7 Fragen zum Schulweg - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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7 Fragen zum Schulweg

Lesedauer: 4 Minuten

Auf eigene Faust in die Schule zu gehen, bedeutet für Kinder ein wertvolles Stück Freiheit. Für Eltern heisst es, dass sie loslassen müssen. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Schulweg.

Text: Florina Schwander
Bild: Rawpixel

Wie sicher ist ein Erstklässler auf dem Schulweg?

Erstklässler kennen vom Kinder­garten das «Kindertrottoir» (die strassenabgewandte Seite des Trottoirs) und beherrschen das richtige Überqueren einer Strasse (mit dem bekannten «warte – luege – lose – laufe»). «Bei 6- und 7-Jährigen stellen die anderen Verkehrsteilnehmer die grösste Gefahr im Verkehr dar», erklärt Präventionsbeauftragte Thomas Schib von der Kinder- und Jugendinstruktion der Kantonspolizei Zürich. «Gerade Autofahrer sind sich nicht bewusst, welch wichtige Rolle sie im Zusammenhang mit Schulkindern spielen.» 

Das Motto der aktuellen Verkehrskampagne von TCS, Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu und Polizei «Rad steht, Kind geht» würden viele Autofahrer nicht einhalten. «Viele wissen nicht, dass ein Kind in dem Alter keine Chance hat, die Geschwindigkeit oder die Entfernung eines Autos richtig einzuschätzen», so Schib weiter. Zudem würden viele Autofahrer den Fehler machen und dem Kind auf dem Fussgängerstreifen zuwinken. Das Kind befolge dann die nett gemeinte Aufforderung des Erwachsenen und überquere den Zebrastreifen, ohne noch einmal auf die Gegenfahrbahn zu schauen.

Heisst das, dass der Schulweg noch einmal geübt werden soll? 

Schulweg schon vom Kindergarten her. In der ersten Klasse können aber je nach Lage neue Orte hinzukommen. Vielleicht befindet sich der Hort an einem neuen Ort oder das Kind tritt den Heimweg von der Turnhalle aus an. Diese neuen Wege sollten spielerisch geübt werden. Vielleicht kann dieses Üben zum Anlass genommen werden, mit dem Kind gemeinsame 1:1-Zeit zu verbringen und kommende Träume oder Sorgen für den Start in der ersten Klasse zu besprechen. Der kürzeste Weg ist nicht immer der beste und je mehr feste Regeln, also Ampeln, Fussgängerstreifen usw. es hat, desto besser. Es empfiehlt sich, sein Kind mit weiteren Artikeln auszustatten, die einen Unfall vermeiden können, beispielsweise Licht­reflektoren an Kleidung oder Thek, und einem Velohelm.

Was tun, wenn das Kind nicht alleine laufen will?

Wenn ein Kind nicht alleine zur Schule oder heimlaufen möchte, sollten Eltern mit dem Kind darüber sprechen. Vielleicht wird es auf dem Schulweg gehänselt oder etwas erscheint ihm auf dem Schulweg unangenehm. Eine Lösung wäre, den Erstklässler wieder eine Weile zu Fuss zu begleiten und darauf zu achten, dass das Kind zum Schluss trotzdem eine bestimmte Strecke des Schulwegs alleine geht. Vielleicht findet sich ein neues Gschpänli und schon will es wieder alleine laufen.

Was, wenn einem der Schulweg unzumutbar erscheint? 

Schulwege sind in der Schweiz im Durchschnitt weniger als 1,5 km lang, über 40 Prozent sind sogar kürzer als 400 Meter. In den meisten Fällen sollte den Kindern also zugemutet werden, den Schulweg zu Fuss zu meistern. Andernfalls ist die Schule verpflichtet, einen Schul- oder Pedibus zu organisieren. Bei stark befahrenen Strassen und Kreuzungen sind Lotsendienste oder Ähnliches im Einsatz. Keine Lösung sind Eltern-Taxis, also Mütter oder Väter, die ihre Kinder per Auto vor das Schulhaus kutschieren. Es ist wichtig für das Schulkind, den Schulweg alleine bewältigen zu können. Zudem sind manövrierende Autos vor dem Schulhaus eine Gefahr für andere Kinder.

Nicht nur der Verkehr, auch Konflikte mit anderen Kindern sind auf dem Schulweg ein Thema. Wie sollen Eltern reagieren?

Der Schulweg wie auch der Pausenplatz sind Orte für soziale Erfahrungen. Meinungsverschiedenheiten gehören dazu. Kommt ein Kind aber regelmässig in Bedrängnis, wird schikaniert oder kann den Konflikt nicht alleine lösen, dann können Eltern Unterstützung geben: Vielleicht nützt es, mit den involvierten Gschpänli und deren Eltern zu reden. Oder die Eltern suchen das Gespräch mit der Klassenlehrperson. Ein Kind hat das Recht, sich auch auf dem Hin- und Rückweg sicher zu fühlen. Fordern Sie dieses Recht ein.

Das Kind trödelt auf dem Schulweg und kommt zu spät zum Unterricht oder zum Zmittag. Was tun?

Es gibt Kinder, die sind resistent gegenüber jeglicher Hetzerei. Das ist normal und altersgerecht, denn Kinder haben keine Vorstellung von abstrakten Zeitbegriffen. Diese bilden sich mit den Alltagserfahrungen und der kognitiven Reifung erst aus. Der Psychologe Fabian Grolimund rät Eltern von trödelnden Kindern deshalb, konsequent auf Ermahnungen wie «Beeil dich!» zu verzichten. Er ruft dazu auf, die Eile bewusst wegzulassen, da sie meist kontraproduktiv wirke. 

Mehr Struktur könne helfen: Abends die Kleider heraussuchen und morgens in einem Parcours bereitlegen. Vielleicht findet sich auf dem Schulweg eine Glocke, die man immer am selben Ort läuten hören sollte? Oder man erfindet mit dem Kind zusammen einen Schulwegparcours, um es spielerisch von einem Punkt zum anderen zu bewegen. Wenn gar nichts mehr geht, darf das Kind auch mal spüren, was es verpasst, wenn es trödelt. Dann reicht halt die Zeit vielleicht nicht mehr, um auf den Spielplatz zu gehen oder Ähnliches. 

Was haben Trottis und Co. auf dem Schulweg zu suchen?

«Fahrzeugähnliche Geräte, kurz fäG, sind je nach Länge des Schulwegs, Können und Alter des Kindes eine klare Alternative zum Fussmarsch», sagt Thomas Schib. Er rät zur Vorsicht, denn für ihn sind die eigenen Füsse das sicherste Transportmittel. «Kleine Kinder sind oft viel zu schnell unterwegs auf ihren Velos oder Tretrollern, sie können noch nicht alles kombinieren und gleichzeitig reagieren.» Entwicklungs­bedingt realisieren Kinder erst ab fünf bis sechs Jahren, was eine Gefahr ist. Und im Verkehr gilt: Lieber einmal zu viel die Vorsicht walten lassen.

Nicht zufrieden mit dem Schulweg?

Wenn Eltern den Schulweg ihrer Kinder unzumutbar finden, sollten sie zuerst das Gespräch mit der Schule suchen. Grundsätzlich sind die Eltern verantwortlich für den Schulweg. Und doch gibt es gewisse Richtlinien, nach denen ein Schulweg seiner Zumutbarkeit nach eingeordnet wird, und so können Schulen beispielsweise verpflichtet werden, einen Lotsendienst einzurichten. 

Mehr Informationen liefern die jeweiligen Schul- und Gemeindebehörden. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) bietet eine gemeinsame Begehung des Schulwegs für eine Einschätzung an. Findet sich keine Lösung, bleibt der Rechtsweg.

Buch- und Link-Tipp zum Schulweg: 

Christina Koenig: Schulweggeschichten.  Der Bücherbär. Arena Verlag 2014, ca. 11. Fr. Weil Papas Auto kaputt ist, müssen Noah und Jo auf einmal zu Fuss zur Schule gehen. Ole wohnt auf dem Land und fährt mit dem Bus. Und Mia läuft immer durch eine Einkaufs-strasse, doch plötzlich braucht jemand ihre Hilfe. Lustige und rührende Geschichten zum Schulweg, Überraschung inklusive. 
Christina Koenig: Schulweggeschichten. 
Der Bücherbär. Arena Verlag 2014, ca. 11. Fr. Weil Papas Auto kaputt ist, müssen Noah und Jo 
auf einmal zu Fuss zur Schule gehen. Ole wohnt auf dem Land und fährt mit dem Bus. Und Mia läuft immer durch eine Einkaufs-strasse, doch plötzlich braucht jemand ihre Hilfe. Lustige und rührende Geschichten zum Schulweg, Überraschung inklusive. 
Kinder auf dem SchulwegInformative Broschüre der bfu, Beratungsstelle für Unfall-verhütung, inklusive Checkliste zum Schwierigkeitsgrad des Schulwegs.
Kinder auf dem Schulweg
Informative Broschüre der bfu, Beratungsstelle für Unfall-verhütung, inklusive Checkliste zum Schwierigkeitsgrad des Schulwegs. www.bfu.ch › 3.022.01

Florina Schwander
mag Kinder, Geschichten, Pflanzen, Kaffee, Flipflops und Code. Sie ist Mutter einer Tochter und von Zwillingsjungs im Primarschulalter.

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