Mediennutzung: Ohne Regeln keine Orientierung
Vorschriften sind bei Kindern und Jugendlichen meist nicht besonders beliebt. Sie sind aber wichtig – insbesondere in der Medienerziehung.
Zwei 15-jährige Mädchen unterhalten sich. «Am Samstag», erklärt die eine, «darf ich so lange wegbleiben, wie ich will.» Die andere reagiert neidisch. «Du hast es gut», findet sie, «ich muss jeden Samstag spätestens um 22 Uhr zu Hause sein.» Darauf zuckt das erste Mädchen mit den Schultern. «Ich weiss nicht. Vielleicht ist es meinen Eltern ja auch egal, was ich am Samstagabend mache.»
Ohne Regeln gibt es keinen Halt. Setzen wir keine Grenzen, können Kinder und Jugendliche sie weder austesten noch überschreiten. Der Rahmen gibt ihnen Orientierung. Abmachungen sind in der Medienerziehung deshalb wichtig, weil Kinder damit lernen, ihren Medienkonsum eigenständig zu regulieren.
Regeln beim Medienkonsum schützen Kinder: Vor falschen Inhalten. Vor übermässiger Nutzung. Und vor sich selbst.
Regeln schützen Kinder: Vor falschen Inhalten. Vor übermässiger Nutzung. Und vor sich selbst. Regeln werden oft mit Strenge und Ungerechtigkeit in Verbindung gebracht. Viele von uns erinnern sich an die eigene Zeit der Adoleszenz, die von zahlreichen Regelungen und Konventionen geprägt war. Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen Eltern mit patriarchalischen Sprüchen («Solange du deine Füsse unter meinem Tisch hältst…») jede Form von Widerspruch abwürgten. Dahin muss auch niemand zurück.
Im Dialog mit dem Kind bleiben
Dennoch brauchen wir ein neues Verständnis des Autoritätsbegriffs, eine «positive Autorität», wie es der deutsche Kinderpsychologe Wolfgang Bergmann formuliert. Eltern sollten Regeln genau definieren und durchsetzen, findet Bergmann. Es sei wichtig, dabei gelassen und grosszügig zu bleiben.
Nur mit dieser Balance gelinge es Eltern, mit Kindern und Jugendlichen im Dialog zu bleiben, selbst wenn diese bei der Mediennutzung mal wieder über die Stränge geschlagen haben. Wie können wir Regeln aufstellen? Indem wir unsere Kinder an diesem Prozess beteiligen. Damit stärken wir ihren Sinn für Eigenverantwortung. Wer Kinder beim Aufstellen von Regeln miteinbezieht, verhindert, dass er später Beschlüsse über deren Köpfe hinweg verkünden muss.
- Wozu sollen unsere Abmachungen gut sein?
- Was sollte deiner Meinung nach erlaubt sein und was nicht?
- Von welchen Medien sprechen wir? Smartphone, Konsole, Fernsehen?
- Warum sind deiner Meinung nach zeitliche Begrenzungen nötig?
- Welche täglichen Aufgaben und Pflichten warten sonst noch auf dich?
- Wie sollten die Massnahmen aussehen, wenn du dich nicht an unsere Abmachung hältst?
In der Regel sind Kinder bereits ab acht Jahren stark motiviert mitzuentscheiden, weil sie möglichst viele Freiheiten für sich aushandeln möchten. Netter Nebeneffekt für die Eltern: Kinder hören ihnen während eines «Verhandlungsgesprächs» aufmerksam zu, oft aufmerksamer als bei anderen Gelegenheiten, in denen Eltern ihren Erziehungsanspruch geltend machen.
In welcher Form sollen wir Regeln festlegen?
Eine bewährte Möglichkeit sind schriftliche Vereinbarungen. Im Internet lassen sich Vorlagen herunterladen, allerdings mit bereits festgelegten Regelungen. Besser geeignet ist ein modularer, nach eigenen Vorstellungen gestaltbarer Baukasten wie der von der EU-Initiative «Klicksafe» entwickelte Mediennutzungsvertrag. Darin wird neben Fernsehen, Computer, Internet auch der Smartphonekonsum in einem Formular geregelt. Zielgruppe sind Eltern mit Kindern von 6 bis 12 Jahren und Eltern mit Kindern ab 12 Jahren. Mediennutzungsverträge sind wichtige Hilfsmittel, aber kein Heilmittel gegen überm.ssigen Medienkonsum.
Die ausgeklügeltste Abmachung mit Kindern nützt nichts, wenn sich die Eltern nicht regelmässig darum kümmern, dass sie auch eingehalten wird.
Sie dienen dazu, Kindern zu zeigen, worauf sie achten sollten. Und sind uns Eltern eine Erinnerungsstütze, weil viele Regelungen im Trubel des Alltags schnell in Vergessenheit geraten. Regeln aufstellen ist nicht schwer, sich um deren Einhaltung zu kümmern dagegen sehr. Es gibt kaum einen Haushalt, in dem es nicht regelmässig zu Auseinandersetzungen mit Kindern kommt, wenn beispielsweise der Fernseher ausgeschaltet oder das Computerspiel beendet werden soll. Diese Diskussionen sind oft anstrengend und zermürbend. Umso wichtiger sind gemeinsam aufgestellte Regeln.
Die ausgeklügeltste Abmachung nützt aber nichts, wenn sich die Erwachsenen nicht um deren Einhaltung bemühen. Viele Kinder können sich deshalb schlecht alleine reglementieren, weil sie durch den starken Sog der Medien komplett das Zeitgefühl verlieren. So tief in Dinge einzutauchen, ist im Prinzip eine bewundernswerte Eigenschaft. Darum dürfen wir es nicht persönlich nehmen, wenn Kinder es mit der Mediennutzung wieder einmal übertreiben oder Grenzen überschreiten. Kinder machen das nicht, um uns zu ärgern. Sie machen es, weil sie Kinder sind.
Sechs Tipps zum Aufstellen von Regeln zum Medienkonsum
- Kurz fassen: Die vereinbarten Regeln sollten auf ein Blatt passen, sonst wird es unübersichtlich.
- Sichtbarkeit: Die gemeinsam erstellten Regeln müssen für alle gut sichtbar aufgehängt werden. Ein guter Platz ist der Kühlschrank.
- Moderation: Kinder partizipieren lassen; dennoch müssen wir Eltern die Richtung vorgeben und das Gespräch moderieren. Ein Zettel mit Stichpunkten hilft.
- Gründe nennen: Damit Regeln verständlich bleiben, müssen wir Kindern und Jugendlichen einen nachvollziehbaren Grund nennen. Es nützt nichts, unseren Kindern einzuschärfen, keine privaten Daten im Netz von sich preiszugeben, wenn sie den Grund dafür nicht kennen.
- Tortendiagramm: Es hilft zu veranschaulichen, wie kurz ein Wochentag ist. Den Löwenanteil der Tortenstückchen nehmen Schlaf, Schule und Hausaufgaben in Anspruch. Gemeinsam mit den Kindern visualisieren die Eltern auf dem Tortendiagramm, wie viel Zeit neben Hobbys und Sportverein für Medien bleibt.
- Überprüfung: Die im Mediennutzungsvertrag geschlossenen Abmachungen müssen laufend überprüft und angepasst werden. Kinder werden älter, ihre Ansprüche ändern sich.