Die Auseinandersetzungen geschehen vor allem dann, wenn Manuel die Hausaufgaben machen sollte: Er muss sich regelrecht durch die Hausaufgaben kämpfen, weil er sich nach einem langen Schultag fast nicht mehr konzentrieren kann und keine Lust darauf hat. Ich weiss genau, wie er sich fühlt, da ich mich noch sehr gut an meine Schulzeit erinnern kann. Mein Vater hatte damals überhaupt keine Geduld mit mir. Und ich wäre auch lieber mit meinen Freunden zusammen gewesen, als mich mit Hausaufgaben zu beschäftigen. Ich habe damals viel alleine geweint, weil ich mich so schlecht fühlte. Ich möchte Manuel sehr gerne bei den Hausaufgaben helfen, aber irgendwie bin ich dabei viel zu streng oder meine Erwartungen sind zu hoch. Auf jeden Fall ist es für mich schlimm, wenn Manuel zu weinen beginnt. So habe ich das Gefühl, dass ich genauso ungeduldig und wütend mit ihm bin, wie es mein Vater damals mit mir war.
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Kann ich ein guter Vater sein?

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Frage eines Vaters:

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Ich wünsche mir, dass ich das Familienleben mehr geniessen könnte. Ich wünsche mir auch, dass sich jeder in der Familie wert geschätzt fühlt. Unsere Söhne sollen anders aufwachsen als ich und nicht mein Bild von mir und meine Erinnerung als schlechten Schüler mit schwachem Selbstwert übernehmen. Vielleicht ist auch das der Grund, warum ich bei den Hausaufgaben so streng bin. Es kommt mir vor, als schaffe ich es nicht, meinen Wunsch nach Familienidylle zu leben. Was soll ich tun?
Antwort von Jesper Juul
Abschied von selbstzerstörerischem Verhalten
Durch Ihre eigene Erziehung haben Sie ein bestimmtes Verhalten entwickelt und sind jetzt in der Situation, dass Sie in einer eigenen Familie leben, in der Sie als Mensch wachsen können. Das bedeutet aber auch, dass Sie als Vater und Partner sich von der Überlebensstrategie, die Sie als Kind entwickelt haben, und von den selbstzerstörerischen Aspekten Ihres Verhaltens verabschieden sollten. Wenn Sie das tun, werden Sie sich den hohen Zielen nähern, die Sie für sich und Ihre Lieben definiert haben, und erleben, wie sehr genau diese Ziele Ihr Leben bereichern. Die Bedingung dabei ist, dass Sie all das aufrichtig tun. Und dass Sie es mit allen teilen.
Direkt auf die Kinder zugehen
Sie können Ihre Frau um Rat und Hilfe bitten – aber jedes Mal, wenn Sie sich als Vater in Ihrer Rolle unsicher fühlen, ist es besser, direkt auf die Kinder zuzugehen und sie direkt zu fragen.
Die wohl schwierigste Aufgabe ist jetzt, Ihr Selbstbild zu überprüfen. Verabschieden Sie sich von dem Mann, der Sie waren, und akzeptieren Sie die Trauer und die Angst. Stellen Sie sich auf eine dynamische Entwicklung ein, die nun beginnen wird. Ihr aktuelles Selbstbild, Ihr konstruktives und destruktives Verhalten kommen miteinander in Kontakt, was sich nur in Richtung liebevolle Beziehungen entwickeln kann. Nicht von einem Tag auf den anderen, aber bestimmt über die nächsten Jahre.
In Zusammenarbeit mit familylab.ch
Jesper Juul (1948 – 2019)
Der dänische Familientherapeut Jesper Juul hat wie kein anderer in den vergangenen Jahrzehnten Menschen mit seinen Erziehungs- und Beziehungsprinzipien geprägt. Der Gründer des Beratungsnetzwerks familylab und Autor von über 40 Büchern («Dein kompetentes Kind», «Aus Erziehung wird Beziehung») war zweimal verheiratet. Er hinterlässt einen Sohn aus erster Ehe und zwei Enkelkinder.
Jesper Juul starb am 25. Juli 2019 im Alter von 71 Jahren nach langer Krankheit in Odder, Dänemark.
Exklusivinterview im Dezember 2017
- Was ist das Wichtigste, das Sie Ihrem Sohn mitgegeben haben? Jesper Juul im Exklusiv-Interview, Teil 1
- Was ist das Beste, das Ihnen im Leben passiert ist? Teil 2 des grossen Interviews mit Jesper Juul