«Unsere Tochter stürmt ins Haus und schreit oder weint»

Eine Mutter wendet sich an die ADHS-Organisation elpos Schweiz, weil sie nicht mehr weiss, wie sie ihre Tochter nach der Schule zu Hause auffangen kann.
Für viele Eltern von Kindern mit ADHS ist der Nachmittag nach der Schule eine herausfordernde Zeit. Die Anspannung des Tages entlädt sich oft in Wut oder Frustration. So auch bei einer Familie, deren achtjährige Tochter seit zehn Monaten die ADHS-Diagnose hat.
Das Mädchen kann sich nur schwer konzentrieren und ist nach der Schule oft erschöpft und überfordert. Dies führt zu emotionalen Ausbrüchen und schwierigen Situationen im Familienalltag. Die Mutter sucht Unterstützung, um mit diesen täglichen Herausforderungen besser umzugehen.
Mutter: Guten Tag, ich weiss nicht mehr weiter. Unsere Tochter Mia kommt nach Hause und es eskaliert fast täglich. Ich bin erschöpft und weiss nicht, wie lange ich das noch durchhalte.
Beraterin: Das klingt belastend. Es muss sehr herausfordernd sein, mit diesen ständigen Konflikten umzugehen. Wie wäre es, wenn wir uns mal anschauen, was genau passiert, wenn Mia nach Hause kommt? Vielleicht finden wir zusammen Wege, diese Übergänge für alle etwas entspannter zu gestalten.
Egal ob ich mit meiner Tochter rede oder sie in Ruhe lasse – es macht keinen Unterschied.
Mutter
Mutter: Ja gerne. Sie stürmt oft ins Haus, wirft ihren Rucksack auf den Boden, schreit, dass sie Hunger habe oder alles unfair sei. Manchmal weint sie, manchmal wird sie einfach nur laut. Ich weiss nie, was ich tun soll. Mal versuche ich, mit ihr zu sprechen, mal lasse ich sie in Ruhe – aber es scheint keinen Unterschied zu machen. Ich fühle mich dann hilflos und überfordert.
Beraterin: Ich kann gut nachvollziehen, wie schwierig das für Sie sein muss. Kinder mit ADHS erleben oft einen intensiven Druck in der Schule, der zu Hause abgebaut werden muss. Diese Entladung der Emotionen ist für das Kind eine Möglichkeit, die Anspannung loszulassen. Gleichzeitig ist es eine Herausforderung für die Eltern, hier stabil und ruhig zu bleiben.
Es ist wichtig, die Trennung zwischen Schule und Freizeit zu schaffen. Dabei hilft ein klarer Übergang.
Beraterin
Mutter: Aber wie kann ich das auffangen, ohne dass ich selbst dabei untergehe?
Beraterin: Ein klarer Übergang von der Schule zum Zuhause kann hier sehr hilfreich sein. Wenn Mia nach der Schule etwas Zeit für sich bekommt, um sich zu beruhigen – sei es, dass sie sich 15 Minuten draussen aufhält, eine beruhigende Geschichte hört oder einen Snack zu sich nimmt –, hilft das, die überschüssige Energie abzubauen und sich zu sammeln.
Mutter: Also nicht sofort über Hausaufgaben oder den Tag sprechen?
Beraterin: Genau. Es ist wichtig, die Trennung zwischen Schule und Freizeit zu schaffen. Kinder mit ADHS können sich nur schwer sofort auf neue Aufgaben konzentrieren, wenn sie noch mit den Emotionen des Schultages kämpfen. Eine kleine Ruhepause hilft, damit Ihre Tochter mit mehr Energie und Konzentration in die nächsten Aufgaben gehen kann.
Mutter: Und was, wenn sie trotzdem wütend wird?
Beraterin: Wenn Mia in solchen Momenten wütend wird, ist es wichtig, dass Sie ruhig und stabil bleiben. Kinder brauchen in solchen Situationen Orientierung und es hilft, ihre Gefühle anzuerkennen, ohne sie zu verstärken. Sie könnten sagen: «Ich sehe, dass du gerade sehr aufgewühlt bist. Es ist okay, diese Gefühle zu haben. Ich bin hier, um dir zu helfen, wenn du bereit bist, dich zu beruhigen.» Diese Form der Anerkennung der Emotionen ohne direkte Verstärkung gibt dem Kind die Möglichkeit, sich selbst zu regulieren, während es sich von der starken Emotion befreien kann.
Mutter: Aber manchmal verliere ich auch die Geduld. Dann werde ich laut oder ziehe mich zurück. Danach habe ich ein schlechtes Gewissen.
Beraterin: Das ist ganz normal und passiert vielen Eltern. Niemand kann immer ruhig bleiben, besonders wenn man selbst an die eigenen Grenzen stösst. Aber es ist wichtig, dass Sie sich selbst nicht verurteilen. Wenn Sie merken, dass die Situation zu viel wird, ist es vollkommen in Ordnung, sich eine kurze Auszeit zu nehmen. So kommen Sie wieder zu sich und können dann ruhiger und klarer auf Ihre Tochter eingehen.
Mutter: Ich werde es versuchen. Es tut gut, zu hören, dass es Wege gibt, wie wir uns beide besser unterstützen können. Aber oft fühle ich mich mit all dem allein.
Kleine Anpassungen im Alltag können oft schon eine grosse Wirkung haben.
Beraterin
Beraterin: Sie sind nicht allein. Der Austausch mit anderen Eltern kann sehr unterstützend sein. Vielleicht wäre eine Gesprächsgruppe für Sie hilfreich, um Erfahrungen zu teilen und neue Perspektiven zu gewinnen. Es hilft vielen Eltern, sich nicht überfordert zu fühlen und Lösungen zu finden. Auch Ihr Partner oder ein Familienmitglied kann eine wertvolle Unterstützung sein.
Mutter: Mein Mann arbeitet viel, aber vielleicht können wir uns besser absprechen, sodass er abends mehr übernimmt.
Beraterin: Das klingt nach einem sehr guten Plan. Kleine Anpassungen im Alltag können oft schon eine grosse Wirkung haben. Wenn Sie sich gut absprechen, wird der Alltag leichter zu bewältigen sein. Denken Sie daran: Es ist völlig in Ordnung, sich auch mal Unterstützung zu holen, wenn es zu viel wird. Wie geht es Ihnen jetzt? Ich hoffe, dass wir gemeinsam ein paar Ideen und Perspektiven gefunden haben, die Ihnen etwas Klarheit und Entlastung bringen konnten. Wenn Sie weiterhin Unterstützung brauchen oder einfach mal wieder einen Austausch wünschen, melden Sie sich jederzeit bei uns. Wir sind für Sie da.
Die Non-Profit-Organisation unterstützt Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung sowie auch deren Bezugspersonen – mit fundierten Informationen, kompetenter Beratung und themenspezifischen Veranstaltungen.