Auch in Erziehungsratgebern wird den Vätern oft nur ein Kapitel gewidmet, wobei meist aufgezeigt wird, wie sie ihre Partnerin am besten entlasten können. Diese Rolle als Assistent oder Hilfskraft ist für uns Männer aber gänzlich unattraktiv. Wenn schon, dann wollen wir es richtig machen und die volle Verantwortung übernehmen. Dabei ist uns wichtig, dass unsere Partnerin anerkennt, dass wir vieles zwar anders, aber genauso gut machen.
Letzteres ist keine Selbstverständlichkeit. Noch immer hält sich hartnäckig die Überzeugung, dass die Mutter die wichtigere Bindungsperson ist, die von Natur aus und zeitlebens enger mit dem Kind verbunden ist, seine Bedürfnisse besser wahrnehmen kann und feinfühliger darauf reagiert. Aus dieser Überzeugung heraus ergibt sich in vielen Familien die ungeschriebene Regel, dass gerade in Situationen, die besonders bindungsrelevant sind, die Mutter gefragt ist.
Kürzlich schrieb eine Mutter in einer Facebook-Gruppe, dass sie vom Arbeitgeber nur zehn Tage im Jahr frei bekommt, um bei Krankheit für das Kind da zu sein – und wie unmöglich sie dies finde. Auf meinen Kommentar, dass ihr Mann ja auch nochmals zehn Tage zu Hause bleiben könnte, bekam ich einige bitterböse Kommentare, viele davon in Richtung: «Wenn das Kind krank ist, will es die Mutter!»
Das mag stimmen: Wenn bisher immer die Mutter für das kranke Kind da war, wird es auch nach ihr verlangen. Bleibt plötzlich der Papa zu Hause, hat er am ersten Tag vielleicht einen schweren Stand. Aber es sind genau diese Momente, in denen sich die Bindung verstärkt, in denen Kind und Vater dazulernen können. Das Kind merkt: Auf Papa ist Verlass, der ist da, wenn es mir nicht gut geht, der lässt alles stehen und liegen und kümmert sich um mich. Der Vater lernt: Ich kann meine anfängliche Unsicherheit aushalten, mein Kind alleine beruhigen, herausfinden, was zu tun ist. Mit jedem Mal wird es einfacher und vielleicht freut sich das Kind beim zweiten Mal bereits, wenn der Papa zu Hause bleibt.
Es ist wunderbar, wenn Väter mit ihren Kindern spielen, durch den Wald streifen, rangeln und toben und das eine oder andere ernste Wort sprechen. Aber die schwierigen Momente gemeinsam mit dem Kind auszuhalten, mit ihm die Nacht im Spital zu verbringen, es zum Zahnarzt zu begleiten, wenn es Angst hat, daheim zu bleiben, wenn es krank ist, schafft nochmals eine ganz andere Nähe, Vertrautheit und Bindungssicherheit.
Diesen Platz müssen wir Väter uns manchmal erobern, indem wir mit genügend Selbstvertrauen eigenen Unsicherheiten, den Kommentaren unserer Partnerin und gut gemeinten Hilfsangeboten unserer eigenen Mutter und Schwiegermutter entgegentreten und sagen: «Jetzt übernehme ich – das Kind und ich machen das schon!»