«Ich will nicht mit meiner Klasse ins Lager gehen»
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«Ich will nicht mit meiner Klasse ins Lager gehen»

Lesedauer: 3 Minuten

In der Klasse der zwölfjährigen Alina steht bald ein Lager bevor. Doch sie will nicht mitfahren, weil sie auswärts schlecht schlafen kann und als Vegetarierin Mühe damit hat, wenn alle anderen Fleisch essen. Unsere Expertin Sarah Zanoni gibt ihr wertvolle Tipps.

Text: Sarah Zanoni
Bild: Adobe Stock

«Frag doch mal Sarah»

Unsere Klasse hat bald ein Klassenlager. Aber ich möchte auf keinen Fall mitfahren. Als überzeugte Vegetarierin kann ich einfach nicht ertragen, wenn alle anderen am Tisch Fleisch essen. Das ist schrecklich für mich! Und dann plagen sie mich deswegen auch manchmal. Ausserdem kann ich auswärts nicht schlafen, das war schon beim letzten Lager so. Ich habe ganz oft Bauchschmerzen, wenn ich an das Lager denke. Was kann ich tun, damit ich nicht mitfahren muss?
Alina, 12

Liebe Alina
Ich finde es richtig toll, dass du zu dir stehst und vegetarisch isst, egal ob rundherum alle anderen Fleisch essen. Das braucht schon ein richtig starkes Selbstvertrauen, vor allem wenn dann noch dumme Kommentare aus deiner Klasse kommen. Aber lass dich bitte nicht davon irritieren. Du hast dir schon mit deinen zwölf Jahren eine Meinung über ein wichtiges Thema gebildet und lebst danach. Das ist mehr als viele andere tun. Ich habe grossen Respekt vor deiner Haltung.

Zum anderen Thema, dem bevorstehenden Lager, kann ich dir sagen, dass ich leider sehr viele Schulkinder kenne, die ebenso ungern ins Lager gehen wie du. Denn es gibt etliche Mädchen und Jungs, die sich unsicher und unwohl fühlen, wenn sie nicht zuhause schlafen können und mehrere Tage weg sind von daheim. Manche haben deswegen richtig grosse Angst. Und aus Angst kann man Bauchschmerzen, Kopfweh, Schlafprobleme und andere körperliche Beschwerden bekommen. Solche Stresssymptome machen einem das Leben schwer. Denn mit Bauchweh macht das schönste Lagerprogramm keinen Spass, oder? 

Natürlich gibt es auch sehr viele Kinder, die extrem gerne ins Lager gehen: Sie freuen sich auf viele lustige Momente mit ihren Klassenkameraden und -kameradinnen, auf ein spannendes Programm am Tag und auf Spiel und Spass am Abend. Das Knabbern von Snacks gehört genauso dazu wie das Plaudern und Lachen vor dem Einschlafen.

Heimweh-Mappe basteln

Wenn du an Heimweh leidest, kann ich dir empfehlen, eine «Heimweh-Mappe» zu basteln. Das geht so: 

  1. Nimm eine Kartonmappe, die sich aufklappen und mit zwei Gummibändern wieder zumachen lässt. Die kann man vielerorts für wenig Geld kaufen. 
  1. Klebe in die geöffnete Mappe einen Papierkreis in die Mitte. Zeichne darauf 8 Pizzastücke ein. Und in jedes Stück schreibst du eine Idee, womit du dich im Lager ablenken kannst, falls du Heimweh verspürst.  

Zum Beispiel:  

  • mit einer Freundin reden 
  • einmal ums Lagerhaus rennen 
  • von 50 retour zählen in Englisch oder Französisch 
  • ein Spiel spielen mit den anderen 
  • Rätsel lösen 
  • etc. 
  1. Klebe auf die noch leeren Flächen der Mappen-Innenseite unterschiedlich grosse Couverts. Stecke in jedes Couvert etwas anderes: Witze, flacher Kaugummi, Foto von dir (auf dem es dir richtig gut geht), Glücksbringer, Sudoku, Kreuzworträtsel, Mandalas zum Ausmalen. 

Sobald du dich im Lager unwohl fühlst, kannst du die Mappe hervornehmen und dich damit beschäftigen. Das lenkt dich ab und nach etwa zwanzig Minuten fühlst du dich wieder besser. 

Ich persönlich bin der Meinung, dass sich niemand zwingen muss, in ein Lager zu gehen. Aber es wäre bestimmt eine gute Erfahrung, wenn du es trotzdem probierst. Auch wenn es dann nicht klappen sollte und dich deine Eltern wieder abholen müssten – ein Versuch ist es auf jeden Fall wert.  

Manchmal braucht man einfach nur die Sicherheit, dass man das Ganze abbrechen darf, falls es wirklich unerträglich schlimm sein sollte. Deine Eltern sollten deshalb unbedingt die Schule informieren, dass du wegen des Lagers einen so grossen Stress hast. Lehrpersonen kennen dieses Phänomen und sollten in der Lage sein, dir und deinen Eltern einen Notfallplan anzubieten. Und falls du tatsächlich das Lager mit der Klasse vorzeitig verlassen müsstest, kannst du trotzdem sehr stolz auf dich sein: Denn du hast es wenigstens versucht!

Meist hat man einen triftigen Grund, weshalb man an gewissen Klassenaktivitäten nicht teilnimmt. Deshalb sollte man nicht dafür kritisiert werden.

Grundsätzlich finde ich, dass Schüler und Schülerinnen, die es nicht schaffen, gewisse Klassenaktivitäten wie Schulreise, Sporttag oder eben ein Lager mitzumachen, deswegen nicht kritisiert werden sollten. Denn sie haben meistens einen triftigen Grund, weshalb es ihnen so schwerfällt, daran teilzunehmen. Es ist für sie selbst schon unangenehm genug, dass sie es nicht können – da muss man ihnen nicht noch Druck machen und Schuldgefühle vermitteln. 

Ihre Schulkarriere werden diese Kinder auch ohne Lager und Co. gut absolvieren können. Und später im Leben gibt es ja dann auch keinen Zwang, in ein Lager zu gehen, oder? 

Passende Lösung finden

Ich hoffe, dass deine Eltern und deine Lehrperson dies ebenso sehen und dir helfen, entweder das Lager auszuprobieren oder dir eine andere Option anzubieten. Andere Schüler, die ich kennengelernt habe, durften beispielsweise in einem Einzelzimmer schlafen, das gab ihnen die nötige Privatsphäre und Ruhe. Andere durften täglich kurz mit ihren Eltern telefonieren. Und wieder andere blieben zuhause und besuchten während dieser Woche den Unterricht in einer anderen Klasse. 

Ich wünsche dir, dass auch du eine passende Lösung für dich finden kannst. 

Frag doch mal Sarah

In unserer Rubrik «Frag doch mal Sarah» beantwortet Jugendcoach Sarah Zanoni Fragen von Kindern und Jugendlichen.

Hast du auch eine Frage, die du ihr gerne stellen würdest? Dann sende eine E-Mail an online@fritzundfraenzi.ch oder kontaktiere uns auf unseren Social-Media-Kanälen.

Jugencoach Sarah Zanoni

Sarah Zanoni
arbeitet seit rund 20 Jahren als Jugendcoach mit Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen. Sie hält Vorträge und Seminare rund ums Thema Kind und Jugend und hat Bücher dazu publiziert. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und lebt im Kanton Aargau. Ihre Hobbys sind ihre Hunde, Krimis, Reisen und Schreiben.

Alle Texte von Sarah Zanoni

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