«Die Kinder leiden unter unseren Auseinandersetzungen»
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«Die Kinder leiden unter unseren Auseinandersetzungen»

Lesedauer: 4 Minuten

Eine Mutter meldet sich beim Elternnotruf, weil sie sich wegen der ständigen Streitereien mit ihrem Mann um das Wohl der Kinder sorgt.

Aufgezeichnet von Deborah Forster
Bild: Adobe Stock

Mutter: Guten Abend. Ich weiss nicht mehr weiter. Vorhin beim Abendessen haben mein Mann und ich uns wieder heftig gestritten. Die Kinder bekamen alles mit. Unser Sohn hat sich in sein Zimmer verzogen und unsere Tochter hat ihren Papa beschimpft. Ich halte das nicht mehr aus.

Beraterin: Guten Abend. Wir können Ihre Situation gerne besprechen. Können Sie mir etwas mehr darüber erzählen?

Mutter: Mein Mann ist praktisch nie zu Hause, er kümmert sich immer weniger um die Familie. Das führt oft zu Konflikten. Die Stimmung ist im Keller. Das geht nun schon seit Längerem so und wird immer schlimmer. Ich habe das Gefühl, dass die Kinder darunter leiden. Sie sind 10 und 12 Jahre alt. Ich will das so nicht mehr.

Beraterin: Ich kann gut verstehen, dass Sie diese Situation beschäftigt. Es ist mutig, dass Sie genau hinschauen möchten, um herauszufinden, wie Sie etwas daran ändern können.

Unser Sohn zieht sich immer mehr zurück und unsere Tochter wird oft wütend.

Mutter

Mutter: Ich habe das Gefühl, dass ich mittlerweile gar nicht mehr weiss, ob ich noch in dieser Beziehung bleiben kann und will. Ich möchte nicht, dass unsere Konflikte den Kindern schaden. Das sind Gedanken, die ich schon sehr lange in mir trage. Da ist aber auch eine gros­se Angst in mir. 

Beraterin: Das ist verständlich. Die Situation stellt für Sie alle eine gros­se Herausforderung dar. Sie spüren vermutlich, dass da möglicherweise ein langer, schmerzlicher Prozess vor Ihnen liegt. Können Sie genauer benennen, was Ihnen Angst macht? 

Mutter: Da ist vor allem die Sorge, was ich meinen Kindern damit antun würde. Ich weiss nicht, ob es ihnen nach einer Trennung wirklich besser ginge.

Beraterin: Das kann ich gut verstehen. Wichtig ist, dass Sie als Eltern gut auf die Bedürfnisse Ihrer Kinder achten. Und ich denke, genau das ist Ihnen sehr bewusst. Sie haben vorhin gesagt, dass Ihre Kinder unter der aktuellen Situation leiden. Können Sie beschreiben, woran Sie das festmachen?

Mutter: Besonders unser Sohn zieht sich immer mehr zurück. Seine schulischen Leistungen haben nachgelassen. Unsere Tochter wird oft wütend, stellt sich häufig auf eine Seite und wird dann gegenüber dem anderen Elternteil ausfällig. 

Mein Mann und ich stecken mitten in der Krise, sodass wir nicht mehr sehen, was wir verändern könnten.

Mutter

Beraterin: Schön, dass Sie Ihre Kinder so gut spüren. Und Sie haben recht, Kinder sollten nicht in den Streit der Eltern involviert werden. Das klingt jedoch einfacher, als es ist. Wichtig scheint mir, dass Sie mit Ihrem Mann über Ihre Gedanken und Sorgen sprechen. Wie ist die Kommunikation zwischen Ihnen beiden?

Mutter: Mein Mann und ich kommen nicht weiter, wenn wir über unsere Situation sprechen. Ich habe das Gefühl, wir stecken mitten in der Krise, sodass wir gar nicht mehr sehen, was wir eigentlich verändern könnten.

Beraterin: Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass eine Paartherapie hilfreich sein könnte? Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie beide dadurch bei der Entwicklung von möglichen Verbesserungen unterstützt und in Ihrem Prozess begleitet werden könnten.

Mutter: Bisher hatte ich das Gefühl, dass wir es ohne Unterstützung schaffen, aber nun weiss ich gar nichts mehr. Eigentlich wäre ich froh um die Unterstützung durch eine Fachperson – natürlich in der Hoffnung, dass auch mein Mann etwas an der Situation verändern möchte. 

Beraterin: Wenn Sie an eine Trennung denken: Was würde dies Ihrer Meinung nach Positives bewirken?

Mutter: Ich denke, ich wäre zufriedener und ausgeglichener. Und mein Wunsch wäre, dass es den Kindern wieder besser ginge.

Beraterin: Woran würden Sie denn erkennen, dass es den Kindern besser geht?

Mutter: Sie wären vermutlich gelöster und könnten sich wieder besser entfalten. Unser Sohn könnte wieder ausdauernder und vertiefter an seinen Angelegenheiten dranbleiben und unsere Tochter wäre wieder ausgeglichener.

Ich habe das starke Gefühl, dass momentan etwas räumliche Distanz hilfreich wäre.

Mutter

Beraterin: Und wenn Sie sich gegen eine Trennung entschieden, woran würden Sie dann merken, dass Sie richtig gehandelt haben?

Mutter: Im Idealfall würde mein Mann etwas verändern und mehr Zeit mit uns verbringen. Es gäbe weniger Konflikte und die Kinder könnten sich wieder mehr den Sachen zuwenden, die ihnen eigentlich immer Freude gemacht haben.

Beraterin: Nun vielleicht eine etwas ungewohnte Frage. Aber was könnte in Ihrer Vorstellung Neues entstehen, wenn Sie diese beiden Varianten zusammenführen? 

Mutter: Ich habe das starke Gefühl, dass momentan etwas räumliche Distanz hilfreich wäre. Ich weiss seit einer Weile von einer Kollegin, bei der ein WG-Zimmer frei wird, und habe mir schon überlegt, dieses ein- bis zweimal in der Woche als Rückzugsort zu nutzen. Davon erhoffte ich mir weniger Konflikte und mehr Zeit und Raum, damit wir für uns eine Lösung finden können. 

Beraterin: Dies könnte eine Option sein, die für alle Beteiligten mehr Klarheit und Ruhe bringt. Idealerweise könnten Sie auch wieder mehr Leichtigkeit im Paar- und Familienalltag erleben. Vielleicht finden Sie auch noch andere Ideen. Was wären Ihrer Meinung nach Anzeichen, dass Sie auf einem guten Weg sind?

Mutter: Wenn es weniger Konflikte gäbe und die Stimmung zu Hause wieder besser wäre. Ich möchte unbedingt, dass es den Kindern wieder wohler ist, dass sie mehr innere Ruhe haben und sich mehr auf sich selbst konzentrieren können.

Wichtig scheint mir, dass Sie Möglichkeiten finden, Ihre Kommunikation wieder respektvoller zu gestalten.

Beraterin

Beraterin: Das sind alles zentrale Punkte. Wichtig scheint mir, dass Sie Möglichkeiten finden, Ihre Kommunikation wieder respektvoller zu gestalten und den Kindern idealerweise eine gestärkte Beziehung zu beiden Elternteilen zu ermöglichen. Das wird eine deutliche emotionale Entlastung bringen. Können Sie aus dem Gespräch die eine oder andere Idee mitnehmen?

Mutter: Ich möchte meinem Mann von dem Gespräch mit Ihnen erzählen und ihn fragen, ob er für eine Paartherapie bereit wäre. Ich danke Ihnen. Ich bin nun etwas zuversichtlicher, dass es Möglichkeiten gibt, wie wir unser Zusammensein wieder verbessern können.

Beraterin: Sehr gerne. Ich wünsche Ihnen alles Gute.

Elternnotruf

Bei Themen rund um den Familien- und Erziehungsalltag ist der Verein Elternnotruf seit 40 Jahren für Eltern, Angehörige und Fachpersonen eine wichtige Anlaufstelle – sieben Tage die Woche, rund um die Uhr. Die Beratungen finden telefonisch, per Mail oder vor Ort statt. www.elternnotruf.ch 

An dieser Stelle berichten die Berater aus ihrem Arbeitsalltag.

Dieses Protokoll ist die stark verkürzte und auf das Wesentliche reduzierte Aufzeichnung eines längeren Beratungsgesprächs. Wir möchten damit einerseits Einblick geben in unsere Arbeit und andererseits den Leserinnen und Lesern Denkanstösse für ähnliche Fragestellungen vermitteln.

Yvonne Müller, Co-Leiterin Elternnotruf

Deborah Forster

Deborah Forster
ist Berufs- und Laufbahnberaterin sowie ausgebildete Primarlehrerin. Die zweifache Mutter arbeitet seit 2023 beim Elternnotruf als Beraterin.

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