«Sie werden die richtigen Entscheidungen treffen»
Barbara Baur arbeitet als Osteopathin und Physiotherapeutin in Zürich. Die 49-Jährige hat zwei Kinder: Erik, 19, und Johanna, 15. Vom Vater der beiden Teenager lebt sie getrennt. Die Eltern sind sich in Erziehungsfragen aber einig – auch was den Umgang mit elterlichen Ängsten betrifft.
«Vor Kurzem ist meine 15-jährige Tochter allein nach London gereist, um dort ihre Ferien mit einer Jugendgruppe zu verbringen und eine Sprachschule zu besuchen. Sie hat ihren Abflug und ihre Ankunft weitgehend selbst organisiert. Sie war auch in London auf sich gestellt. Ich fand diesen Schritt in Richtung Selbständigkeit gut und wichtig, obwohl das für mich schon eine echte Lektion im Loslassen war.
Natürlich bin ich als Mutter nicht komplett sorgenfrei, wenn meine Teenagertochter allein in London unterwegs ist! Ich hätte Johanna deshalb ständig anrufen oder Nachrichten schicken können. Aber das habe ich ganz bewusst nicht getan. Was für eine Haltung ihr gegenüber hätte dieses Hinterfragen vermittelt?
Ich schaue manchmal weg, weil ich meine Kinder nicht überbehüten möchte.
Ich bin mir sehr sicher, dass unsere beiden Kinder auch deshalb so ein gesundes Selbstwertgefühl haben, weil ihr Vater und ich ihnen vermittelt haben, dass wir ihnen vertrauen. Von klein auf haben wir ihnen gezeigt, dass wir daran glauben, dass sie das Leben und die vielen Herausforderungen gut bewerkstelligen werden.
Das fing auf dem Spielplatz an: Ich erinnere mich daran, dass ich Sprüche vermieden habe wie ‹Pass auf, du könntest runterfallen›. Wenn ich rein rational wusste, dass mein Kind ein Klettergerüst bewältigen kann, habe ich mich in Angstmomenten auch einfach umgedreht und weggeschaut.
Jetzt, da die beiden selbständig werden, mache ich im Grunde genommen nichts anderes. Ich schaue manchmal weg, weil ich sie nicht überbehüten möchte. Das heisst nicht, dass sie komplett allein entscheiden dürfen, was erlaubt ist, und wir als Eltern keine Regeln aufstellen.
Es ist zum Beispiel ein No-Go, spätnachts allein von einer Party nach Hause zu kommen. Lieber sollen sie mich anrufen und dann hole ich sie ab. Ich bin mir auch der Gefahren bewusst, mit denen sie im Alltag konfrontiert werden.
Ich weiss, dass viele Gleichaltrige kiffen und viel Alkohol trinken. Es wäre naiv, anzunehmen, dass ausgerechnet meine beiden Kinder daran überhaupt kein Interesse hätten.
Aber meine Kinder sind mir in der Teeangerzeit nicht fremd geworden. Ich weiss meistens ziemlich gut, was sie bewegt, freut oder bekümmert.
Seit die beiden klein waren, habe ich mich an einen pädagogischen Ratschlag gehalten, den ich als junge Mutter bekam: ‹Wenn Ihr Kind reden will, egal ob es für Sie gerade passt, hören Sie zu.› Das habe ich beherzigt – mit dem Effekt, dass meine Kinder mir viel erzählt haben und auch heute noch viel erzählen.
Diese Nähe ist eine gute Vertrauensbasis. Ich vertraue ihnen, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen werden. Und ich zeige ihnen auch, dass ich selbst Vertrauen ins Leben habe.»