donnerstag alles je einmal durchgehen.

Claudia Füssler
arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin. Am liebsten schreibt sie über Medizin, Biologie und Psychologie.

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