Vapes – cool, bunt und ungesund

Jugendliche lieben E-Zigaretten. Die «Vapes» kommen verspielt daher – doch für die Gesundheit sind sie schädlich. Und sie machen süchtig.
Wie Leuchtstifte sehen sie aus, die E-Zigaretten: Es gibt sie in Rot, Grün, Blau, Gelb oder Pink. Und sie schmecken wie Süssigkeiten: nach Gummibärchen, Apfel, Heidelbeeren, Cool Mint oder Lychee Ice. An manchem Kiosk stehen sie direkt neben den Kaugummis. Auf dem Markt finden sich Tausende von Geschmacksrichtungen. Zudem sind die seit 2020 erhältlichen Einweg-E-Dampfer vom Typ Puff Bar günstig und praktisch: Sie sind geladen und gefüllt. Man kann diese Vapes, wie Jugendliche sie nennen, sofort in Betrieb nehmen und losdampfen. Sie sind so klein, dass sie in eine Hosentasche passen und unauffällig konsumiert werden können.
Bei den Mädchen sind Vapes besonders beliebt: 30 Prozent dampfen mindestens einmal im Monat.
Influencer zeigen in Erklärvideos, wie man mit dem Dampf Ringe formen kann. Oder sie tun tolle Dinge und dampfen wie nebenbei. Einige Idole der Jungen lancieren auch ihre eigenen Vape-Marken. Es wird suggeriert: Vapen ist cool und macht Spass. Jugendliche springen darauf an.
Das Dampfen erlebte in den vergangenen zwei Jahren einen Hype: Gaben 2021 noch 15 Prozent der Jugendlichen an, im vergangenen Monat mindestens einmal E-Zigaretten geraucht zu haben, waren es 2023 bereits 25 Prozent. Dies zeigen die Ergebnisse der Konsumumfrage 2023 der Lungenliga Aargau, in welcher 20 000 Deutschschweizer Lernende zwischen 15 und 19 Jahren befragt wurden. 6 Prozent der Jugendlichen greifen täglich zur E-Zigarette. Bei den Mädchen sind Vapes besonders beliebt: 30 Prozent dampfen mindestens einmal im Monat, 8 Prozent täglich. So die Ergebnisse der Lungenliga-Studie.
Verkauf von Vapes wird bald eingeschränkt
Studien, die den Geschlechterunterschied erklären könnten, gibt es noch nicht. Claudia Künzli, Bereichsleiterin Prävention bei der Lungenliga Schweiz, vermutet, dass sich Mädchen noch mehr vom modischen Design und den süssen und fruchtigen Aromen angezogen fühlen. «Da Nikotin den Stoffwechsel anregt, könnte es sein, dass sie E-Zigaretten auch konsumieren, um ihr Gewicht zu kontrollieren», sagt Künzli. Zudem fühlen sich vor allem junge Frauen vermehrt psychisch belastet, was das Risiko erhöht, Suchtmittel zu konsumieren.
E-Zigaretten funktionieren mit einer chemischen Flüssigkeit, dem sogenannten Liquid, das mithilfe einer Batterie erhitzt, verdampft und anschliessend inhaliert wird. Auch das erleichtert Jugendlichen den Einstieg. Denn der Dampf reizt kaum im Hals, wie Reto Auer, Professor in Hausarztmedizin und Leiter Bereich Substanzkonsum an der Universität Bern, erklärt. Raucht man das erste Mal eine normale Zigarette, muss man husten und den meisten wird es übel. «Beim Dampfen passiert das nicht», sagt Auer. «Die im Liquid enthaltenen Nikotinsalze schmerzen nicht; vor allem, wenn noch Menthol zugefügt wird, was in vielen Mischungen der Fall ist.»
Dazu kommt, dass der Zugang zu E-Zigaretten denkbar einfach ist. Da Vapes momentan noch unter das Lebensmittelgesetz fallen, gibt es keine Altersbeschränkung. Jugendliche oder sogar Kinder können sie sich frei am Kiosk kaufen oder online bestellen. Und das äusserst günstig: Für knapp 10 Franken erhält man einen E-Dampfer, der gemäss Herstellerangaben 1500 Züge bereithält. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden sich Mitte 2024 ändern, wenn schweizweit das neue Tabakproduktegesetz in Kraft tritt. E-Zigaretten werden dann gleich behandelt wie herkömmliche Zigaretten und dürfen nicht mehr an unter 18-Jährige verkauft werden.
Julian Jakob, Assistenzarzt in der Kinder- und Jugendmedizin am Inselspital Bern, schreibt seine Dissertation über die Auswirkungen von E-Dampfern auf die Lungengesundheit von Jugendlichen. Solange die Arbeit nicht abgeschlossen ist, kann er nichts zu den Resultaten verraten. Doch er erzählt, dass die meisten der hundert Jugendlichen bei seiner Befragung angegeben hätten, dass sie «aus Spass» vapen.

Eine sehr hohe Dosis Nikotin
Sind Vapes ein spassiger Zeitvertreib – oder gesundheitlich bedenklich? Harmlos sind sie nicht, darin sind sich Fachleute einig. Doch Reto Auer betont, dass das Inhalieren des Dampfes von E-Zigaretten weniger schädlich sei als das Inhalieren von Tabakrauch. «Raucher sterben am Teer und nicht am Nikotin», sagt der Mediziner. «Nikotin bringt einen nicht um – aber es macht abhängig.»
Das Problem: E-Zigaretten, insbesondere die Einwegvarianten, enthalten viel mehr Nikotin als konventionelle Zigaretten. «In den Wegwerfdampfern befindet sich die maximal erlaubte Konzentration an Nikotin, nämlich 20 Milligramm pro Milliliter – und manchmal sogar mehr», erklärt Doktorand Julian Jakob. «Das ist eine Megadosis! » Mit wenigen Zügen inhalierten die Jugendlichen eine hohe Nikotindosis und erlebten einen ausgeprägten Nikotinkick. Er vermutet, dass dadurch langfristig mehr Konsumierende süchtig werden.

Nikotin aktiviert das Belohnungszentrum im Gehirn. Es gibt Energie und hilft, dass man sich besser konzentrieren kann. Speziell am Nikotin im Vergleich zu anderen Drogen ist, dass der Stoff innerhalb von nur ein bis zwei Stunden abgebaut wird. Dann sehnt sich der Körper wieder danach. «Konsumiert man dann kein weiteres Nikotin, fühlt man sich schlecht, ist gereizt und weniger konzentriert», sagt Reto Auer. Die Frage sei, ob jemand im Zustand des Mangels widerstehen könne, für Nachschub zu sorgen. Aber er betont: «Nicht jeder, der das Dampfen ausprobiert, wird gleich nikotinsüchtig.» Das habe vor allem mit der psychischen Verfassung zu tun.
Nikotin hat einen negativen Effekt auf das jugendliche Gehirn, das noch nicht fertig entwickelt ist.
Claudia Künzli, Lungenliga Schweiz
Claudia Künzli von der Lungenliga weist darauf hin, dass Nikotin einen negativen Effekt auf das jugendliche Gehirn habe, das noch nicht fertig entwickelt sei. Beginne man schon früh mit dem Nikotinkonsum, brenne sich die Sucht ein. Tatsächlich ist es so, dass die meisten erwachsenen Raucher im Jugendalter damit begonnen haben. Es gibt zwar auch nikotinfreie E-Zigaretten. Doch diese sind ein Randphänomen, wie die Konsumumfrage der Lungenliga zeigt: Lediglich 8 Prozent der Jugendlichen gaben an, im vergangenen Monat mindestens einmal nikotinfrei gedampft zu haben. Nur 1 Prozent hat täglich eine nikotinfreie E-Zigarette konsumiert.
Schadstoffe im Liquid
Das Liquid der E-Dampfer enthält neben Nikotin chemische Stoffe wie Propylenglycol oder Glycerin, Aromastoffe und Schwermetalle. Die Ärzte Auer und Jakob sagen: E-Zigaretten sind nicht gut für die Gesundheit – aber sie sind weniger schädlich als Zigaretten. Die Schadstoffe liessen sich im Labor messen. Claudia Künzli von der Lungenliga spricht von einem «toxischen Gemisch» in den E-Zigaretten. Tatsächlich hält ein Gutachten des Bundes aus dem Jahr 2022 fest, dass das Liquid «potenziell giftige Chemikalien enthält, die meistens auch ins Aerosol übergehen und somit inhaliert werden». Dass E-Zigaretten weniger schädlich sind als herkömmliche Zigaretten, sei der aktuelle Wissensstand, betont Künzli und warnt: «Langzeitstudien fehlen.»
Umfangreiche Informationen und Tipps finden sich auf der Plattform Vapefree: www.vapefree.info.
Weitere Websites mit Informationen zum Thema:
www.lungenliga.ch
www.at-schweiz.ch
www.suchtschweiz.ch
Ist Vapen eine Einstiegsdroge?
Eine wichtige Frage ist, ob das Dampfen als Einstiegsdroge für das Rauchen fungiert. Dieser Gateway- Effekt wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Für Arzt und Forscher Reto Auer spricht dagegen, dass gemäss der jüngsten Umfrage der Lungenliga in den vergangenen zwei Jahren der Konsum von Tabakzigaretten abgenommen hat. Er sagt: «Die Zahlen könnten bedeuten, dass es Jugendliche gibt, die Vapes statt Zigaretten konsumieren.»
Für Erwachsene, die mit dem Rauchen aufhören möchten, können Vapes eine sinnvolle Ersatzdroge sein.
Auszug aus der aktuellen Studie von Sucht Schweiz
Die Expertin der Lungenliga weist darauf hin, dass sich der Gateway-Effekt möglicherweise zeitverzögert zeigt: «Es könnte sein, dass die heutigen 15-Jährigen erst mit 25 anfangen, Zigaretten zu rauchen. » Das Trendprodukt E-Zigaretten sei einfach noch zu jung, um endgültige Aussagen zu machen – in diesem Punkt sind sich die Expertinnen und Experten einig.
Tatsächlich kommt eine weitere Studie, «Health Behaviour in School-aged Children» von Sucht Schweiz, zu einem anderen Resultat: Sie vergleicht die Zahlen von 2018 und 2022 und stellt fest, dass der Konsum von Zigaretten in diesem Zeitraum nicht gesunken ist. Konsumieren Jugendliche, die sowieso rauchen würden, E-Dampfer statt konventionelle Zigaretten, ist das die bessere Wahl. Und für Erwachsene, die mit dem Rauchen aufhören möchten, können die Vapes eine sinnvolle Ersatzdroge sein. Doch dampfen Junge, die sonst nicht rauchen würden, tun sie ihrer Gesundheit keinen Gefallen.
Was Eltern wissen sollten zum Thema E-Zigaretten und Tipps, wie sie damit umgehen sollen, erfahren Sie in unserer Übersicht:
- Kommen Eltern mit ihren Kindern über E-Zigaretten ins Gespräch, sollten sie aufzeigen, dass es sich bei den Vapes nicht um ein harmloses Lifestyle-Produkt handelt.
- Eine klare Haltung ist angezeigt – doch es hilft nichts, zu dramatisieren oder in einen Kontrollzwang zu verfallen. Das Wissen, dass Jugendliche gerne Dinge ausprobieren und dass vom Probierkonsum nicht alle sofort süchtig werden, kann dabei hilfreich sein.
- Dampft der Nachwuchs bereits, kann man ein interessiertes Gespräch darüber führen, warum der oder die Jugendliche zur E-Zigarette greift. «Suchen Sie gemeinsam andere Strategien, um das dahinterliegende Bedürfnis zu befriedigen», rät Arzt Reto Auer.
- Natürlich ist es auch wichtig, mit gutem Beispiel voranzugehen. Doch wenn die Eltern selbst rauchen oder dampfen, dürfen sie dazu stehen. Man könne sagen: «Ich schaffe es leider nicht, aus der Suchtfalle herauszukommen», empfiehlt Claudia Künzli von der Lungenliga Schweiz. «Dir möchte ich den gleichen Fehler ersparen.»
- Vielleicht überzeugt den Jugendlichen oder die Jugendliche auch das Argument, dass die Puff Bars alles andere als nachhaltig sind: Sind die farbenfrohen Vapes leer, landen sie samt Lithiumbatterie im Abfall und belasten die Umwelt.
- Jugendliche von Nikotinprodukten fernzuhalten, ist laut den Experten nicht nur die Aufgabe der Eltern, sondern der ganzen Gesellschaft: Sie fordern Werbeverbote, steuerliche Massnahmen und Einschränkungen im Verkauf.