Proteine – Alleskönner, aber kein Allerheilmittel
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Proteine – Alleskönner, aber kein Allerheilmittel

Lesedauer: 3 Minuten

In unserer Ernährung spielen Proteine eine zentrale Rolle. Doch was ist dran am Wachstumswunder und an der Annahme, dass nur tierische Produkte unseren Eiweissbedarf decken können? Drei Mythen auf dem Prüfstand.

Text: Wina Fontana
Bild: iStockphoto

In Zusammenarbeit mit Betty Bossi

Sind Proteine nur in tierischen Produkten enthalten?

Protein, auch Eiweiss genannt, setzt sich aus Aminosäuren zusammen, von denen neun essenziell sind. Diese müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Ein Lebensmittel gilt dann als hochwertige Proteinquelle, wenn es möglichst viele verschiedene essenzielle Aminosäuren enthält. Dies ist besonders bei tierischen Produkten der Fall. Doch auch pflanzliche Quellen wie Hülsenfrüchte, Nüsse oder Samen liefern diese essenziellen Aminosäuren. Quinoa und Soja enthalten sogar alle neun essenziellen Aminosäuren. Allerdings ist das Aminosäureprofil pflanzlicher Lebensmittel oft nicht vollständig. Lange wurde deshalb empfohlen, tierische und pflanzliche Proteine in jeder Mahlzeit zu kombinieren.

Aktuelle Studien zeigen, dass der Körper Aminosäuren speichern und über den Tag nutzen kann. Es reicht also aus, wenn Sie über den Tag verteilt möglichst viele verschiedene Proteinquellen in den Speiseplan einbauen. Tierisches Protein kann vom Körper jedoch besser verwertet werden als pflanzliches. Folglich muss eine grössere Menge an pflanzlichen Proteinquellen verzehrt werden, um eine äquivalente Menge zu erreichen. Bei der Auswahl von Proteinquellen spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle. Tierische Produkte sind oft proteinreich, können aber auch gesättigte Fette enthalten. Pflanzliche Proteine werden weniger gut verwertet, bringen dafür meist Ballaststoffe und andere wichtige Nährstoffe mit.

Führt mehr Protein zu mehr Muskeln?

Ein weitverbreiteter Irrglaube ist, dass eine übermässige Proteinzufuhr direkt zu einem verstärkten Muskelaufbau führt. Zwar sind Proteine für den Muskelaufbau wichtig, doch ein Übermass bringt nicht zwangsläufig grössere Muskelgewinne mit sich. Der Körper kann Proteine nur begrenzt für den effektiven Muskelaufbau nutzen. Überschüssiges Protein wird ausgeschieden oder im Körper in Form von Fett gespeichert. Regelmässiges Bewegen ist der Schlüssel zum Muskelaufbau. Ohne den Körper angemessen zu belasten, kann selbst eine hohe Proteinzufuhr kein signifikantes Muskelwachstum bewirken. Auch unabhängig vom Sport ist eine ausreichende Proteinzufuhr wichtig.

Eine langfristig hohe Proteinzufuhr erhöht die Belastung für die Nieren.

Denn Proteine bilden ausserdem die Grundlage für die Zellstruktur, die Enzyme, Antikörper und Hormone in unserem Körper. Das bedeutet aber nicht, dass die Ernährung plötzlich nur noch aus Proteinquellen bestehen soll. Eine ausgewogene Ernährung ist ebenso ausschlaggebend für das Muskelwachstum. Als Beispiel dafür bieten sich Getreide und Getreideprodukte an. Diese machen rund 25 Prozent unserer täglichen Proteinaufnahme aus. Würden wir diese Kohlenhydrate weglassen, entfiele auch ein Viertel unserer Proteinzufuhr.

Eine übermässige Aufnahme von Protein kann übrigens ebenso gesundheitliche Nebenwirkungen haben wie ein Mangel. Die Anpassung an die individuellen Proteinbedürfnisse ist darum für Jung und Alt gleichermassen wertvoll. Eine langfristig hohe Proteinzufuhr erhöht die Belastung für die Nieren, da diese intensiver arbeiten müssen, um die Abfallprodukte des Proteinstoffwechsels wie Ammoniak und Harnstoff zu filtern und auszuscheiden. Bei Menschen mit bestehenden Nierenerkrankungen kann dies besonders problematisch sein, aber auch gesunde Personen gehen bei notorisch übermässigem Konsum von Protein Risiken ein.

Erhöhen Eier den Cholesterinspiegel?

Früher galten Eier als Risiko für den Cholesterinspiegel und das Herz-Kreislauf-System. Deswegen wurden sie häufig vom Ernährungsplan gestrichen. Heutige Forschungen zeigen jedoch, dass Eier – in Massen konsumiert – keinen negativen Einfluss auf den Cholesterinspiegel der meisten Menschen haben. Eier sind reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralien und bieten eine hervorragende Quelle für Cholin, einen essenziellen Nährstoff, der besonders für die Gehirnentwicklung von Kindern wichtig ist. Interessanterweise ist es eher der hohe Zuckerkonsum, der indirekt den Cholesterinspiegel beeinflussen kann. Ein Übermass an Zucker, insbesondere in verarbeiteten Lebensmitteln und Getränken, kann zu Gewichtszunahme und Fettleibigkeit führen und so das Risiko für hohe Cholesterinwerte erhöhen.

7 Tipps für den Familienalltag

  1. Milchprodukte bieten sich wunderbar als Proteinlieferanten an. Allerdings enthalten die für Kinder beworbenen Produkte oftmals grössere Mengen Zucker. Naturquark mit ein paar frischen oder gefrorenen Früchten sind eine gern gegessene Alternative.
  2. Neben Proteinen liefern Milchprodukte für das Knochenwachstum wertvolles Kalzium. Falls Sie pflanzliche Milchalternativen wählen, sollten diese unbedingt mit Kalzium angereichert sein.
  3. Proteinlieferanten lassen sich wunderbar in Zwischenmahlzeiten einbauen. Meine Favoriten: Gemüsestängeli mit Hummus, Knäckebrot mit Bündnerfleisch, Frischkäse oder Hüttenkäse sowie Quark mit frischen Früchten.
  4. Mit Proteinen angereicherte Riegel und Gebäcke sind bei Teenagern stark im Trend. Doch gerade Produkte mit einem sehr hohen Proteinanteil sind oftmals stark verarbeitet, enthalten kaum Vitamine und Mineralstoffe und befeuern durch Süssungsmittel oder Zuckeralkohole die Süsspräferenz. Als Ausnahme liegen diese absolut drin, sie sollten jedoch in der alltäglichen Ernährung eine untergeordnete Rolle spielen.
  5. Für Kinder ab einem Jahr gilt die Empfehlung von einem Ei pro Tag. Maximal zwei sollten es für Kinder zwischen sieben und neun Jahren sein. Ab zehn Jahren und für Erwachsene sind zwei bis drei Eier pro Tag angemessen. Idealerweise verzichten Sie an Ei-reichen Tagen auf fleischhaltige Komponenten oder grosse Käseportionen.
  6. Achten Sie auf regelmässige und ausgewogene Mahlzeiten. Eine ausgewogene Ernährung ist für die Entwicklung von Kindern entscheidend. Dies bedeutet nicht, dass Sie und Ihre Kinder sich jederzeit an die Empfehlungen halten müssen. Ausnahmen sind erlaubt und dürfen und sollen genossen werden.
  7. Konkrete Empfehlungen für Ihr Kind finden Sie auf der Website der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung: www.sge-ssn.ch > Von Jung bis Alt

Wina Fontana
ist Ernährungsexpertin SVDE, hat einen Bachelor in Ernährung und Diätetik und arbeitet bei Betty Bossi.

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