Mindful Self-Compassion: 5 Übungen
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5 Übungen für einen achtsamen Umgang mit sich selbst

Lesedauer: 4 Minuten

Mindful Self-Compassion bezeichnet das Mitgefühl, das wir mit uns selbst haben. Wir zeigen Ihnen, wie Sie dieses im Alltag trainieren können.

Text: Julia Meyer-Hermann
Bild: Anne-Gabriel Jürgens / 13 Photo

Mindful Self-Compassion, auf Deutsch achtsames Selbstmitgefühl, ist ein Ansatz, bei dem man sich selbst mit Freundlichkeit und Mitgefühl behandelt, besonders in schwierigen Zeiten. Durch die Entwicklung von Selbstmitgefühl können Menschen mehr inneren Frieden, Resilienz und Wohlbefinden erfahren.

Das Konzept von Mindful Self-Compassion wurde von Kristin Neff, einer Psychologieprofessorin und Pionierin auf dem Gebiet der Selbstmitgefühlsforschung, und Christopher Germer, einem klinischen Psychologen und Experten für Achtsamkeit, entwickelt.

Das Mindful-Compassion-Programm

Wir zeigen Ihnen hier anhand fünf ausgewählter Übungen, wie Sie diese Selbstfürsorgehaltung in den Alltag integrieren können. Die Übungen stammen aus dem Mindful-Self-Compassion-Programm und wurden von Rita Girzone, Beraterin beim Elternnotruf in Zürich, adaptiert.

Infos und Links

1. Fusssohlen-Fokus

  • Diese Übung kann Ihnen dabei helfen, Ihre Aufmerksamkeit unmittelbar auf Körperempfindungen zu richten und sich zu erden. Dies ist besonders in Momenten emotionaler Belastung hilfreich.
  • Achten Sie im Sitzen, Stehen oder Gehen auf Ihre Fusssohlen und den Kontakt zwischen Ihren Fusssohlen und dem Boden. Nehmen Sie wahr, wie Sie vom Boden getragen werden.
  • Sie können sich dazu sanft nach vorne und hinten und von rechts nach links bewegen und dabei spüren, wie sich die Empfindungen in den Fusssohlen verändern.

Oft hilft der Fokus auf die Fusssohlen, sich zu beruhigen, um den aktuellen Herausforderungen gelassener begegnen zu können.

  • Wenn Ihre Gedanken abschweifen, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit einfach wieder auf die Fusssohlen.
  • Wenn Sie bereit sind, beginnen Sie langsam zu gehen. Registrieren Sie während des Gehens die sich verändernden Empfindungen an den Fusssohlen.
  • Nehmen Sie dabei wahr, wie Ihre Füsse Ihren Körper tragen und wie der Boden unter Ihren Füssen Ihnen Halt gibt. Vielleicht empfinden Sie Dankbarkeit für die Unterstützung, die sie Ihnen bieten.
  • Oft hilft der bewusste Fokus auf die Fusssohlen, sich zu beruhigen und präsenter zu werden, um anschliessend den aktuellen Herausforderungen gelassener begegnen zu können.

2. Selbstmitgefühlspause

  • Finden Sie in einer stressreichen Situation einen ruhigen Ort, an dem Sie für einen Moment innehalten können. Gegebenenfalls sind das nur ein paar Minuten.
  • Spüren Sie den Boden unter Ihren Füssen und deren Halt.
  • Schliessen Sie sanft Ihre Augen oder lassen Sie sie leicht geöffnet. Nehmen Sie ein paar tiefe Atemzüge, um sich zu zentrieren.
  • Konzentrieren Sie sich auf den natürlichen Rhythmus Ihres Atems und spüren Sie, wie er in Ihren Körper ein- und ausströmt.
  • Wenn Sie bereit sind, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das Gefühl des Stresses oder der Belastung in Ihrem Körper oder Geist.
  • Benennen Sie das, was Sie fühlen, zum Beispiel: «Das ist Stress» oder «Ich fühle mich überfordert».

Erlauben Sie sich, sich selbst Trost zu spenden.

  • Erkennen Sie, dass Sie damit nicht allein sind, sondern dass solche Empfindungen zum Menschsein gehören. Sie können sich selbst beispielsweise sagen: «Du bist nicht alleine. Andere Eltern erleben solche Momente auch.»
  • Legen Sie nun die Hand auf Ihr Herz, spüren Sie die Wärme und den sanften Druck der Hand. Oder wählen Sie eine andere Berührung, die für Sie stimmig ist und Sie beruhigt.
  • Schauen Sie, welche freundliche Botschaft Ihnen in diesem Moment guttut, und sagen Sie sich das innerlich, zum Beispiel: «Du schaffst es» oder «Du musst nicht perfekt sein» oder «Möge ich in diesem Moment freundlich zu mir selbst sein. Möge ich mir selbst Mitgefühl schenken und mich so akzeptieren, wie ich bin». Erlauben Sie sich, sich selbst Trost zu spenden, während Sie weiterhin ruhig und bewusst atmen.

3. Achtsamkeit im Alltag

  • Wir können jederzeit Achtsamkeit in unseren Alltag integrieren. Während wir unsere Zähne putzen, vom Parkplatz ins Büro oder in die Kita gehen, unser Frühstück essen oder wenn wir unser Kind beim Schlafen anschauen.
  • Wählen Sie eine dieser täglichen Aktivitäten aus. Vielleicht bevorzugen Sie eine Aktivität, die Sie immer am frühen Morgen ausführen, bevor Sie von den täglichen Aufgaben des Lebens beansprucht werden. Oder im Laufe des Tages, wenn Sie für kurze Momente alleine sind.
  • Konzentrieren Sie sich auf eine sensorische Wahrnehmung, zum Beispiel den Geschmack des Tees oder Kaffees oder die Empfindungen, wenn das Wasser beim Duschen Ihren Körper berührt. Oder den Anblick Ihres schlafenden Kindes.
  • Tauchen Sie vollständig in diese Erfahrung ein und geniessen Sie sie. Wenn Ihre Gedanken abschweifen, bringen Sie Ihre Aufmerksamkeit sanft wieder zu den Empfindungen zurück.
  • Bleiben Sie mit freundlicher und liebevoller Achtsamkeit bei der Aktivität, bis sie abgeschlossen ist.

4. Sinnesgenuss-Spaziergang

  • Diese Übung kann als separate Aktivität durchgeführt werden. Sie kann aber auch in den Weg zum Büro oder in einen Spaziergang mit den Kindern integriert werden.
  • Das Ziel ist, mehrere angenehme Dinge nacheinander und langsam wahrzunehmen. Setzen Sie so viele Sinne wie möglich ein: Sehen, Riechen, Hören, Fühlen, vielleicht sogar Schmecken.

Wenn Sie etwas Erfreuliches oder Angenehmes entdecken, lassen Sie sich darauf ein.

  • Wie viele glücklich machende, schöne oder inspirierende Dinge können Sie entdecken, während Sie spazieren gehen? Geniessen Sie die frische Luft, die wärmende Sonne, ein schönes Blatt, die Form eines Steines, ein lächelndes Gesicht, den Gesang eines Vogels, das Gefühl der Erde unter Ihren Füssen.
  • Wenn Sie etwas Erfreuliches oder Angenehmes entdecken, lassen Sie sich ganz darauf ein. Geniessen Sie es in vollen Zügen. Lauschen Sie dem Vogelgezwitscher, schauen Sie sich eine frische Blüte an, spüren Sie ein zartes Blatt oder die Beschaffenheit eines Zweiges, wenn Sie möchten.
  • Nehmen Sie sich Zeit und geniessen Sie es!

5. Selbstmitgefühlsjournal

  • Ein Selbstmitgefühlsjournal zu führen, kann Ihnen helfen, sich Zeit für Ihre Gedanken und Gefühle zu nehmen und diese aufzuschreiben.
  • Halten Sie regelmässig Ihre Gedanken und Gefühle in einem Tagebuch oder Journal fest.
  • Schreiben Sie auf, was Ihnen Stress bereitet oder belastet und wie sich das auf Ihren Körper und Geist auswirkt. Seien Sie ehrlich und offen gegenüber Ihren Emotionen.
  • Verwenden Sie das Journal, um sich selbst Mitgefühl und Unterstützung zu geben. Richten Sie freundliche und unterstützende Worte an sich selbst, so wie Sie es für einen Freund oder geliebten Menschen tun würden.
  • Betrachten Sie das Tagebuch als einen sicheren Raum, um Ihre Emotionen auszudrücken und sich selbst zu erlauben, authentisch zu sein. Erlauben Sie sich, ohne Urteil über Ihre Gefühle zu schreiben und erkunden Sie, was Ihnen in Ihrem Inneren begegnet.

Julia Meyer-Hermann
lebt mit ihrer Tochter und ihrem Sohn in Hannover. Ihre Schwerpunkte sind Wissenschafts- und Psychologiethemen.

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