Was tun, wenn das Kind nicht gut schlafen kann?

Schlafstörungen sind bei Kindern und Jugendlichen häufig. Was Eltern tun können, um den gesunden Schlaf ihres Kindes nachhaltig zu fördern.
Wer nur einmal eine Nacht wenig geschlafen oder gar durchgemacht hat, weiss genau, was am nächsten Tag fehlt: Konzentration, Energie, Spontanität und gute Laune. Ausserdem sind die Aufnahme- und die Reaktionsfähigkeit im Keller. Dafür steigt der Appetit auf süsse und ungesunde Speisen und der Körper giert danach, endlich das zu bekommen, was ihm vorenthalten wurde – Schlaf.
«Schlaf ist für Mensch und Tier überlebenswichtig – noch wichtiger als Nahrung», sagt Albrecht Vorster, Neurowissenschaftler, Buchautor und Leiter des Swiss Sleep House am Inselspital in Bern. «Wenn wir drei Wochen nicht schlafen, dann sterben wir – ohne Essen können wir tatsächlich länger aushalten.»
Während des Schlafs wird im Gehirn Platz gemacht, um Neues aufzunehmen und einzuordnen.
Albrecht Vorster, Neurowissenschaftler
Der Grund dafür, dass ausreichend Schlaf so wichtig für uns ist, liege darin, dass wir ein Nervensystem besitzen, so der Neurowissenschaftler. Nervensysteme sind darauf ausgelegt, sich ständig an die Umwelt anzupassen, indem sie neue Nervenverbindungen aufbauen, also lernen.
Der Raum im Kopf ist aber durch den knöchernen Schädel begrenzt. Um trotz der stetigen Aufbauprozesse von Nervenbahnen weiterhin einwandfrei funktionieren zu können, müssen an anderer Stelle im Gehirn deshalb entsprechende Abbau-, Umbau- und Integrationsprozesse erfolgen. Und das passiert vor allem im Schlaf.
«Während des Schlafs werden liegen gebliebene Proteinreste aus den Zellzwischenräumen gespült und das Gehirn so quasi gereinigt», sagt Albrecht Vorster. «Ausserdem werden Nervenverbindungen, also Synapsen, die nicht genutzt werden, ‹zurückgeschnitten›, damit neues Lernen überhaupt erst wieder möglich wird.» Darüber hinaus wird das Gelernte in den bestehenden Wissenskontext eingeordnet.
Ausreichend Schlaf ist wichtig
Ein komplexer Prozess, der erklärt, warum ausreichend Schlaf gerade in der Kindheit und Jugend, also in der Zeit, in der sich das Gehirn noch stark entwickelt, so wichtig ist. «Tatsächlich ist die Gehirnentwicklung erst mit dem 25. Lebensjahr komplett abgeschlossen», so Vorster. «Schlafen Kinder und Jugendliche in dieser sensiblen Phase dauerhaft schlecht oder zu wenig, wirkt sich das nachweislich negativ auf die Lern- und Gedächtnisleistung aus.»
Denn im Schlaf, insbesondere in den Tiefschlafphasen, werden Erlebnisse und neue Informationen vom Kurzzeitspeicher in den Langzeitspeicher des Gehirns übertragen, mit bestehendem Wissen abgeglichen und anschliessend gefestigt. So können sie länger behalten und später auch besser abgerufen werden. Ist der Schlaf zu kurz oder wird gestört – etwa durch regelmässiges Schnarchen –, wirkt sich das negativ auf die kognitiven Fähigkeiten aus.

Kein Wunder also, dass Schlaf im Familienalltag ein grosses Thema ist – zumal Schlafprobleme häufig vorkommen. Laut dem deutschen Statistischen Bundesamt schlafen rund 30 Prozent der deutschen Elfjährigen mindestens einmal pro Woche schlecht, bei den Fünfzehnjährigen sind es sogar 39 Prozent.
Für die Schweiz schätzen Fachleute die Zahlen ähnlich ein. Können Kinder über einen längeren Zeitraum nicht gut schlafen, machen sich Eltern Sorgen um die Konzentrationsfähigkeit, die Schulleistungen und die physische wie psychische Gesundheit ihres Nachwuchses. Doch wie entstehen Schlafprobleme in der Kindheit und Jugend und wie können Eltern einen gesunden Schlaf fördern? Diesen und anderen Fragen möchte dieses Dossier auf den Grund gehen.
Von Lerchen und Eulen
Zunächst einmal ist Schlaf für unsere mentale und körperliche Gesundheit enorm wichtig. Aber warum ist es dann manchmal so schwer, in den Schlaf zu finden? «Guter Schlaf braucht vor allem drei Zutaten, die alle drei zusammenspielen müssen – es reichen dafür nicht nur ein oder zwei. Das ist oft das Problem», sagt Albrecht Vorster.
So müsse erstens ausreichend Schlafdruck vorhanden sein. Schlafdruck baut sich über die Länge der Wachzeit auf. Das heisst, je länger man wach ist, desto höher wird die Schläfrigkeit. Wird jedoch im Laufe des Tages geschlafen, beispielsweise ein Mittagsschlaf gemacht, baut sich das Schlafbedürfnis entsprechend der Länge des Nickerchens wieder ab – und fehlt dann unter Umständen am Abend.
Guter Schlaf braucht drei Dinge: genug Schlafdruck, den richtigen Zeitpunkt und Entspannung.
Albrecht Vorster, Neurowissenschaftler
Die zweite Zutat, die eine grosse Rolle spielt, lässt sich mit dem richtigen Zeitpunkt umschreiben. «Wir Menschen sind von Natur aus Nachtschläfer und verfügen über eine innere Uhr, die bei jedem genetisch ein wenig anders programmiert ist, ähnlich wie die Haarfarbe oder auch Körpergrösse», erklärt Schlafexperte Vorster.
«Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom sogenannten Chronotyp, der grob nach Früh- und Spättyp, auch Lerche und Eule genannt, unterschieden wird.» Während Frühtypen morgens von Natur aus munter sind und abends entsprechend bald müde werden, ist das bei Spättypen genau andersrum. Sie werden abends aktiv, kommen dafür frühmorgens schwer aus dem Bett. «Ähnliches gilt für die Länge des Schlafes. So gibt es Lang- und Kurzschläfer, die entsprechend mehr oder weniger Schlaf benötigen, um sich anschliessend ausgeruht zu fühlen», ergänzt der Neurowissenschaftler. «Beides ist normal.»
Zwei grosse Schlaf-Bremser
Die dritte Zutat für den Schlaf lässt sich unter dem Stichwort Entspannung zusammenfassen. Oder anders formuliert: Stress und Sorgen sind Gift für den Schlaf. Denn Stress aktiviert das sympathische Nervensystem und damit die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin.
Das erhöht den Blutdruck, die Herzfrequenz wie auch die Muskelspannung. Ausserdem wird die Produktion des Dunkelhormons Melatonin, umgangssprachlich auch Schlafhormon genannt, behindert und damit auch der Schlafrhythmus verändert. Sorgen und Grübeln steigern ausserdem die Gehirnaktivität, was ein Abschalten und das für den Schlaf nötige Loslassen und Zur-Ruhe-Kommen erschwert.
Von einem Einschlafproblem spricht man erst, wenn das Einschlafen deutlich länger als 15 bis 30 Minuten dauert.
Rabia Liamlahi, Kinderärztin
Natürlich spielen noch weitere Faktoren eine Rolle wie Licht und Dunkelheit, eine regelmässige Schlafroutine mit verlässlichen Schlafritualen, die immer nach demselben Muster ablaufen. Das signalisiere dem Körper besonders wirkungsvoll, dass jetzt Zeit zum Schlafen sei, so Schlafwissenschaftler Albrecht Vorster.
Meist macht das Einschlafen Mühe
Das bestätigt auch Rabia Liamlahi, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Oberärztin der Entwicklungspädiatrie. Sie berät an der Schlafsprechstunde des Universitäts-Kinderspitals Zürich Eltern schlafgeplagter Kinder vom Baby- bis ins Teenageralter. «Meistens ist es das Einschlafen, das Kindern in der Primarschulzeit Probleme bereitet», weiss Rabia Liamlahi.
Von einem Einschlafproblem spreche man allerdings erst, wenn das Einschlafen deutlich länger als 15 bis 30 Minuten dauert. So lange brauche der Körper, um herunterfahren zu können, so die Medizinerin. Die Nutzung von elektronischen Medien wie Handy, Spielkonsole und PC, akute Sorgen, Konflikte in der Familie, Ängste vor einem bevorstehenden Test, aber auch freudige Aufregung, zum Beispiel wegen des bevorstehenden Geburtstags, können Kinder übermässig lange wach halten.

«Wenn das nur ab und zu passiert, ist das nachvollziehbar und ein Stück weit auch normal», so Liamlahi. Wichtig sei es, das Kind in so einem Fall immer ernst zu nehmen, zu trösten und zu beruhigen, Probleme soweit möglich zu lösen sowie die Nutzung von Handy und PC gut zu regeln.Meist klappe es dann auch langfristig wieder mit dem Einschlafen.
Aber was, wenn es gar keinen offensichtlichen Anlass für das Einschlafproblem gibt? Wenn in der Schule alles gut läuft, Spielkonsole oder iPad längst verräumt sind und das Kind trotz ruhigem Abend einfach nicht in den Schlaf findet?
Schlafdruck muss hoch genug sein
«Der Grund liegt oft im fehlenden Schlafdruck; wenn das Kind ins Bett gehen soll, obwohl es noch nicht müde genug ist», sagt Kinderärztin Liamlahi. «Denn das individuelle Schlafbedürfnis ist in der Bevölkerung sehr unterschiedlich verteilt – und kann selbst unter Geschwistern stark variieren.»
Tatsächlich nimmt das Schlafbedürfnis bei Kindern mit steigendem Alter ab. Während Erstklässler noch durchschnittlich elf Stunden Schlaf benötigen, kommen Zwölfjährige im Schnitt mit etwa neun Stunden aus. Das sind aber nur Durchschnittswerte. Die individuell tatsächlich benötigte Schlafdauer kann auch bei Gleichaltrigen sehr unterschiedlich sein.
Ein Kurzschläfer-Kind zu früh ins Bett zu schicken, ist kontraproduktiv.
Rabia Liamlahi, Kinderärztin
So reicht der natürliche Schlafbedarf bei Sechsjährigen – laut Zürcher Longitudinalstudien, den Langzeitstudien des Universitäts-Kinderspitals Zürich – von nur neun Stunden bei Kurzschläfer-Kindern bis zwölfeinhalb oder sogar dreizehn Stunden bei Langschläfern. Mit zehn Jahren liegt die Spanne zwischen achteinhalb und elf Stunden pro Nacht. Mit zwölf Jahren immerhin noch zwischen acht und zehneinhalb Stunden. Und es gibt auch immer wieder Kinder, die noch weniger Schlaf benötigen. «Vielen Eltern ist das aber gar nicht bewusst. Sie orientieren sich bei der Schlafenszeit an Durchschnittswerten, allgemeinen Empfehlungen oder auch den Geschwisterkindern», so Liamlahi.
Wenn ein sechsjähriges Kurzschläfer-Kind aber dauerhaft um 19 Uhr ins Bett gebracht wird und erwartet wird, dass es bis 7 Uhr morgens schläft, muss es mehrere Stunden wach liegen, bis der Schlafdruck hoch genug ist und es einschlafen kann. Das ist für das Kind sehr anstrengend und führt auf Dauer meist zu Konflikten in der Familie.
Wenn Schlafschwierigkeiten über Monate anhalten und den Familienfrieden zunehmend belasten, rät die Schlafexpertin, sich rechtzeitig fachliche Hilfe zu holen, um gezielt gegensteuern zu können.
Ein guter erster Ansprechpartner bei Schlafproblemen ist die Kinderärztin. Sie kennt das Kind und die Familie in der Regel gut. Regional verteilt gibt es daneben auch spezielle Schlafsprechstunden für Kinder, an die der Pädiater überweist oder die von den Eltern auch direkt avisiert werden können.
Organische Ursachen
Neben dem Chronotyp können auch Entwicklungsstörungen, eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder eine Depression für Schlafprobleme verantwortlich sein. Ebenso müssen organische Ursachen bei einer Untersuchung berücksichtigt werden.
Die Mediziner kontrollieren dazu unter anderem das Gewicht des Kindes. Denn Kinder mit starkem Übergewicht haben ein höheres Risiko für Schlafatemstörungen. Ausserdem schauen sie in den Mund, da Kieferfehlstellungen oder auch vergrösserte Gaumen- und Rachenmandeln die Atmung im Schlaf beeinträchtigen können.
«In der Schlafmedizin werden insgesamt gegen 100 Schlafstörungen unterschieden. Einige davon haben eine klare organische Ursache», weiss Bigna Bölsterli. Sie ist Neurologin und Leiterin der pädiatrischen Schlafmedizin am Ostschweizer Kinderspital St. Gallen.
Im Unterschied zu Erwachsenen können übernächtigte Kinder stark aufdrehen, sind zappelig, nervös und unkonzentriert.
Bigna Bölsterli, Neurologin
So beobachtet Medizinerin Bölsterli bei Schulkindern Schlafatemstörungen wie die obstruktive Schlafapnoe. Wesentlich ist bei Kindern, dass die Gaumen- und Rachenmandeln gross sind und in den ersten Jahren auch noch wachsen, bevor sie dann im Primarschulalter langsam kleiner werden. Auch stark übergewichtige Kinder seien davon betroffen, so Bölsterli.
«Diese Kinder hört man oft schnarchen und es kann zu Atemaussetzern kommen, was mit einer Verschlechterung der Schlafqualität, entsprechender Tagesschläfrigkeit sowie Lern- und Konzentrationsproblemen verbunden ist.» Je nach Ursache und Schwere der Schlafatemstörung kann es erforderlich werden, die Mandeln zu entfernen oder bei Adipositas das Gewicht zu reduzieren.

Was Schlafmangel bei Kindern bewirkt
Auch das bei Erwachsenen vergleichsweise häufig vorkommende Restless-Legs-Syndrom kann bereits im Kindesalter auftreten. «Etwa 3 Prozent der Kinder spüren vor allem abends in Ruhe ein Ziehen, Zerren, Kribbeln sowie Bewegungsdrang in den Beinen, wodurch sie schlecht in den Schlaf finden und tagsüber entsprechend müde und unkonzentriert sind», sagt Albrecht Vorster. «Diese Schlafstörung lässt sich eigentlich gut therapieren. Sie bleibt bei Kindern aber leider immer noch oft unerkannt und wird teilweise auch mit ADHS verwechselt.»
Denn Kinder reagieren auf zu wenig oder schlechten Schlaf ganz anders als Erwachsene. «Während müde Erwachsene tagsüber vor allem schlapp, langsam und schläfrig sind, können übernächtigte Kinder stark aufdrehen. Sie sind dann in der Schule zappelig, nervös, unruhig und unkonzentriert. Das kann nach aussen hin wie eine ADHS-Problematik wirken», bestätigt auch Bigna Bölsterli.
Wenn der Nachtschreck kommt
Eine weitere typische Schlafstörung bei Kindern ist nach Bölsterli der sogenannte Nachtschreck, fachsprachlich auch Pavor nocturnus genannt. Dieser komme vor allem im Kleinkindalter bis ins frühe Primarschulalter vor. Dabei handelt es sich um eine für Eltern äusserst beunruhigende, aber an sich harmlose und meist vorübergehende Aufwachstörung. Diese tritt familiär gehäuft auf und hat vermutlich mit der Hirnreifung zu tun.
«Betroffene Kinder wachen dabei stark verängstigt, meist schreiend aus dem Tiefschlaf auf. Sie schwitzen, zittern, sind nicht richtig ansprechbar und lassen sich auch nicht beruhigen», berichtet Bölsterli. «Nach etwa 10 bis 15 Minuten schlafen sie wieder ein und können sich am nächsten Morgen meist nicht mehr daran erinnern.»
Eltern schätzen den Schlafbedarf ihres Kindes oft falsch ein.
Bigna Bölsterli, Neurologin
Ursache dieser Schlafstörung ist eine Kombination aus tiefem Schlaf und einem inneren oder äusseren Weckreiz. Das kann zum Beispiel ein lautes Geräusch oder auch Unwohlsein bei einem fiebrigen Infekt sein. Beim Nachtschreck wird nur ein Teil des Gehirns aufgeweckt, und zwar insbesondere derjenige, der für die Emotionen zuständig ist. Das Bewusstsein, das die Emotionen einordnet und reguliert, bleibt dagegen weiter im Tiefschlaf.
Mit zunehmendem Alter wird der Nachtschreck immer seltener. Er kann jedoch in Form von Schlafwandeln – auch bei Kindern, die schon mal einen Nachtschreck hatten – wiederkommen. «Denn beim Schlafwandeln handelt es sich grundsätzlich um denselben Fehlmechanismus, wobei hier weniger das emotionale, sondern mehr das motorische Zentrum isoliert erwacht», erklärt die Schlafexpertin. Wichtig sei es, betroffene Kinder vor möglichen Unfällen beim Schlafwandeln zu schützen. Im Zuge der zunehmenden Hirnreifung wachse sich aber auch dieses Phänomen vielfach aus.

Schlaf kann man nicht erzwingen
Der mit Abstand häufigste Grund aber, warum Eltern mit Schulkindern im Primarschulalter eine Schlafambulanz aufsuchen, sind Einschlafstörungen. «Je nachdem, wie eng man die Kriterien steckt, sind rund 10 bis 20 Prozent in dieser Altersklasse davon betroffen», sagt Bölsterli. «Fehlende Schlafhygiene, also Verhaltensweisen, die einen gesunden, erholsamen Schlaf fördern, und Schulstress spielen hier zwar eine Rolle. In sehr vielen Fällen sehen wir aber auch, dass falsche Erwartungen der Eltern über die Höhe des Schlafbedarfs ihres Kindes für die Einschlafstörungen verantwortlich sind.»
Der Druck, einschlafen zu müssen, es aber nicht zu können, führt irgendwann dazu, dass betroffene Kinder Angst vor dem Zubettgehen entwickeln.
Bigna Bölsterli, Neurologin
Denn Kinder, die dauerhaft länger im Bett liegen, als es ihr Schlafbedarf verlangt, oder entgegen ihrem Chronotyp zu früh ins Bett geschickt werden, können einfach noch nicht einschlafen. Auch wenn sie sich stark anstrengen. Im Gegenteil: Auf Dauer entsteht ein echter Teufelskreis.
«Denn der Druck, einschlafen zu müssen, es aber nicht zu können, führt irgendwann dazu, dass die Kinder sich das natürliche Einschlafen nicht mehr zutrauen. Sie entwickeln Angst vor dem Zubettgehen, was dann entsprechend auch wieder das Einschlafen behindert», betont die Schlafmedizinerin. «Dadurch kann die Einschlafstörung chronisch werden.»
Der natürliche Schlafrhythmus
Um sich ein genaues Bild vom Schlafproblem und dem eigentlichen Schlafbedürfnis machen zu können, arbeiten die Schlafmediziner mit einem sogenannten Schlafprotokoll. Die Eltern sollen in diesem 14 Tage lang eintragen, wann das Kind ins Bett geht, wann es tatsächlich schläft, wann es aufwacht, wie lange es wach ist und wann es Mahlzeiten zu sich nimmt. «Häufig erkennen wir bei der Auswertung des Protokolls Kurzschläfer-Kinder. Sie brauchen vergleichsweise wenig Schlaf und sollten entsprechend später ins Bett geschickt werden», so Bigna Bölsterli.
Diese Massnahme allein reicht aber oft nicht mehr aus. Vor allem, wenn das Problem schon länger besteht. So müssen die Kinder vielfach wieder lernen, einzuschlafen. «Das dauert in der Regel mehrere Wochen, in denen die Betroffenen konsequent jeden Tag nach einem stets gleich ablaufenden Schlafritual immer zum selben Zeitpunkt ins Bett gehen und aufstehen sowie möglichst auch die Mahlzeiten zur selben Zeit einnehmen sollten», so die Schlafexpertin.
- Das neu gegründete Netzwerk Schlaf ist eine Non-Profit-Organisation von Gesundheitsförderung Schweiz, Schweizer Lungenliga sowie Idorsia Pharmaceuticals. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Wichtigkeit der Schlafgesundheit in Gesellschaft und Politik zu verbessern. Hier finden Interessierte viele Informationen rund um das Thema Schlaf und Schlafstörungen sowie weiterführende Links und Adressen.
- Schlafzentrum, Swiss Sleep: Liste sämtlicher anerkannter Schlafzentren in der Schweiz
- Kostenlose Ratgeber zu Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen können auch auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin heruntergeladen werden.
«In hartnäckigen Fällen empfehlen wir auch, die Schlafenszeit vorübergehend noch weiter zu verkürzen, um den Schlafdruck weiter zu erhöhen.» Denn wenn sie extrem müde sind, schaffen es auch diese Kinder einzuschlafen. Dadurch gewinnen sie allmählich das Vertrauen in ihre Einschlaffähigkeiten zurück.
Bevor es so weit kommt, haben Eltern aber viele Möglichkeiten, ihre Kinder beim Einschlafen zu unterstützen: eine ruhige Atmosphäre vor dem Zubettgehen, keine digitalen Medien mehr, kein schweres Essen, kein Toben und das Kind gut beobachten. Und sich ehrlich fragen: Ist es wirklich müde? Oder meine ich nur, dass es ins Bett muss, um am nächsten Tag in der Schule leistungsfähig zu sein?