Wie Eltern ihren Kindern den Schulanfang erleichtern
Viele Mädchen und Buben freuen sich auf ihren ersten Schultag und kippen dann vor Nervosität fast um. Wie bringen Eltern ihre Kinder gut durch diese aufregenden Tage?
Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Schultag? Meiner ist mir noch in guter Erinnerung. «Fabian, zieh dich schon mal an – ich muss noch mit deiner Kindergärtnerin sprechen», sagte meine Mutter mir damals und strich mir übers Haar. Sie wurde zu einem Gespräch in den Kindergarten gebeten. Als die Kindergärtnerin und meine Mutter wieder in den Gang kamen, sass ich in Unterwäsche auf der Bank, sah die beiden gedankenverloren an und fragte: «Im Winter, tragen da die Könige die Krone über oder unter der Mütze?»
«Sehen Sie, genau so ist er immer!», rief die Kindergärtnerin, «er ist einfach noch nicht schulreif.»
Meine Mutter blieb gelassen und meinte: «Ja, dann geht er noch ein Jahr in den Kindergarten.» So kam für mich, Fabian, der grosse Tag erst ein Jahr später.
Bald geht es los: Die Vorfreude wecken
Der erste Schultag ist für jedes Kind ein grosses Ereignis. Aber nicht nur bei den Kindern löst der Übertritt in die Primarschule einiges aus – auch Ihnen als Eltern werden schon lange vorher viele Gedanken durch den Kopf gehen. Die meisten Eltern schauen dem Übertritt mit gemischten Gefühlen entgegen: Stolz mischt sich mit Wehmut, Hoffnung mit Sorge. Sie können aber einiges tun, damit der erste Schultag so entspannt wie möglich abläuft.
Am besten bereiten Sie Ihr Kind und sich selbst gemeinsam auf das Abenteuer Schule vor. Die Kindergärten legen einen sehr guten Grundstein, indem sie den Kindern wichtige Kompetenzen vermitteln und den Schulbeginn thematisieren. Sie als Eltern können die Kindergartenzeit nutzen, um bei Ihrem Kind Neugier und Vorfreude zu wecken:
- Üben Sie mit Ihrem Kind vorgängig den Schulweg, damit es möglichst von Beginn an alleine zur Schule gehen kann. Gespräche nach der Schule und auf dem Schulweg sind für die Entwicklung von Freundschaften zentral.
- Besuchen Sie eine Theateraufführung, ein Singspiel oder einen anderen öffentlichen Anlass der Schule, damit sich Ihr Kind das Schulhaus anschauen kann.
- Machen Sie es neugierig auf die Schule, indem Sie von spannenden, witzigen und schönen Erlebnissen Ihrer eigenen Schulzeit erzählen.
- Lassen Sie ab und zu einfliessen, was Ihr Kind in der Schule lernen wird und wie nützlich dies sein wird («Bald kannst du die Geschichten selbst lesen!»).
- Lesen Sie ihm Geschichten vor, die sich in der Schule abspielen oder den Schulanfang thematisieren.
Die Vorfreude wächst weiter, wenn Sie mit Ihrem Kind die Schulsachen kaufen. Sie werden von der Schule vorgängig informiert, welches Material Ihr Kind benötigt. Nehmen Sie sich einen Tag Zeit und lassen Sie den Einkauf zu etwas Besonderem werden.
Die Schule beginnt: So können Sie Ihr Kind beim Lernen begleiten
Die meisten Kinder gehen in der ersten Zeit begeistert in die Schule und interessieren sich für ihre Hausaufgaben. Wie lange Kinder dieses Interesse aufrechterhalten können, hängt auch von ihren Eltern ab. Je mehr es Ihnen gelingt, sich auf Ihr Kind einzulassen, Interesse an der Schule zu zeigen und es bei den Hausaufgaben sinnvoll zu unterstützen, desto eher wird die Schule zu einer schönen Erfahrung für die ganze Familie.
Hey Grosser, hast du auch noch Arbeit zu erledigen? Ich möchte noch meine Mails machen. Wollen wir gleich loslegen?
Sich auf das eigene Kind einzulassen kann auch bedeuten, gängigen Ratschlägen nicht zu viel Beachtung zu schenken. So wird in vielen Ratgebern und Tipplisten für den Schulanfang darauf hingewiesen, dass die Kinder unbedingt einen ruhigen Ort und einen eigenen, ergonomisch sinnvollen Arbeitstisch benötigen, um konzentriert arbeiten zu können.
In der Folge wird dem Kind ein Pult ins Zimmer gestellt, wo es fortan in Ruhe arbeiten soll. Nur: Viele Kinder sind in diesem Alter nicht gerne alleine. Abgeschieden und einsam in ihrem Zimmer, fühlen sie sich unwohl und werden zappelig. Die Kinder stehen immer wieder auf und verlassen unter einem Vorwand das Zimmer – beispielsweise um eine Frage zu stellen –, worauf die Eltern ärgerlich werden.
Wie man Kinder zu den Hausaufgaben motiviert, ohne sie zu kontrollieren
Sie können also darauf achten, wo sich Ihr Kind wohlfühlt. Vielleicht will es die Hausaufgaben alleine im Zimmer erledigen. Vielleicht möchte es aber lieber in der Küche oder im Wohnzimmer arbeiten, während Sie Ihre E-Mails beantworten oder die Spülmaschine einräumen. Lassen Sie dies zu.
Kinder freuen sich über eine wohlige Atmosphäre beim Lernen. Ein positives Klima entsteht, wenn die Eltern einfach da sind, ohne ständig danebenzusitzen oder ihre Hilfe aufzudrängen. Bringen Sie Ihrem Kind etwas zu knabbern, berühren Sie es beim Vorbeigehen kurz an der Schulter, lächeln Sie es an und stellen Sie ab und zu eine interessierte Frage zum Stoff, während Sie einer eigenen Tätigkeit nachgehen.
Halten Sie sich zurück mit Korrekturen zu den Hausaufgaben. Sie können die Lernmotivation zunehmend schädigen.
Die Hausaufgaben werden in der Schule kontrolliert und die Lehrperson benötigt eine Rückmeldung darüber, wie gut das Kind den Stoff verstanden hat. Es ist daher sinnvoll, sich mit Korrekturen zurückzuhalten. Viele Kinder reagieren sehr empfindlich, wenn die Eltern auf Fehlersuche gehen oder mit Erklärungen aufwarten, die sich nicht mit denen der Lehrperson decken. Bald entzünden sich Konflikte, die sich gravierender auswirken als ein paar Fehler, weil sie die Lernmotivation des Kindes zunehmend schädigen. Falls Ihr Kind eine Aufgabe nicht verstanden hat, ist es daher oft sinnvoller, der Lehrperson eine Notiz im Hausaufgabenheft zu hinterlassen. Es ist wichtig, dass das Kind auch in Sachen Hausaufgaben seine eigenen Erfahrungen macht.
Zu guter Letzt ist es hilfreich, wenn Sie Ihrem Kind signalisieren, dass die Hausaufgaben Teil der Erwachsenenwelt sind, und es in dieser schönen Welt willkommen heissen. Vermeiden Sie Aussagen wie: «Das musst du halt einfach machen!» – laden Sie es lieber dazu ein. Vielleicht mit einer Aussage wie: «Hey Grosser, hast du auch noch Arbeit zu erledigen? Ich möchte noch meine Mails machen. Wollen wir gleich loslegen?»
Mit einem guten Start ist viel gewonnen. Falls sich im Verlauf der Schulzeit Schwierigkeiten einstellen, ist es wichtig, dass Sie sich Hilfe holen, bevor heftige Konflikte oder immer länger werdende Hausaufgabenmarathons die Beziehung zu Ihrem Kind und dessen Lernmotivation untergraben. Wir haben zu diesem Zweck einen kostenlosen Online-Kurs für Eltern entwickelt und gemeinsam mit dem Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi die Videoserien Mit Kindern lernen, Was Kinder stark macht, und Schulfrust? Schullust! erstellt.
Überprüfen Sie Ihre eigene Einstellung zur Schule
Wenn Kinder in eine neue Situation kommen, suchen sie nach Orientierung. Die Aussagen, die die Eltern über die Schule treffen, beeinflussen die Wahrnehmung und die Erwartungen des Kindes.
Vielleicht haben Sie Lust auf ein kleines Experiment: Lesen Sie die folgenden Aussagen durch und hören Sie in sich hinein. Was klingt in Ihnen an, wenn Sie die folgenden Aussagen und Fragen lesen?
- Mit der Schule beginnt der Ernst des Lebens.
- In der Schule dürfen die Kinder heute gar nicht mehr Kind sein.
- In der Schule werden Kinder in ein Schema gepresst und verlieren ihre Individualität.
- Zuerst lernen wir sprechen und gehen – dann stillsitzen und den Mund halten. Das ist die traurige Wahrheit.
- Ich war auch immer schlecht in Mathe/Deutsch.
- Findet mein Kind wohl seinen Platz?
- Wird die Lehrerin genügend auf mein Kind eingehen?
Heute wird von den Medien und populären Experten aus Erziehung und Bildung manchmal ein sehr negatives Schulbild gezeichnet. Dabei geht unter, dass viele Kinder gerne zur Schule gehen und die meisten Lehrpersonen Menschen sind, die in der Lage sind, eine gute Beziehung zu ihren Schülern aufzubauen.
Wer nach Fehlern und Unzulänglichkeiten im Bildungssystem und bei der Lehrperson seiner Kinder sucht, wird viele finden. Die Frage ist: Hilft das dem Kind, sich in der Schule wohlzufühlen? Kann ein Kind in einem System erfolgreich sein, das seine Eltern verachten? Kann sich ein Kind auf eine Lehrperson einlassen, die die Eltern als inkompetent abstempeln?
Übertragen Sie Ihre Sorgen und Befürchtungen nicht auf Ihr Kind!
Sie können Ihrem Kind helfen, indem Sie seinen Schul-Rucksack für ein Abenteuer rüsten, anstatt ihn mit Sorgen und Befürchtungen vollzupacken.
Denn vielleicht wird Ihr Kind:
- zu einer wunderbaren Lehrerin kommen, die es sehr gern haben wird und bei Schwierigkeiten ermutigt und stärkt,
- sich für den Stoff interessieren und gerne lernen,
- stolz sein auf seine ersten Schritte in der Welt der Grossen,
- dort seine Stärken haben, wo Sie Ihre Schwächen hatten,
- mit einer «schwierigen» Lehrperson viel besser zurechtkommen, als Sie sich momentan vorstellen können,
- in eine Schule kommen, in der ein angenehmes Klima herrscht,
- die Möglichkeit geniessen, jeden Tag an einen Ort zu kommen, wo es Freundschaften knüpfen und mit anderen Kindern zusammen sein kann, selbst wenn es mitunter zu Konflikten kommen kann.
Wir wollen durchaus keine Schönfärberei betreiben, doch uns beeindrucken die vielen engagierten Lehrpersonen, die sich Tag für Tag neu auf die Kinder einlassen und die Kinder auch in schwierigen Phasen gut begleiten. Es ist so vieles möglich, wenn Eltern und Schule konstruktiv zusammenarbeiten und ein Team bilden. Wenn Sie davon ausgehen, dass die zukünftige Lehrperson das Beste für Ihr Kind will und Schule ein positiver Ort sein kann, wird die Schulzeit entspannter, schöner, bunter – für Sie, Ihr Kind und die Lehrpersonen.