Zucker – süsse Gefahr oder notwendige Energie?
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Zucker – süsse Gefahr oder notwendige Energie?

Lesedauer: 3 Minuten

Das Thema Zucker ist in aller Munde. Ein sinnvolles Mass zwischen lebenswichtigem Energielieferanten und Auslöser unzähliger Zivilisationskrankheiten zu finden, scheint unmöglich. Doch ist der Grat wirklich so schmal?

Text: Wina Fontana
Bild: iStockphoto

In Zusammenarbeit mit Betty Bossi

Im modernen Sprachgebrauch wird der Begriff «Zucker» häufig als Synonym für raffinierten Haushaltszucker verwendet. Dabei steht er als Überbegriff für eine ganze Reihe von Zuckerarten, die alle zur Familie der Kohlenhydrate gehören. Damit wir das Thema differenziert anschauen können, braucht es zuerst eine Klärung der Begrifflichkeiten. So unterscheidet man fachlich zwischen drei Arten von Zucker: nämlich Einfach-, Zweifach- und Mehrfachzucker.

Mehrfachzucker kommen in Kartoffeln oder Hülsenfrüchten vor

Einfachzucker sind Glukose (Traubenzucker), Fruktose (Fruchtzucker) und Galaktose (Schleimzucker). Zweifachzucker wie Laktose (Milchzucker), Saccharose (Haushaltszucker) und Maltose (Malzzucker) bestehen jeweils aus der chemischen Verbindung von zwei Einfachzuckern. Mehrfachzucker sind lange Aneinanderreihungen von Einfachzuckern, weshalb sie auch komplexe Kohlenhydrate genannt werden. Sie kommen beispielsweise in Kartoffeln, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten in Form von Stärke vor.

Die Spaltung von Mehrfachzucker lässt den Blutzuckerspiegel über längere Zeit steigen, wir fühlen uns dadurch lange satt.

Die Zuckerarten unterscheiden sich hauptsächlich in der Verdauungs­zeit. Als einzelne Zuckerbausteine werden Einfachzucker direkt im Darm aufgenommen. Die Spaltung von Zweifachzuckern in Einfach­zucker dauert nur vernachlässigbar länger. Beide Zuckerarten lassen den Blutzuckerspiegel also schnell ansteigen und sind deshalb optimal für den Verzehr unmittelbar vor körperlichen Aktivitäten geeignet.

Die Spaltung von Mehrfachzucker nimmt hingegen mehr Zeit in An­spruch. Dadurch steigt unser Blut­zuckerspiegel über einen längeren Zeitraum, aber dafür weniger steil an und wir fühlen uns lange satt.

Alles eine Frage der Menge

Gerade Kinder sind auf Kohlenhyd­rate als Energielieferant angewie­sen. Schliesslich muss neben dem Sammeln von Lebenserfahrung und dem Herumtollen auf dem Spiel­platz noch genügend Energie für das Heranwachsen zur Verfügung stehen.

Doch auch im Erwachse­nenalter verlieren Kohlenhydrate nicht an Bedeutung: Sowohl unser Gehirn als auch unsere roten Blut­körperchen sind auf Zucker als Energiequelle angewiesen. Ein kompletter Verzicht auf Kohlenhydrate ist also weder sinnvoll noch notwendig. Doch wodurch wird die Kontroverse rund um das Thema Zucker nun ausgelöst?

Vermehrter Verzehr gesüsster Speisen fördert unsere angeborene Süsspräferenz, was das Verlangen nach Zucker verstärkt.

Unabhängig davon, ob schnell oder langsam zur Verfügung gestellt: Nicht verwendete Energie wird in Form von Körperfett ge­speichert. Und gerade heutzutage nehmen wir tendenziell mehr Energie als nötig auf. Dazu kommt, dass wir entgegen der Empfehlung immer häufiger zu den schnellen Zuckervarianten greifen. Diese be­günstigen nicht nur Karies, sondern auch Zivilisationskrankheiten wie Adipositas oder Diabetes Typ 2.

Der sogenannte zugesetzte Zucker hat stark zu dieser Entwicklung beigetragen. Der Begriff umfasst neben dem Haushaltszucker alle Einfach- und Zweifachzucker, die zum Süssen von Lebensmitteln ein­gesetzt werden. Der vermehrte Ver­zehr gesüsster Speisen führt dazu, dass unsere angeborene Süsspräfe­renz gefördert wird, was wiederum unser Verlangen nach süssen Lebensmitteln verstärkt.

Für einen moderaten Konsum gesüsster Lebensmittel empfiehlt die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung, dass zugesetzter Zucker bei Erwachsenen maximal 50 Gramm ausmachen soll, bei Kindern maximal 30 Gramm. Das entspricht 7,5 Stück Würfelzucker oder einem Becher Fruchtjoghurt mit Knuspermüesli.

Zucker wird oft mit Saccharose, Glukose oder Fruchtsaft umschrieben

Die Menge des zugesetzten Zuckers lässt sich oft nicht einfach aus der Nährwertdeklaration ablesen. Denn die Angabe «Kohlenhydrate, davon Zucker» umfasst auch natür­lich vorkommende Einfach- und Zweifachzucker. So ist zum Beispiel bei einem gesüssten Fruchtjoghurt mit Fruchtstücken nicht ersichtlich, wie viel natürlicher Zucker in Form von Milchzucker und Fruchtzucker enthalten ist und wie viel Zucker zugesetzt wurde.

Richtig interpre­tiert, kann die Zutatenliste jedoch Hinweise liefern. Zugesetzter Zucker wird oft mit Begriffen wie Saccharose, Glukose, Fruktose, Dextrose oder Fruchtsaft umschrieben. Ausserdem sind Zutatenlisten in der Regel absteigend nach mengen­mässigen Anteilen verfasst. Je wei­ter vorn die Süsse gelistet ist, desto höher ist also der enthaltene Anteil.

Zucker reduzieren, aber wie?
6 Tipps für den Alltag

Zugesetzter Zucker ist allgegenwärtig. Umso wichtiger ist es, unseren Kindern einen verantwortungs vollen Umgang damit näherzubringen. Doch wie gelingt uns das, ohne ihnen die Freude am Essen zu nehmen oder beim Lesen der Lebensmitteletiketten zu verzweifeln?

  1. Reduzieren Sie den zugesetzten Zucker in der Küche nur schrittweise. So gewöhnen sich die Gaumen an die Umstellung, ohne dass Lieblingsrezepte plötzlich nicht mehr schmecken.
  2. Honig, Dattelsirup oder Ähnliches wirken sich bei übermässigem Verzehr genau wie Haushaltszucker negativ auf die Gesundheit aus. Und auch sie befeuern unsere Süsspräferenz. Das gilt ebenso für Birkenzucker und Xylit.
  3. Anders als bei Backwaren, die Zucker für die Konsistenz brauchen, lässt sich die Zuckermenge bei Cremen und Füllungen oft problemlos halbieren.
  4. Halten Sie immer eine Auswahl von ungesüssten Snacks bereit. Ein paar Darvida mit einem Schnittchäsli, Gemüsestangen mit Hummus oder eine kleine Handvoll Nüsse sind bei den Kids beliebte salzige Varianten. Bei Gluscht nach Süssem können Sie etwa ein Naturjoghurt mit frischen Früchten oder Apfelschnitze mit ungesüsster Nussbutter anbieten.
  5. Aromatisiertes Wasser durch gefrorene Beeren oder Kräuter ist ein toller Ersatz für Süssgetränke. Alternativ können Sie auch mit 2⁄3 Wasser und 1⁄3 Fruchtsaft eine erfrischende Schorle mischen.
  6. Sie müssen gesüsste Lebensmittel nicht für immer vom Speiseplan streichen. Ausnahmen dürfen stattfinden, sollten allerdings auch als solche deklariert werden.

Wina Fontana
ist Ernährungsexpertin SVDE, hat einen Bachelor in Ernährung und Diätetik und arbeitet bei Betty Bossi.

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