Diese Webseite nutzt Cookies. Cookies werden zur Benutzerführung und Webanalyse verwendet und helfen dabei, diese Webseite zu verbessern. Durch die weitere Nutzung dieser Webseite erklären Sie sich mit unserer Cookie-Police einverstanden. Mehr Infos hier.
Was ändert sich im zweiten Kindergartenjahr?

Bilder: Maike und Florian Frisch
Bestimmt sind Sie erstaunt, liebe Eltern, wie schnell das erste Kindergartenjahr verflogen ist. Nun gehört Ihr Kind bereits zu den Grossen – Was bedeutet das und wie entwickeln sich Mädchen und Buben in diesem Jahr?
Vergessen sind die Tage, in denen es Laura schwerfiel, sich von den Eltern zu trennen. Und deshalb «Fridolin», den Stoffhasen, immer bei sich trug. Jetzt bleibt Fridolin zu Hause, wenn Laura in den Kindergarten geht. Sie gehört nun zu den Grossen und zeigt den Kleinen, wo die Sachen im Kindergarten sind, hilft beim Anziehen und teilt das Znüni.

Gratis registrieren und profitieren:
- Begrüssungsgeschenk
- Zugriff auf alle Artikel
- Artikel speichern & später lesen
- Teilnahme an Verlosungen
Kein kleines Kind?
Kinder möchten gross sein. Sie streben vorwärts – fast immer schneller, als es uns Eltern lieb ist. Vorwärtsstreben ist nichts anderes als eine Suche. Man muss es sich so vorstellen: «Wenn sich ein Kind auf die Suche macht und dabei etwas findet, das ein kleines bisschen mehr ist als das, was vorher schon da war, so geht es ihm wie jedem Erwachsenen: Es freut sich», schreibt der deutsche Neurobiologe und Buchautor Gerhard Hüther.
Je grösser die anfängliche Aufregung über das Neue, desto grösser die Freude, wenn alles wieder «passt». Dann bekommt das Kind umso mehr Lust, sich erneut auf die Suche zu machen. Dies lasse erahnen, sagt Hüther, wie gross das Lustgefühl werden kann, das Kinder empfinden, wenn sie sich erfolgreich auf den Weg machen, um die Welt zu entdecken.
Der Mittelpunkt der Welt
Bei der «Theory of mind» legen Kinder die Ichbezogenheit ab.
Dennoch ist sein Denken noch nicht ganz frei von logischen Irrtümern, da es mehr von der Wahrnehmung als von der Logik beherrscht ist. Es wird auch jetzt noch eher von den Dingen geleitet, die es sieht, und kann sich nur auf eine einzige Sache konzentrieren.
Mit Informationen umgehen lernen
Und so kommt es vor, dass das Kind zur Türe hereinkommt und erst mal alles auf den Boden wirft: Schuhe, Kindergartentasche, Jacke. Manchmal auch sich selbst. Oder das Geschwisterkind. Ein möglicher Ausdruck, die Anstrengung des Morgens abzuwerfen. Es ist aber auch ein Zeichen dafür, dass es noch keine eigene (nicht angelernte) Verbindung zwischen Gegenwart und Zukunft herstellen kann. Sprich: heimkommen, Hände waschen und sauber an den Tisch sitzen.

Was dies heisst, zeigt folgende Alltagssituation: Wenn es draussen kalt ist, ein Nachbarskind an der Türe klingelt und fragt, ob Ihr Sohn oder Ihre Tochter mit ihm spielen möchte, rennt Ihr Kind meistens einfach los – ungeachtet der herrschenden Minusgrade. Warum? Weil der Impuls stärker ist als der Verstand. Es kommt nicht auf die Idee, sich eine Jacke anzuziehen. Auch nicht, wenn wir Erwachsene es daran erinnern.
Munakata erklärt dieses Verhalten so: «Kleinen Kindern fehlt das vorausschauende Denken. Sie rennen hinaus, bemerken erst später, dass es kalt ist, rufen erst dann in ihrer Erinnerung ab, wo die Jacke ist, und holen sie schliesslich.»
Plädoyer für mehr Verständnis
Aus entwicklungspsychologischer und pädagogischer Sicht geht es um die Entwicklung der sogenannten exekutiven Funktionen. Diese komplexen Fähigkeiten wird das Kind in diesem Jahr weiterentwickeln:
- vorausschauend denken und handeln (strategische Kompetenz)
- komplexe Probleme durchschauen (Problemlösungskompetenz) und die Folgen des eigenen Handelns abschätzen (Handlungskompetenz, Umsicht)
- die Aufmerksamkeit auf die Lösung eines Problems fokussieren (Motivation, Konzentrationsfähigkeit)
- Fehler und Fehlentwicklungen bei der Suche nach einer Lösung rechtzeitig erkennen und korrigieren können (Einsichtsfähigkeit, Flexibilität)
- sich bei der Lösung von Aufgaben nicht von aufkommenden anderen Bedürfnissen überwältigen lassen (Frustrationstoleranz, Impulskontrolle)
Das Kind wird also irgendwann von selbst darauf kommen, sich eine Jacke mit Kapuze anzuziehen, wenn es draussen regnet, auf das Röckchen zu verzichten, wenn es schneit. Ende des zweiten Kindergartenjahres wird es sich merken können, was das Programm in zwei Tagen sein wird. Und wenn es das kann, ist aus dem Kleinkind das Grosskind geworden: das schulbereite Kind.
Körper, Seele und Gehirn im Wandel?
Das Kind empfindet sich als weder klein noch gross.
Dennoch strebt Ihr Kind weiter vorwärts, ganz unbeirrt, einem inneren Entwicklungsprogramm folgend. Es erweitert seinen Radius, sucht verstärkt Kontakt zu anderen Kindern, ist ganz beseelt vom Wunsch, an möglichst jedem freien Nachmittag mit Freunden abzumachen. Womöglich meistert es den Weg zu seinen Freunden schon selbst. Es neigt zur Selbstüberschätzung und bevormundet seine jüngeren Geschwister. Und dann wieder, ganz plötzlich, wirft es sich Ihnen in die Arme und möchte kuscheln, so wie früher, als es noch das Kind mit den klebrigen Patschhändchen war.
Die Kinder sehnen sich nach Eigenständigkeit und Selbständigkeit; dennoch sind Liebe und Geborgenheit in der Familie noch ganz zentral. Schenken Sie Ihrem Kind die Zuwendung und Ruhe, die es jetzt braucht.
Wie trägt der Kindergarten dieser intensiven Entwicklungsphase Rechnung?
Die geistige Entwicklung
Während kleine Kinder es nicht ertragen, im Spiel zu verlieren, schaffen es fünf- bis sechsjährige Kinder schon viel besser. Umso grösser der Triumph, wenn es Mama, Papa oder die Grosseltern bei «Eile mit Weile» zurück auf Platz eins versetzt oder ihnen «den schwarzen Peter» unterjubelt!

Mit sechs Jahren verfügt das Kind über einen gut entwickelten Wortschatz (etwa 2500 Wörter). Es kann alle Laute aussprechen und in grammatikalisch richtigen Sätzen sprechen. Es kann berichten, was es im Kindergarten gespielt hat und was es morgen unternehmen wird. Und es verfügt über ein erstes Zahlenverständnis (Zählen bis etwa 10 oder 20, Rechnen bis 5) und eine ausgebildete Grafomotorik (detailgetreues Zeichnen).
Was wird der Übertritt in die 1. Klasse auslösen?
«Erziehen heisst, Kinder in die Unabhängigkeit und Selbständigkeit zu führen.»
Axel Hacke, Autor, in seinem Buch: «Der kleine Erziehungsberater»
Am Ende dieses Schuljahres werden Sie staunen, wie gross Ihr Kind geworden ist. Halten Sie den Moment fest: Er vergeht viel zu schnell.
Zur Autorin:

Mehr zum Thema Kindergarten:
- Hilfe, mein Kindergartenkind will schon lesen und rechnenSollen Eltern das fördern? Und sind solche Kinder später die besseren Schüler?
- «Nicht hauen!» Selbstkontrolle bei Kindern Sich selbst zu bremsen und seine Emotionen nicht impulsiv auszudrücken: Das will gelernt sein…
- Spielen ohne Spielzeug – ein Kindergarten testet es Was passiert in einem Kindergarten, der drei Monaten auf Spielsachen verzichtet?