Von der Nase bis zum Schwanz
Wenn wir schon ein Rind schlachten, dann sollte auch möglichst viel davon gegessen werden, nicht nur die edlen Stücke wie Filet oder Entrecote, findet unsere Autorin. Alles oder nichts – dieses Prinzip findet immer mehr Gefallen in der Gesellschaft und in der Gastronomie. Worauf Verbraucherinnen und Verbraucher achten sollten.
Nachhaltig zu leben, liegt im Trend. Dies gilt insbesondere für das Thema Ernährung, denn der Nahrungsmittelkonsum bringt gleichzeitig auch Verschwendung, «Food Waste», mit sich.
Wer nicht auf Fleisch verzichten und trotzdem einen nachhaltigen Umgang damit finden möchte, sollte sich mit dem «Nose to Tail»-Prinzip vertraut machen. Dabei wird «von der Nase bis zum Schwanz» fast alles verwertet, nicht nur die beliebten Edelstücke des Tieres. Denn das Verlangen nach Edelstücken bewirkt, dass mehr Fleisch importiert wird, was wiederum dazu führt, dass auch im Ausland Nebenprodukte entstehen, die nicht als Lebensmittel dienen und darum anderweitig verarbeitet oder im schlimmsten Fall gar entsorgt werden. Die ganzheitliche Verwertung des Tieres ist nicht nur ressourcenschonender, sie bringt auch eine schmackhafte Vielfalt auf den Teller.
Was neu klingt, ist eigentlich sehr alt. Früher war es selbstverständlich, möglichst alles vom geschlachteten Tier zu essen, während heute meist nur noch einzelne Stücke auf Anklang stossen. Entsprechend ist es weniger als die Hälfte eines geschlachteten Tieres, das auch wirklich in der Lebensmittelindustrie landet. Der grösste Teil endet in Tiernahrung, in der Chemieindustrie oder in der Biogasanlage. Doch wie kann ich mich als Verbraucherin nach der «Nose to Tail»-Philosophie ernähren? Wo kaufe ich die entsprechenden Fleischstücke und wie bereite ich sie zu?
Leberli & Co: Alte Stücke neu entdecken
Vielleicht lohnt es sich zunächst, in der eigenen Familie nachzufragen, denn oft hat die ältere Generation ein grosses Wissen in Sachen nachhaltige Fleischküche. Wer nicht darauf zurückgreifen kann, wird in Buchhandlungen oder im Internet fündig. Es gibt verschiedene Produzenten, die vergessen gegangene Fleischstücke anbieten und Kochtipps weitergeben, zum Beispiel auf www.uelihof.ch, www.farmy.ch, www.kuhteilen.ch.
Nachfragen beim Metzger oder im Supermarkt bei der Fleischabteilung ist ebenfalls ein Versuch wert. Meist können Sie dort auf Vorbestellung solches Fleisch kaufen. Beim Bauern direkt zu fragen, kann sich auch lohnen. Nebst dem Einkauf braucht es Wissen zur Zubereitung der Fleischstücke. Es gibt verschiedene Kochbücher rund um die «Nose to Tail»-Küche auf dem Markt. Aber auch hier können Sie die Metzgerin oder den Metzger direkt nach Tipps und Tricks fragen. Der Uelihof hat ebenfalls wertvolle Tipps auf seiner Webseite.
Bis sich Essgewohnheiten jedoch nachhaltig verändern, braucht es Zeit. Gewisse Teile des Tieres sind aus gesundheitlichen Gründen nicht lebensmitteltauglich und müssen daher anderweitig verwendet werden. Andere Teile werden aufgrund von Kundenbedürfnissen nicht angeboten, beispielsweise Innereien. Die Vorstellung, Innereien essen zu müssen, löst bei vielen Menschen Ekel aus. Konsumentinnen und Konsumenten möchten beim Fleischkonsum möglichst wenig an ein totes Tier erinnert werden. Stehen Innereien auf dem Speiseplan, werden diese stärker mit dem Tier in Verbindung gebracht, was oftmals Abneigung auslöst oder verstärkt. Anbieter, die mit positiv besetzten Begrifflichkeiten arbeiten, können dem entgegenwirken. Hier einige Beispiele:
Hausgemacht, nach Grossmutters Art:Hier werden Emotionen geweckt und Erinnerungen an früher kommen auf.
No Food Waste:Je mehr verwertet wird, desto weniger Abfall fällt an – eine simple Lösung für eine geringere Umweltbelastung. Das FoodWaste-Thema spricht viele Konsumenten und Konsumentinnen an.
Gesundheitsbezogene Begriffe: Fettarm, proteinreich und kohlenhydratarm sind drei Bezeichnungen, die mit unterschiedlichen Fleischstücken in Verbindung gebracht werden können und für viele Menschen von hoher Priorität sind.
Bereiten Sie selber die sogenannten «Special Cuts» zu, kann es sich lohnen, nicht direkt mit der Zunge oder dem Schweinsschnörrli zu beginnen, da Sie damit Ihre Familie unter Umständen vor den Kopf stossen. Ich kann mir vorstellen, dass geschnittenes Fleisch an einer «vertrauten» Sauce besser ankommt als ganze Fleischstücke, die an ein Organ erinnern. Aber auch das ist Geschmackssache. Es braucht eventuell einige Kochanläufe, bis es allen Familienmitgliedern schmeckt.
Gemüse: Auf den Teller statt in den Kompost
Auch bei der Zubereitung von Gemüse kann der Lebensmittelverschwendung entgegengewirkt werden. Während viele Menschen das Gemüse grosszügig rüsten, zum Beispiel beim Broccoli den ganzen Strunk entfernen oder bei anderem Gemüse die Schale wegwerfen, könnte all das genutzt werden. Gemüseschale eignet sich gut als Suppeneinlage oder für eine selbstgemachte Bouillon. Die Blätter von zahlreichen Gemüsen können ebenfalls gekocht werden. Blätter von frischen Randen schmecken prima als Salat, Radieschen- oder Rüeblikraut ergibt ausgezeichnetes Pesto.
Zu guter Letzt: Schneiden Sie den Strunk von Broccoli oder Blumenkohl keinesfalls weg, sondern verwenden Sie ihn klein geschnitten als Gemüsebeilage. Geben Sie dem vermeintlichen Kompost eine Chance und integrieren Sie ihn stattdessen in Ihren Speiseplan – es lohnt sich.
Vorteile einer ganzheitlichen Verwertung
- Mehr Abwechslung beim Kochen und beim Geniessen
- Neue Geschmacksrichtungen kennenlernen
- Nachhaltigere Ressourcennutzung
- Weniger Lebensmittelabfall
- Lancierung von neuen Produkten
- Grösseres Angebot an verschiedenen Nahrungsmitteln
- Ganzheitliche Verwertung schont das Portemonnaie