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Wie Sie Kindern sinnvoll Grenzen setzen

Lesedauer: 10 Minuten

Wurden Kinder früher an die Gesellschaft angepasst, sollen sie heute selbstbestimmt aufwachsen. Auch in einer partnerschaftlichen Erziehung braucht es aber Regeln und Grenzen. Wir zeigen Ihnen, wie Eltern dieser Balanceakt gelingt.

Text: Birgit Weidt
Bilder: Vera Hartmann / 13 Photo

Die dritte Schüssel Glace, der vierte Beutel Brausepulver, eine weitere Stunde am Computer, und noch eine Freundin zum Geburtstag einladen, obwohl die Runde schon voll ist. «Kinder sind wie Flüssigkeiten, sie breiten sich aus, bis sie auf Widerstand treffen», stellte die ­Zürcher Autorin Andrea Fischer Schulthess einmal fest. Ja, Heranwachsende möchten ausprobieren, wie weit ihr Radius reicht.

Sie lernen dabei, was geht und was nicht. Das ist wichtig, um sich weiterzuentwickeln, eigenständig zu werden und sich Schritt für Schritt in unserer komplexen Welt zurechtzufinden. Die Aufgabe von Müttern und Vätern ist es, an der Seite ihrer Kinder Verantwortung zu übernehmen – was unter anderem bedeutet, Regeln aufzustellen und Grenzen zu ziehen.

Kinder wollen ausprobieren, wie weit ihr Radius reicht. Sie lernen dabei, was geht und was nicht.

Das sind keine neuen Erkenntnisse, dennoch hat sich diesbezüglich vieles verändert, haben sich «Stoppschilder» in den letzten Jahrzehnten verschoben: Die Weitergabe gesellschaftlicher Werte wie Gehorsam, Pflicht und Benehmen stehen nicht mehr im Mittelpunkt der Erziehung.

Sie waren die Eckpfeiler jener Pä­dagogik, die Grenzen setzen mit Einschränkung, elterlicher Macht, Kontrolle und Bestrafung gleichgesetzt hat.

Vor etwa 100 Jahren war dieser autoritäre Erziehungsstil verbreitet und die meisten Kinder wurden streng erzogen, ohne Mitspracherecht. Das hatte viele negative Auswirkungen auf die Heranwachsenden, denn durch die generalisierten, strikten Regeln und Vorgaben litten die Individualität und das Selbstwertgefühl der Kinder.

Als Gegenbewegung folgte Ende der 1960er-Jahre die antiautoritäre Erziehung, auch als Laisser-faire-Erziehung bezeichnet. Kinder sollten frei von starren Zwängen eigene Entscheidungen treffen und ihren Wünschen und Bedürfnissen nachgehen.

Der neunjährige Diago Aellig hat viele Freiheiten, aber auch feste Regeln im Alltag.

Eltern, die diesen Weg gingen, verzichteten weitestgehend auf Regeln und Grenzen, setzten stattdessen auf die Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit. «Doch wenn Heranwachsende zu früh zu viel entscheiden müssen, überfordert sie das.

Kinder haben es dann schwerer, sich in der Welt zurechtzufinden», gibt der Psychologe und Buchautor Eskil Burck zu bedenken. Wie setzten Eltern also sinnvoll Grenzen, ohne ihre Kinder in ihrer individuellen Entwicklung zu sehr einzuschränken?

Als guter Mittelweg jenseits der antiautoritären und autoritären Methoden hat sich der demokratische, autoritative Führungsstil herausgestellt, sind sich viele Experten heute einig. «Dieser kann eine Balance zwischen Freiräumen und Grenzen, zwischen Rechten und Verantwortlichkeiten schaffen.

Wir müssten Grenzen ­setzen, umbenennen in Freiraum schaffen.

Daniela Melone, Elternbildung Schweiz

Und das mit einem ausgewogenen Ansatz von Anleitung, Anerkennung und Anregung sowie Regeln, gepaart mit Fürsorge, Liebe, Wertschätzung und Unterstützung», so Burck.

Die Kinder würden in ihren Bedürfnissen und Gefühlen geachtet, lernten jedoch gleichzeitig klare Grenzen kennen. Statt einer strengen Erziehung gehe es um ein wohlwollendes Begleiten und Miteinander.

Führung übernehmen und zeigen, was im Leben wichtig ist

«Grenzen setzen schafft einen Rahmen, in dem sich das Kind ausprobieren und eigene Erfahrungen machen kann», sagt Daniela Me­lone, Geschäftsführerin von Elternbildung Schweiz. «Es ist eine Anleitung, die Orientierung bietet. Eigentlich müssten wir Grenzen setzen, umbenennen, in Freiraum schaffen.»

Eltern übernehmen dabei die Führung und zeigen, was im Leben, besonders im sozialen Miteinander, wichtig ist. Zum Beispiel: Wir lassen einander ausreden. Wir tun uns nicht weh. Wir lügen nicht und stehen für unsere Fehler ein. Jeder hat einen Aufgabenbereich, für den er die Verantwortung übernimmt. Und vieles mehr.

Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die nachweisen, dass ein demokratischer Erziehungsstil im Vergleich zum autoritären und anti­autoritären mit weniger Verhaltensproblemen, weniger psychischen Problemen und besseren Schulleistungen einhergeht.

Darauf, so Burck, wiesen beispielsweise die Ergebnisse einer 2018 publizierten Metaanalyse des Psychologen Martin Pinquart, Dekan an der Philipps-Universität Marburg, und ­seiner Kollegin Ru­bina Kauser, Psychologin, hin.

Die beiden Forschenden haben 428 Studien ausgewertet, an denen fast 350 000 Versuchspersonen teilgenommen hatten. Es ging darum, Erziehungsstile auf der ganzen Welt unter die Lupe zu nehmen.

Die Ergebnisse legten unter anderem dar, dass der Faktor Liebe für eine gute kindliche Entwicklung wichtiger ist als der Faktor Lenkung.

Das Fazit: Ein nachgiebiger Erziehungsstil, der gekennzeichnet ist durch wenig Lenkung, aber viel ­Liebe, ist weniger problematisch als ein autoritärer Erziehungsstil mit viel Lenkung und wenig Liebe.

Ein nachgiebiger Erziehungsstil, der gekennzeichnet ist durch Liebe, ist weniger problematisch als ein autoritärer Erziehungsstil.

Die mit Abstand grössten Probleme traten beim vernachlässigenden Erziehungsstil auf, der weder von Liebe noch von Lenkung geprägt ist, so die Ergebnisse der Wissenschaftler.

Doch was, wenn man selbst autoritär erzogen wurde, es bei seinen eigenen Kindern aber anders machen möchte? «Es hat sich gezeigt, dass Eltern gut umlernen können», erklärt Burck. «Es gibt erfolgreiche Trainings für Mütter und Väter, um einen demokratischen Erziehungsstil einzuüben.

Mit dem Ergebnis, dass Verhaltens- sowie psychische Probleme der Kinder zurückgingen. Somit wurde deutlich, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen Erziehungsmethoden und dem kindlichen Verhalten gibt.»

Demokratische Erziehung: Auf die innere Haltung kommt es an

Beim demokratischen Erziehungsstil werden Grenzen gesetzt, die der inneren Haltung folgen: Dafür müssen Mutter und Vater wissen, was für sie okay ist und was nicht, um Sicherheit auszustrahlen und souverän aufzutreten.

Das hört sich leichter an, als es im turbulenten Familienalltag oftmals ist. Doch es lohne sich beispielsweise, nicht auf jeden Wunsch oder jede Forderung des Nachwuchses sofort zu reagieren, weiss die pädagogische Psychologin und Jugendcoach Sarah Zanoni mit eigener Praxis in Aarau und Rheinfelden.

Erklären Sie Ihrem Kind, warum Sie an dieser Grenze festhalten. Und das ruhig, klar und bestimmt, ohne sich ständig zu wiederholen.

Sarah Zanoni

Oft lohne es sich, Bedenkzeit einzufordern, bis man weiss, wie man tatsächlich zu einem Thema steht. Nach dem Motto: Ich weiss noch nicht, ob du heute bei deiner Freundin übernachten darfst. Ich muss erst darüber nachdenken und sage dir später Bescheid.

Hinzu kommt, auf eine wertschätzende Kommunikation zu setzen, Ziele möglichst positiv zu formulieren und die eigene Haltung kurz zu erklären. Statt «Du sollst nicht am Kabel ziehen!» besser: «Lass bitte das Kabel los, ich will nicht, dass die Lampe kaputtgeht!» Auch durch Ich-Botschaften wird die innere Haltung deutlicher.

«Ich muss Grenzen setzen, obwohl ich freiheitsliebend bin», Sarah Farsatis.

Die Forschung zeigt: Lernpro­zesse bei Kindern gelingen zudem besser, wenn nur einige Ziele verfolgt werden. Klappt eine Sache gut, geht es zum nächsten Schritt.

«Ich rate Eltern bei diesem ­Thema immer: Erklären Sie Ihrem Kind, warum Sie an dieser Grenze festhalten. Und das ruhig, klar und bestimmt, ohne sich ständig zu wiederholen», so Sarah Zanoni. «Wer sich zu viel wiederholt, zu viel warnt, wird unglaubwürdig.»

Konsequenzen aufzeigen statt ­Drohungen aussprechen

Wenn Regeln aber nicht eingehalten, Grenzen nicht respektiert werden, sollten sich Eltern konsequent verhalten und den Kindern die Folgen glaubhaft aufzeigen. Wenn das Kind morgens herumtrödelt, ist die Drohung «Dann gehe ich gleich ohne dich los» sinnlos, da dies mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht passieren wird.

Wenn Kinder wissen, dass Eltern Grenzen aus Zuneigung setzen, fühlen sie sich gehalten.

Kinder sollten besser erfahren, dass es ihnen nützt, wenn sie mit Mutter und Vater kooperieren. Also: «Wenn du dir jetzt die Schuhe anziehst, können wir im Schaufenster noch der fahrenden Modelleisenbahn zusehen, dauert es aber noch lang, klappt das nicht.»

Und: Eltern sollten sich die Folgen eines bestimmten Verhaltens vorher überlegen, denn unter Stress rea­gieren viele so, dass sie es später bereuen.

Die Töchter der Familie Farsatis erhalten viel Raum zum Ausprobieren.

Damit elterliche Ansagen wirksam sein können, sollten sie möglichst unmittelbar im Anschluss und im Zusammenhang mit dem Verhalten des Kindes erfolgen. Dabei ist es wichtig, nicht die eigene Machtposition zu demonstrieren, sondern seine innere Haltung klarzumachen und daran festzuhalten.

«Konsequenz ist aus Sicht der Forschung einer der wichtigsten Grundpfeiler», sagt Burck. «Es ist dann nämlich klar und eindeutig, welches Verhalten erlaubt ist und welches nicht. Dadurch können viele nervenaufreibende Kämpfe verhindert werden.

Insofern wäre es ideal – selbst wenn man schon mit den Nerven am Ende ist –, trotzdem darauf zu pochen, dass grundlegende Verhaltensregeln eingehalten werden. Ansonsten hat man die gleichen Probleme morgen in doppelter und dreifacher Ausprägung. Nach dem Motto: Gestern hast du es aber doch auch erlaubt.»

Wenn Mutter oder Vater müde und gestresst ist, gelingt es ihr oder ihm nicht immer, Nein zu sagen beziehungsweise beim Nein zu bleiben. Wer sich schlapp fühlt, sollte es ansprechen. Wie: «Ich bin einfach viel zu kaputt, um das jetzt mit dir auszudiskutieren.

Ich hatte einen extrem anstrengenden Tag. Wir werden morgen darüber reden», rät Burck. Und das hat folgende Vor­teile: «Erstens, dass ein konsequentes Elternverhalten nicht aufgegeben, sondern nur aufgeschoben wurde.

Zweitens, die Eltern kommunizieren, dass sie dieses Verhalten nur deswegen tolerieren, weil es ihnen gerade nicht gut geht. Eine tatsächliche Verschiebung der Grenzen findet jedoch nicht statt. Drittens, in manchen Fällen, auch wenn es eher die Ausnahme ist, zeigt ein Kind durchaus Verständnis und lässt von seinem Verhalten ab».

Manchmal reicht die Kraft nicht, um konsequent zu sein

Für Zanoni ist es legitim, nicht jederzeit den Erziehungserwartungen zu entsprechen: «Eltern sind keine Erziehungsroboter und das Kind wird sich nicht schlechter oder besser entwickeln, wenn die Kraft zur Konsequenz mal nicht reicht. Wichtiger wäre dafür zu sorgen, dass man sich als Mutter oder Vater erholt.»

Regeln müssen altersgerecht gesetzt und immer wieder angepasst werden. «Grenzen werden stets neu gesetzt, weil Kinder sich entwickeln und neue Leitplanken brauchen, innerhalb derer sie sich bewegen», so Zanoni.

Eine gute Beziehung brauche Grenzen, findet Julia Aellig, 38, hier mit ihrer Tochter Anina, 14.

«Wenn Eltern aufmerksam sind, können sie beobachten, ob eine neu gesetzte Grenze passt oder ob sie ein Stück zu eng gesetzt oder sogar zu weit geöffnet ­wurde. Oder ob es zu viele Einengungen gibt, denn zu viele Grenzen behindern das Selbstvertrauen. Wenn alles geregelt ist und von aussen limitiert wird, entsteht ein Gefühl festgezurrter Abhängigkeit.

Heranwachsende müssen eigene, wenn auch zum Teil schmerzhafte Erfahrungen machen und daraus lernen. Wichtig ist, dass sie aufgefangen und liebevoll begleitet werden.» Wenn Kinder und Jugendliche wissen und spüren, dass Erwachsene Grenzen aus Zuneigung setzen und nicht aus Willkür, fühlen sich die Mädchen und Jungen gehalten.

­Diese Gewissheit hält auch dann an, wenn sie sich gegen die elterlichen Grenzen zur Wehr setzen. Trotz allem tut es ihnen gut zu spüren: Der Erwachsene hat gute Gründe für diese Entscheidung und er meint es gut mit mir, auch wenn die Entscheidung mir gerade nicht gefällt.

Mit Wut und Aggression umgehen lernen

Kinder werden, wenn sie nicht das dürfen und bekomen, was sie wollen, durchaus wütend und aggressiv. Da wird die Mama als blödeste Mutter der Welt beschimpft oder gar geboxt. «Gefühle wie Frust und Wut sind normal», so sieht es die Psychotherapeutin Annette Cina aus Freiburg. «Sie drücken aus: ‹Ich will aber nicht!› Das darf sein.

Auch wenn solche wütenden und aggressiven Reaktionen die Eltern schockieren, können sie grundsätzlich darauf vertrauen, dass sie für die Kinder wichtig sind. Die Aussage ‹Ich hasse dich!› ist ein Ausdruck des Frustes, nicht der Beziehung.»

Da solch ein Satz in einer angespannten, hochemotionalen Situation ausgerufen wird, sollte man möglichst nicht darauf eingehen. Anders sieht es aus mit Schlägen oder Tritten: «Hier sollten Mutter und Vater reagieren und das Verhalten stoppen.

Dabei ruhig und bestimmt anweisen, dass das Kind damit aufhören soll, allenfalls eine räumliche Distanz zwischen sich und dem Kind schaffen. Der Sinn einer räumlichen Distanz ist es, dem Mädchen oder dem Jungen die Möglichkeit zu geben, sich zu beruhigen.

Denn in Situationen, die von starken negativen Gefühlen geprägt sind, sind Heranwachsende nicht aufnahmefähig und ein Diskutieren und Schimpfen verlängert die angespannte Situation unnötig», sagt Cina.

«Die Basis für gelingendes Erziehungsverhalten», so Cina weiter, «ist ein starkes Urvertrauen. Es gehört zu den Grundpfeilern, die für eine gute Eltern-Kind-Beziehung relevant sind. Des Weiteren ist es wichtig, echtes Interesse für die Welt des Kindes zu zeigen, mit ihm in positiver Mimik und Gestik zu reden sowie Körperkontakt anzubieten.

Ausserdem sollten sich Eltern Zeit nehmen, wenn das Kind es braucht, und präsent sein. Das signalisiert: Ich bin da für dich!»

Regeln schaffen Klarheit und Erleichterung und entlasten Kinder wie auch Eltern mehr.

Kompliziert wird es mitunter dann, wenn verschiedene pädagogische Ansätze aufeinandertreffen. Das ist häufig in Patchworkfamilien der Fall: «Gerade diese komplexen Familien benötigen besonders geschickte und klare Spielregeln», so der Psychologe und Buchautor Peter Angst.

«Es sind zwei Systeme, die einerseits das Mitgebrachte berücksichtigen müssen und andererseits dem Neuen individuelle Regeln geben sollten.

Das müssen sich Patchworkfamilien bewusst machen. Leider wird anfänglich gern gemogelt. Aus lauter Liebe werden Unterschiede missachtet und den Kindern zu schnell neue Papis und Mamis übergestülpt, was unweigerlich Widerstand hervorruft.»

Besondere Herausforderung für Alleinerziehende

Auch Alleinerziehende sind sehr herausgefordert, da sie als Solo-Eltern im Alltag oft kräftemässig überlastet sind, schliesslich lastet die Verantwortung zumeist allein auf ihren Schultern.

Auch wenn es schwerfällt bei all den zu meisternden Aufgaben, ist es gerade wichtig, Grenzen zu setzen und einzuhalten, um sich nicht noch mehr auszupowern.

Der siebenjährige Ian Farsatis darf allein auf den Spielplatz, seine kleine Schwester noch nicht.

Manchen Müttern und Vätern wird schon mal Folgendes passiert sein: Im Hausflur oder auf der ­Stras­se sind die Tochter oder der Sohn gerade dabei, sich nicht an eine Abmachung zu halten, und plötzlich gibt jemand ungefragt einen Kommentar ab: «Also, wenn das mein Kind wäre!» Manchmal mischen sich Erwachsene mit Kommentaren oder Ratschlägen in Familienangelegenheiten ein, was absolut ärgerlich ist.

«Aussenstehende sollten sich da raushalten», sagt Cina, «denn sie sehen einen Konflikt in der aktuellen Situation, können nicht einschätzen, wie oft dieses Verhalten gezeigt wird und ob es eine Gewohnheit ist. Ausserdem bringen unerwünschte Ratschläge nichts, sie vermitteln dem Beratenen lediglich, dass er es anders machen sollte – und da er das nicht tut, eigentlich unfähig ist.»

Es ist notwendig, sich selbst gegen solche Übergriffe zu schützen, indem man bei dem bleibt, was es gerade durchzusetzen gilt. Also die eigene Einstellung bewahren, egal, was andere sagen oder darüber denken. «Denn die Erziehungshaltung ist eine bewusste Entscheidung», so Cina, «basierend auf dem jeweiligen Ziel, was das Kind im Moment lernen muss.»

Auch innerhalb der eigenen Familie kann es reichlich Zündstoff geben, wenn Grosseltern, der geschiedene Partner oder andere enge Bezugspersonen nicht nur glauben, alles besser zu wissen, sondern genau das erlauben, was man selbst verbietet.

Zunächst ist es einen Versuch wert, das Gespräch zu suchen und zu erläutern, was einem Sorgen bereitet. «Wenn das nicht gelingt, und dies ist oftmals der Fall, da unterschiedliche Erziehungsziele verfolgt werden», so Annette Cina, «sollte der betroffene Elternteil loslassen.

Derjenige, der mit den Kindern zusammen ist, trägt die Verantwortung. Und da gelten dann die entsprechenden, zumeist anderen Regeln. Zu Hause bleibt es bei den festgelegten Verhaltensweisen, und Kinder können gut unterscheiden, wer was erlaubt und wie sie sich dementsprechend verhalten sollen.»

Wer also Grenzen setzt, hat ein Ziel vor Augen und macht sich auf den Weg. Die Schritte sind durchdacht und geplant, es kann Umwege, Abzweigungen und Sackgassen geben. Letztendlich schaffen Regeln Klarheit und Erleichterung und entlasten Kinder wie auch Eltern mehr, als sie belasten.

Noch etwas: Die Heranwachsenden lernen von Mutter und Vater auch, wie sie selbst mit zunehmendem Alter anderen gegenüber Grenzen setzen und Stopp sagen können und auch sollten. Daran zu denken, mag mancher Mutter, manchem Vater vielleicht ein bisschen helfen, wenn es wieder mal hart auf hart kommen sollte.

Birgit Weidt
Birgit Weidt ist Journalistin und Buchautorin und lebt in Berlin. Sie ist Mutter einer erwachsenen Tochter sowie Grossmutter.

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