Papa, ich hab Angst! Kampfzone Familienbett - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Papa, ich hab Angst! Kampfzone Familienbett

Lesedauer: 4 Minuten

Schlaf ist in fast allen Familien von Zeit zu Zeit ein Thema. Wie kommen Eltern zu genug davon? Und wie sollen sie damit umgehen, wenn die fünfjährige Tochter noch immer nicht durchschläft – oder der achtjährige Sohn Nacht für Nacht ins grosse Bett krabbelt?

Text: Fabian Grolimund
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren

Dieser Artikel wurde am 20. September 2022 aktualisiert.

Mit drei Jahren ­hatte meine Tochter ihre Monster-im-Zimmer-Phase. «Papa! Bisschen Angst. Zu dir kommen!» Irgendwann zwischen 1 und 3 Uhr morgens wachte sie auf und wollte zu mir ins Bett. Diese Situation ist wahrscheinlich den meisten Eltern vertraut. Doch wie soll man damit umgehen, wenn Kinder nicht im eigenen Bett schlafen möchten? Die Antwort darauf muss sehr persönlich ausfallen, weil sie den Bedürfnissen der gesamten Familie so weit wie möglich Rechnung tragen sollte.

Nähe, Geborgenheit und Sicherheit

Die Vorstellung, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer haben und dort in seinem eigenen Bett schlafen sollte, ist relativ neu. Unsere Vorfahren hätten ihre Kleinen wohl kaum in einer separaten Höhle oder dem eigenen Zelt untergebracht.

Und bis vor wenigen Jahrzehnten waren die Häuser so klein und die Kinder so zahlreich, dass meist mehrere Familienmitglieder in einem Bett oder in einem Zimmer schliefen. Für viele Kinder ist das Elternbett nachts ein Zufluchtsort. Die Eltern bieten Schutz, Geborgenheit und Nähe.

Das ist gerade in der Nacht, in der sich in der Fantasie der Kinder draussen Wölfe, Räuber, Gespenster und Monster herumtreiben, für viele besonders wichtig. Dass dieser Schutz heute von abschliessbaren Türen, Fenstern mit Doppelverglasung und eventuell sogar einer Alarmanlage übernommen wird, ist für Kinder ein schwacher Trost.

Die Vorstellung, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer haben und dort in seinem Bett schlafen sollte, ist relativ neu.

Auch bei den älteren Kindern ist die Nacht die Zeit der Sorgen. Der Streit mit der Freundin, die Angst vor der anstehenden Prüfung: Alles drängt sich auf, sobald es dunkel wird und man mit seinen Gedanken alleine ist.

Manchmal sind es besondere Ereignisse, Phasen oder Gedanken, die Kinder, die schon lange alleine schlafen, plötzlich wieder ins Elternbett kommen lassen: «Gell Mami, du stirbst aber noch lange nicht?» Sogar viele Erwachsene sagen von sich, wenn der Partner oder die Partnerin ein paar Tage weg sei, hätten sie Mühe, einzuschlafen.

Was ist normal?

Wenn es um Themen wie den Schlaf geht, stellen Eltern oft die Frage, was normal sei. In welchem Alter sollten Kinder durchschlafen? Wie lange muss ein Kind in welchem Alter schlafen? Bis zu welchem Alter darf ein Kind noch ins Elternbett kommen?

Konkrete Antworten darauf gibt es nicht – auch wenn von Fachleuten immer wieder Normen propagiert werden. Kinder sind unterschiedlich. Manche schlafen mit zwei Monaten durch, andere wachen auch noch mit fünf Jahren fünfmal pro Nacht auf. Mit der Frage, wie das eigene Kind sein sollte, kommt man meist nicht weit.

Man gerät höchstens unter Druck, wenn andere Eltern erzählen, wie reibungslos bei ihnen alles klappt oder der Kinderarzt findet: «Ein Kind ist mit sechs Monaten in der Lage, durchzuschlafen.» Je mehr wir das Gefühl haben, einer Norm entsprechen zu müssen, desto gestresster werden wir und desto schwieriger wird es mit dem Schlaf.

Was tut uns als Familie gut?

Wichtiger ist die Frage, wie das ­eigene Kind ist, welche Bedürfnisse man als Eltern hat und was es braucht, damit es allen in der Familie gut geht. Beim Schlaf geraten die Bedürfnisse der Eltern oft mit denjenigen der Kinder in Konflikt. Die Eltern wissen: Wenn ich nicht gut schlafe, bin ich morgen müde und gereizt.

Noch schlimmer wird es, wenn sich das Paar nicht einig ist. Wenn der eine Konsequenz fordert und das Kind schreien lassen will und der andere am liebsten das Familienbett einführen möchte. Nicht selten überlassen die Männer die Verantwortung der Frau. In der Folge schlafen sie so tief, dass sie das Kind gar nicht hören.

Oder sie verabschieden sich mit einem trotzigen Kommentar auf die Couch, wenn sich nächtlicher Besuch im Elternbett ankündigt. Vielleicht hilft es, wenn man sich als Paar mit den folgenden Fragen beschäftigt:

  • Wer übernimmt wann die Verantwortung? Und wie teilen wir uns auf?
  • Wer braucht wie viel Schlaf?
  • Wann wird es mir zu viel? Was ärgert mich?
  • Wie können wir für bessere Schlafbedingungen sorgen?
  • Was können und wollen wir unseren Kindern zumuten?
  • Was müssen wir momentan einfach akzeptieren?

Meine Frau und ich haben beispielsweise bemerkt, dass wir sehr unterschiedlich auf nächtliches Gewecktwerden reagieren. Ich kann sofort wieder einschlafen, sie ist danach wach und es fällt ihr schwer, wieder in den Schlaf zu finden.

Ihr drückt die Müdigkeit auf die Stimmung, ich bin lediglich müde. Sie kann früh einschlafen, ich mag dafür das Ausschlafen. Uns geht es beiden mit der folgenden Aufteilung gut: Ich bin für die Nacht verantwortlich, meine Frau steht dafür auf, sobald die Kinder morgens wach werden, und lässt mich noch etwas schlafen.

Natürlich passt diese Aufteilung den Kindern nicht immer. Wenn meine Frau die Kinder ins Bett gebracht hat, ruft die Kleine in der Nacht nach ihr. ­Komme ich dann ins Zimmer, wird sie ziemlich wütend: «Nicht du! Mama! Weg du!» Das sind halt die kleinen Frustmomente, durch die wir beide durchmüssen: «Die Mama schläft. Ich bin da.»

Je mehr wir das Gefühl haben, einer Norm entsprechen zu müssen, desto gestresster werden wir und desto schwieriger wird es mit dem Schlaf.

Optimal ist unser Arrangement nicht: Ich bin tagsüber oft müde und häufiger erkältet als früher. Auf der anderen Seite kann ich meiner Nachtwache viel Schönes abgewinnen. Ich geniesse es, wenn sich eines der Kinder nachts nochmals an mich kuschelt und zufrieden wieder einschläft.

Ich glaube, das sind genau die Momente, an die ich später wehmütig zurückdenken und von denen ich das Gefühl haben werde, dass sie «viel zu schnell» verflogen sind. Zu guter Letzt dürfen natürlich ­einige Empfehlungen nicht fehlen, die Kindern das Schlafen erleichtern.

Dem Bedürfnis nach Schutz kann etwa durch eine Nachtlampe und offene Türen Rechnung getragen werden. Gegen Einbrecher können Pläne ausgeheckt werden: Mein Sohn findet es beispielsweise sehr beruhigend, dass wir gegenüber vom Gefängnis wohnen.

Er würde gleich das Holzschwert neben dem Bett packen und mich rufen. Nachdem wir die Halunken gemeinsam überwältigt haben, rufen wir die Polizisten von drüben und übergeben sie in Gewahrsam.

Mittlerweile gibt es auch viele schöne Schlafbücher und beruhigende Geschichten, die man als Eltern den Kindern vorlesen kann. Für jüngere eignen sich Bilderbücher, für ältere die «Kapitän-Nemo»-Geschichten der Psychologin Ulrike Petermann.

Fabian Grolimund
ist Psychologe und Buchautor. Gemeinsam mit ­Stefanie Rietzler leitet er die Akademie für Lerncoaching in Zürich. Er ist verheiratet, Vater eines Sohnes und einer Tochter und lebt mit seiner Familie in Fribourg.

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