Schule ohne Noten: «Ist ‹gut› gut genug?»
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Schule ohne Noten: «Ist ‹gut› gut genug?»

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Anja, David und Lino, alle 15 und in der 8. Klasse, sind in der Berufswahlphase, für 6.-Klässlerin Mery, 12, geht es in Richtung Oberstufe. Wie ist es, diesen Weg ohne Noten zu gehen? Die Jugendlichen an der Gesamtschule Schüpberg in Schüpfen BE erzählen.

Aufgezeichnet von Virginia Nolan
Bild: Fabian Hugo / 13 Photo

Anja: «An eine Schule ohne Noten – ich wechselte Anfang der 7. Klasse hierher – musste ich mich erst gewöhnen. Am Anfang fand ich das komisch. Ich will ja wissen, wo ich schulisch stehe. Was mir hier gut gefällt: Es ist nicht so viel los, wir sind eine kleine Klasse, es gibt verhältnismässig viele Lehrpersonen. Und sie nehmen Rücksicht auf unser Tempo, geben uns mehr Zeit für den Stoff. Zum Beispiel darf ich jeden Nachmittag 20 Minuten Französischwörtchen üben, das hilft mir sehr. Anderswo auf der Oberstufe lernst du entweder schnell oder du kommst halt nicht mit.»

Dass ich kein Notenzeugnis habe, hat die Schnupperlehrbetriebe nicht gestört.

Lino

Mery: «Ich gehe seit einem halben Jahr auf dem Schüpberg zur Schule. Hier gibt es deutlich weniger Tests, eher Lernkontrollen. Und statt Noten am Ende des Schuljahres den Beurteilungsbericht. Ich persönlich hätte dann lieber ein Zeugnis mit Noten, damit ich klar sehe, ob es fürs Sek-Niveau reicht oder nicht. Ich weiss halt nicht: Ist ‹gut› gut genug für die Sek?»

Lino: «In Deutsch und Französisch bin ich auf Sek-, in Mathe auf Real-Niveau. Ich habe vor Kurzem im Pflegeberuf geschnuppert, das hat mir teilweise sehr gut gefallen. Auch als Informatiker wars cool, da durfte ich programmieren und helfen, einen PC zusammenzubauen. Dass ich kein Notenzeugnis habe, hat die Schnupperlehrbetriebe nicht gestört. Auch ohne Noten hast du Prüfungsdruck, das hat sich nicht verändert: Wir haben wöchentlich einen Französisch- und einen Englischtest, alle zwei Wochen kommen Mathe und Deutsch dran. Ich zähle dann die Punkte zusammen und rechne aus, wo ich ungefähr stehe. Sieben von zehn Punkten, denk ich mir beispielsweise, entsprechen vermutlich ungefähr einer Fünf. Das fand ich besser mit Noten: Man wusste, ob man nur die Lernziele erreicht hatte oder wirklich gut war.»

David: «Ich habe vor Kurzem als Autofachhändler geschnuppert, das hat mir bestätigt, dass ich diesen Beruf erlernen will. In Mathe bin ich auf Sekundar-, in Deutsch und Französisch auf Real-Niveau. Ich bin seit 2022 an unserer Schule. Sehr gut gefällt mir hier, dass es viel weniger Kinder hat, ich kann mich besser konzentrieren. Dass es keine Noten gibt, dünkt mich kein Vorteil. Ich fand das vorherige System besser. Eine Note ist bloss eine Zahl. Der Beurteilungsbericht hingegen geht weiter, thematisiert dein Arbeitsverhalten und so weiter. Ich finde es unangenehm, dass solche Informationen an einen möglichen Chef weitergehen. Da wäre mir eine Notenbeurteilung lieber.»

Virginia Nolan
ist Redaktorin, Bücherwurm und Wasserratte. Sie liebt gute Gesellschaft, feines Essen, Tiere und das Mittelmeer. Die Mutter einer Tochter im Primarschulalter lebt mit ihrer Familie im Zürcher Oberland.

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