«Es geht um Auszeiten aus dem angespannten Alltag»
In armutsbetroffenen Familien fehlt Eltern oft die Kraft, ihre Kinder zu unterstützen oder mit ihnen etwas zu unternehmen. Das Projekt «mit mir» der Caritas Schweiz hilft diesen Mädchen und Jungen, eine Pause einzulegen von ihrem Alltag. Wie das Angebot funktioniert, erklärt Esther Hirzel, Leiterin der Patenschaften.
Frau Hirzel, im Projekt «mit mir» engagieren sich Freiwillige für benachteiligte Kinder. Was erwartet sie?
Sie werden Patin oder Pate eines Kindes aus einer armutsbetroffenen Familie und schenken ihm ein- bis zweimal im Monat ihre Zeit. Dabei geht es darum, dem Kind eine Auszeit aus seinem Alltag zu ermöglichen, der aufgrund vielfältiger Probleme oft sehr angespannt ist. Gemeinsam auf den Spielplatz gehen, einen Bach stauen, bräteln: Was für viele normale Kindheitserinnerungen sind, bleibt Mädchen und Buben aus armutsbetroffenen Familien oft verwehrt, weil es ihren Eltern an Zeit und Ressourcen für solche Aktivitäten mangelt. Momente, in denen sie die ungeteilte Aufmerksamkeit einer erwachsenen Bezugsperson haben, sind für sie sehr rar.
Was müssen Freiwillige mitbringen?
Infrage kommen Erwachsene ab 20 Jahren, die fest im Leben stehen, Kinder gerne haben und einem etwas von ihrer Zeit schenken wollen. Wir haben Studentinnen oder Studenten, die sich engagieren, Erwachsene mit oder ohne Familie, Seniorinnen und Senioren. Mit allen Interessierten führen wir zwei Gespräche, in denen wir etwas über die Person, ihre Motivation und ihren Alltag erfahren möchten. Aus Kindesschutzgründen prüfen wir auch den Strafregisterauszug. Dann schauen wir, zu welchem Kind die Person passen könnte. Sie sollte in der Nähe des Kindes wohnen, denn es soll ja ein regelmässiges Engagement möglich sein.
Wie zeitaufwendig ist eine Patenschaft?
Patinnen verpflichten sich, acht Stunden pro Monat mit dem Kind zu verbringen. Die Kinder sind drei bis zwölf Jahre alt, eine Patenschaft dauert drei Jahre. Schön ist, dass sieben von zehn beendeten Patenschaften auf informellem Weg weitergehen, also Kontakte ohne unsere Begleitung weiterhin stattfinden. In einer Umfrage, die wir mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften realisierten, befragten wir Patinnen und Paten, Eltern und die Kinder selbst zu ihrer Entwicklung seit Beginn der Patenschaft. Auffällig war, dass die Hälfte der Kinder berichtete, dass sie sich in der Schule nun viel mehr zutrauten, lieber hingingen als vorher: Wenn ein Kind etwas erlebt hat, hat es in der Schule auch etwas zu erzählen.
Caritas sucht laufend Patinnen und Paten für armutsbetroffene Kinder. Das Projekt «mit mir» gibt es in neun Kantonen der Deutschschweiz: www.mitmir.ch