10 Schlafmythen im Check
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10 Schlafmythen im Check

Lesedauer: 3 Minuten

Sollen wir immer zur selben Zeit ins Bett? Hilft ein Glas Milch vor dem ­Einschlafen? Und wie ist das noch mal mit dem Vollmond? Wir haben zehn gängige Schlafmythen bei ­Schlafexpertinnen und -experten hinterfragt.

Text: Anja Lang
Bild: Stephan Rappo / 13 Photo

1. Im Winter brauchen wir mehr Schlaf als im Sommer

Im Sommer bleibt es länger hell, deswegen sind wir gefühlt länger wach und aktiv. Der Schlafbedarf verändert sich aber tatsächlich nicht und bleibt im Sommer wie im Winter etwa gleich.

Leila Tarokh, Neurowissenschaftlerin an der Universität Bern

2. Die Zeitumstellung wirkt wie eine Art Jetlag

Das stimmt. Wenn die äussere Uhr um eine Stunde verändert wird, muss sich die innere Uhr entsprechend anpassen. Dies kann zu einem leichten Jetlag führen – also einer Störung des biologischen Tag-Nacht-Rhythmus. Man sagt, dass es pro Stunde Zeitumstellung etwa eine Woche dauert, bis sich der Organismus an die neue Zeit gewöhnt hat. Am einfachsten überwinden Kinder diese Phase, wenn die neue Zeit konsequent übernommen wird. Sie sind dann zwar vorübergehend etwas müder, nach einer Woche hat sich der Körper aber in der Regel an die neue Zeit gewöhnt.

Bigna Bölsterli, Neurologin und ­Leiterin der pädiatrischen ­Schlafmedizin am Ostschweizer ­Kinderspital St. Gallen

Menschen mit einem ­unregelmässigen Schlafrhythmus haben öfter Schlafprobleme.

Albrecht Vorster, Neurowissenschaftler

3. Ein regelmässiger Schlafrhyth­mus bedeutet, immer zur selben Zeit schlafen zu gehen und aufzustehen

Ja, genau so ist das, plus/minus 30 Minuten. Der Schlafrhythmus ist einer der zentralsten Aspekte in der Schlafsprechstunde, weil Menschen mit Schlafproblemen zu 90 Prozent einen unregelmässigen Schlafrhythmus haben. Das ist ein ganz wesentlicher Risikofaktor, um Schlafstörungen zu bekommen.

Albrecht Vorster, Neurowissenschaftler, Buchautor und Leiter des Swiss Sleep House am Inselspital in Bern

4. Wer mit geöffnetem Fenster schläft, schläft besser

Ja, kühle und frische Luft ist für einen gesunden Schlaf gut und förderlich. Solange es draussen ruhig ist, macht es also durchaus Sinn, das Fenster über Nacht offen zu lassen. Wenn es draussen lärmig ist, sollte das Fenster dagegen geschlossen bleiben, weil laute Geräusche den Schlaf stark stören.

Rabia Liamlahi, Fachärztin für ­Kinder- und Jugendmedizin und Oberärztin der Entwicklungspädiatrie am Universitäts-Kinderspital Zürich

5. Mit dem Mittagsschlaf lässt sich Schlafmangel kompensieren

Ja, das ist auf jeden Fall so. Wenn Schulkinder allerdings regelmässig einen Mittagsschlaf brauchen, ist das höchstwahrscheinlich auch ein Hinweis darauf, dass sie insgesamt zu wenig Nachtschlaf bekommen.

Albrecht Vorster

6. Düfte wie Lavendel oder Schlafsprays helfen beim Einschlafen

Lavendel wird eine beruhigende Wirkung nachgesagt und im Rahmen von Einschlafritualen kann das eine gute Idee sein, jedoch sollte das Kind den Duft mögen. Wahrscheinlich wirkt vor allem das Gefühl der Ruhe, das Kinder mit diesem Duft verbinden. Von daher kann ich mir vorstellen, dass auch andere für das Kind angenehme Düfte eine beruhigende Wirkung haben können.

Bigna Bölsterli

7. Deftiges Essen am Abend stört den Schlaf – ein Glas Milch hilft bei Einschlafproblemen

Richtig, zu üppiges, fettes Essen ist sicher hinderlich, aber eher ein Problem bei Erwachsenen. Normales Abendessen ist dagegen kein Problem. Ein Glas Milch kann ein Ritual zum Einschlafen sein, genauso wie ein Gute-Nacht-Tee. Beide wirken vor allem psychologisch. Zwar gibt es die Annahme, dass das in der Milch enthaltene Tryptophan – das ist eine Vorstufe des Dunkelhormons Melatonin – schlaffördernd wirken könnte. In einem Glas Milch ist davon allerdings so wenig enthalten, dass das kaum eine Wirkung zeigen dürfte. Schaden kann es allerdings auch nicht.»

Albrecht Vorster

8. Schlaf kann man «vorholen»

Also bis zu einem gewissen Grad, ja. Wenn man weiss, dass man in der nächsten Woche sehr wenig Schlaf bekommen wird, kann man versuchen, vorher besonders viel zu schlafen, und damit eine Art Schutzfaktor gegen das drohende Schlafdefizit aufbauen. Schlaf nachholen ist in begrenztem Masse ebenfalls möglich. So kann man versuchen, nach einer langen Nacht entsprechend später aufzustehen. Allerdings macht uns da in der Regel die eigene innere Uhr einen Strich durch die Rechnung, weil sie uns – trotz massivem Schlafdefizit –fast immer zur üblichen Zeit aufweckt.

Leila Tarokh

9. Bei Vollmond schlafen wir schlechter

Nein, das stimmt nicht. Das hat eine gross angelegte Studie des Münchner Max-Planck-Instituts aus dem Jahr 2014 wissenschaftlich belegt. Demnach konnte bei den insgesamt 1265 Testschläfern keinerlei Mondeffekt auf den Schlaf festgestellt werden. Zwar ist es bei Vollmond draussen zugegebenermassen etwas heller, dagegen kann man sich aber mit einem Vorhang oder Rollladen gut schützen. Ein Effekt des Mondes auf den Schlaf darüber hinaus kann zumindest wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.

Albrecht Vorster

10. Kinder holen sich den Schlaf, den sie brauchen

Das stimmt tatsächlich in der Regel für kleine Kinder, wenn man sie so schlafen lässt, wie sie schlafen wollen. Wenn die Kinder aber in die Schule müssen, ist das nicht mehr unbedingt der Fall, weil der Schulalltag da die Zeiten vorgibt. Im Schulalter gibt es also durchaus Kinder, die während der Schulzeit zu wenig Schaf bekommen.

Bigna Bölsterli

Anja Lang
Anja Lang ist langjährige Medizinjournalistin. Sie ist Mutter von drei Kindern und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von München.

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