«Wir entscheiden ganz bewusst, was wirklich wichtig ist»
Yvonne Wennerlid war immer sehr fit und vieles ging ihr leicht von der Hand. Bis einige Ereignisse in der Familie dafür sorgten, dass sie an ihre Grenzen stiess. Sie und ihr Mann erzählen, wie sie seither mehr auf sich selber achten.
Yvonne, 46, und Jim Wennerlid, 50, leben mit ihren Töchtern Elise, 16, und Nova, 14, in Thalwil ZH. Yvonne ist Bloggerin, Hausfrau und Studentin. Jim arbeitet als Controller und Vorstandsmitglied. Das Paar kommt ursprünglich aus Schweden. Wegen diverser Krankheiten und Unfälle in den letzten Jahren stiess die Mutter unvermittelt an ihre Grenzen.
Yvonne: «Ich war immer ein sehr aktiver Mensch und habe in diversen Ländern gelebt und gearbeitet. Daneben war ich sportlich engagiert: Ich war jahrelang Geräteturnerin, Coach und Kampfrichterin. Nachdem wir 2005 in die Schweiz gezogen sind, habe ich neben meiner Rolle als Mutter und Hausfrau und meiner Tätigkeit als Bloggerin noch diverse Ehrenämter ausgefüllt.
Auch mal Nein sagen
Das alles erschien mir vollkommen selbstverständlich, bis ein paar unvorhergesehene Dinge geschehen sind. Meine Eltern leben in Schweden und meine Mutter erkrankte schwer an Demenz. Ich habe versucht, meinen Eltern beizustehen, bin viel hin- und hergeflogen, telefonierte ständig mit ihnen. Meine jüngere Tochter hatte unter anderem einen schweren Unfall mit 24 Wespenstichen, wir hatten etliche Knochenbrüche in der Familie, Gehirnerschütterungen, ich musste am Fuss operiert werden.
Und plötzlich, ohne dass ich es kommen sah, war alles zu viel für mich. Erst dachte ich, ich hätte eine Magen-Darm-Grippe, aber tatsächlich reagierte mein Körper auf die Überforderung. Da wusste ich, dass ich jetzt mal Nein sagen musste.
Ich liebe es zu lachen. Das bringt eine Erleichterung ins Leben.
Yvonne Wennerlid
Zum Glück stehen wir uns in unserer Familie sehr nahe. Wir haben darüber geredet, wie es mir geht und was mir und uns als Familie guttun könnte. Im Kalender standen wochenlang keine Termine, wir brauchten einfach Ruhe. Meine Töchter haben unglaublich lieb und fürsorglich auf meinen Zustand reagiert. Sie haben mir die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie auch von mir bekommen. Diese Liebe hat mir viel Kraft gegeben.
Seitdem habe ich meine Haltung geändert. Ich achte besser auf meine Grenzen. Ich nehme nicht mehr jede Aufgabe und jedes Ehrenamt an. Ich etabliere Ruherituale. Ich gehe viel spazieren. Wenn mein Mann im Homeoffice ist, gehen wir morgens gemeinsam los, sobald die Kinder aus dem Haus sind. Dieses Gehen und Reden ist ein wunderbarer Start in den Tag.
Zeit für die Familie
Ich achte auch darauf, dass die Zeit für ein fröhliches Zusammensein mit der Familie und meinen Freundinnen nicht zu kurz kommt. Ich liebe es zu lachen. Das bringt so eine Erleichterung ins Leben. Aber der wichtigste Punkt ist wohl die Offenheit mir selbst gegenüber. Das ist mein Leben. Ich darf so sein, wie ich bin.»
Jim: «Es mag wie ein Klischee klingen, aber ich frage mich oft, was mir wirklich wichtig ist. Ich bin beruflich stark eingebunden, gleichzeitig möchte ich meiner Familie gerecht werden und Zeit für meine Frau haben. Ich weiss von mir, dass ich mich körperlich gut fühlen muss, damit ich mich auch geistig gut fühle.
Telefone oder Tablets sind beim Frühstück tabu.
Jim Wennerlid
Bewegung, Stretching, ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung gehören bei mir zur Selbstfürsorge dazu. Wenn die Kinder zu Hause sind und ich im Homeoffice, nehmen wir immer gemeinsam das Frühstück und Abendessen ein. Telefone oder Tablets sind dabei tabu. Meine Frau organisiert an den Wochenenden oft gemeinsame Unternehmungen, am liebsten im Freien.
Wie ich die Zeit für all das finde? Der schwierige Teil ist, all die kleinen Nebenbei-Handlungen wie das Scrollen durch Nachrichten oder das Lesen eines Artikels abzustellen. Ich kann meine wirklichen Bedürfnisse besser berücksichtigen, wenn ich mich immer wieder daran erinnere, was mir wichtig ist.»