Der Shitstorm ums Fasnachtskostüm
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Der Shitstorm ums Fasnachtskostüm

Lesedauer: 2 Minuten

Als Indianer verkleidete Kinder führen in den sozialen Medien zu erbitterten Diskussionen. Wie sollen Eltern in einem solchen Fall reagieren?

Text: Michael In Albon
Bild: Adobe Stock

In Zusammenarbeit mit Swisscom

An der Fasnacht dürfen Kinder andere Rollen ausprobieren: Endlich mal eine Superheldin sein, ein Feuerwehrmann oder ein Indianer. Spätestens bei Letzterem geraten Eltern aber schnell auf gesellschaftliches Glatteis. Umso mehr, wenn man Bilder des verkleideten Kindes auf den sozialen Medien postet. Plötzlich geht es los mit Vorwürfen: «Wie kannst du dein Kind als Indianer verkleiden!?» Die Gegenseite wird sofort in die Diskussion eingreifen und die «Wokeness» der Welt beklagen.

Vielleicht hilft es, mit etwas Abstand erst mal den Begriff «woke» zu definieren: Er stammt aus den 30er-Jahren und wurde in den USA gebräuchlich für das erwachte Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus (so definiert es Wikipedia). Im Grunde also eine Position, die wir als Gesellschaft als richtig empfinden und eigentlich auch die Basis ist für unser politisches System und unseren Umgang miteinander.

In der jüngsten Geschichte wird «woke» zum inflationären Schlachtruf und in vielen Fällen auch unbedacht oder bei unwichtigen Situationen herangezogen. Wie bei vielem im Leben gilt: tief durchatmen. Es hilft, wenn Eltern herausfinden, was dem Kind am Kostüm wirklich wichtig ist.

Will es ein «Indianer» sein, weil es wie die nordamerikanischen Ureinwohner aussehen möchte? Oder liegen dem Kind vor allem die Federn und die Lederfransen am Herzen? Meistens sind es die Federn – ein fantasievolles Kostüm mit dem gewünschten Schmuck lässt sich schnell basteln, ohne die Kultur einer Ethnie zu karikieren. Dieses Argument kann man einem Kind übrigens durchaus zumuten, mögen sie es doch selbst meistens gar nicht, wenn man sich über sie lustig macht.

Etwas komplizierter wird es, wenn die Diskussionen auf Facebook oder Instagram losgehen. Was als lustiges Bild von der Fasnacht gedacht war, ist plötzlich Auslöser einer erbitterten und oft gehässig geführten Auseinandersetzung. Ich würde als Elternteil nicht das Kostüm verteidigen, sondern versuchen, die Diskussion abzukühlen. Man darf sich für den Hinweis bedanken, dass sich amerikanische Ureinwohner unwohl fühlen, wenn ihre Kultur an der Fasnacht als Schablone für Vorurteile hinhalten muss.

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Man kann aber auch darauf hinweisen, dass man nicht gleich mit dem argumentativen Zweihänder dreinschlagen muss, wenn einem etwas nicht passt. Im Interesse des Kindes sollten Eltern den Fehdehandschuh nicht aufnehmen, sondern gelassen bleiben.

Letztlich ist es immer möglich – und vermutlich sogar empfehlenswert –, einen Post wieder zu löschen, wenn man dessen Empörungspotenzial unterschätzt hat. Und sich wieder mal die Regel zu Herzen zu nehmen, dass Bilder von Kindern in den sozialen Medien nicht nur an der Fasnacht eine heikle Sache.

Michael In Albon
ist Beauftragter Jugendmedienschutz und Experte Medienkompetenz von Swisscom.

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