Ohne Koffein, ohne Alkohol – ohne Auswirkungen? -
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Ohne Koffein, ohne Alkohol – ohne Auswirkungen?

Lesedauer: 3 Minuten

Der Cappuccino beim Stadtbummel, das Glas Rotwein beim Essen mit Freunden oder etwas Prickelndes zum Feiern: Die Verbindung von sozialen Events mit Getränken ist für uns Erwachsene ein schönes Ritual – für Kinder kann sie eine viel tiefere Bedeutung haben.

Text: Wina Fontana
Bild: iStockphoto

In Zusammenarbeit mit Betty Bossi

Kinder kopieren naturgemäss das Verhalten der Erwachsenen, insbesondere das ihrer Eltern. Bei unseren Urahnen steigerte diese Eigenschaft hauptsächlich die Chance zu überleben, heute erfüllt sie noch einen weiteren Zweck. Erwachsene vermitteln den Kindern vermeintlich erstrebenswerte Merkmale wie Status, Einfluss, Erfolg oder besondere Fähigkeiten.

Dies lässt sich wunderbar am Beispiel sozialer Zusammenkünfte beobachten. Obwohl aus Sicht der Erwachsenen solche sozialen Anlässe oft vielschichtig sind, orientieren sich Kinder am Offensichtlichen der Situation: der gemeinsamen Einnahme eines Getränks. Diese Handlung ist leicht zu reproduzieren und vermittelt den Kindern ein Gefühl der Zugehörigkeit – dies hat auch die Gastronomie beziehungsweise Getränkeindustrie für ihre Zwecke erkannt. 

Vor einigen Jahren bestärkten beim Nachmittagsbummel durch die Stadt noch eine heisse Schokolade oder ein Tee dieses Gefühl. Seit relativ kurzer Zeit findet man fast überall sogenannte Babyccinos auf der Getränkekarte. Dabei handelt es sich meist um eine mit Milchschaum gefüllte Espressotasse. ­Diese ermöglicht Kindern, optisch genau dasselbe zu konsumieren wie Mama oder Papa – aber ohne den bitteren Geschmack von Kaffee.

7 Tipps zum Umgang mit Getränken

  1. Sprechen Sie mit älteren Kindern über soziale Rituale und wie deren Bedeutung über ein Getränk hinausgeht.
  2. Sobald Ihr Kind mit anderen Kindern und Familien in Kontakt kommt, ist ein ­Kennenlernen von Kindersekt, koffein­haltigen Süssgetränken und sonstigen Trenderscheinungen nicht zu vermeiden. Seien Sie proaktiv und besprechen Sie den massvollen Umgang mit Ihrem Kind.
  3. Transparenz Ihren Kindern gegenüber kann Ihre Glaubhaftigkeit fördern. Erklären Sie in kindgerechter Sprache, weshalb sich manche Getränke für Kinder nicht eignen.
  4. Üben Sie sich in Konsequenz. Ausnahmen wirken im Moment besonders attraktiv, können aber langfristig zu mühsamen, immer wiederkehrenden Diskussionen führen. Dann standhaft zu bleiben, ist viel schwieriger.
  5. Wählen Sie den Moment für eine ­Ausnahme darum mit Bedacht. Ein Glas Kindersekt an Silvester bietet sich dafür besser an als der Babyccino bei der Einkaufspause. Achten Sie darauf, die Ausnahme in diesem Moment klar als solche zu deklarieren.
  6. Altbekannte kindergerechte Alternativen bieten sich als guter Kompromiss an. Ein Glas Milch differenziert sich optisch von einem Cappuccino. Somit fällt es leichter, die Abgrenzung zwischen «für Kinder geeignet» und «für Erwachsene» zu erklären.
  7. Nutzen Sie Ihre Vorbildfunktion. Trinken Sie beim nächsten «Kaffee-Date» eine Tasse Früchtetee. Oder stossen Sie bei Ihrer nächsten Einladung alle gemeinsam mit einem Glas Fruchtsaft an.

 

Zugegeben, Kopien von Getränken für Erwachsene, die auf die Bedürfnisse von Kindern hin angepasst wurden, gab es schon während unserer Kindheit. Man denke nur an den Klassiker Kindersekt. Viele von uns können sich an den besonderen Moment erinnern, wenn man an Silvester bis Mitternacht aufbleiben und mit den Erwachsenen zusammen anstossen durfte. Man fühlte sich als vollwertiges Mitglied der Gruppe und gesellschaftlich völlig etabliert.

In Bezug auf die Sozialisierung erfüllt das sicherlich einen Zweck. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht eröffnen sich jedoch weitere Aspekte. Die meisten kindergerechten Alternativgetränke haben massvoll konsumiert keine gesundheitlichen Folgen.

Kindersekt senkt die Hemmschwelle für den Konsum des Originals

Längerfristig können sie aber die Hemmschwelle für den Konsum der Originalprodukte senken. Denn der rituelle Übertritt zu «etwas, das die Erwachsenen tun» ist damit nicht mehr so ausgeprägt. Im Kindesalter ist das vielleicht noch nicht so relevant, im Laufe der Adoleszenz sind Auswirkungen aber durchaus möglich.

Der Weg von den süssen Brausen zu alkoholischen Mischgetränken ist nicht weit.

Denn die Umstellung, den Milchschaum nach und nach mit Kaffee zu ergänzen, fällt leichter, als von der Trinkschokolade direkt zum Kaffeegenuss umzusteigen. Und auch der Weg von den süssen Brausen zu alkoholischen Mischgetränken ist nicht weit. Nicht umsonst war das Marketing von überzuckerten Alcopops hauptsächlich auf Jugendliche und junge Erwachsene ausgerichtet.

Koffein- und alkoholfreie Produkte erscheinen auf den ersten Blick als geeignete Alternative. Sozusagen voller Geschmack, aber ohne Risiko. Leider nicht ganz. Denn sie führen bei regelmässigem Konsum zu einem geschmacklichen Gewöhnungseffekt, was wiederum die Hemmungen von einem Konsum der klassischen Versionen «mit» senken kann.

Zudem sind als alkoholfrei gekennzeichnete Varianten nicht immer gänzlich ohne Alkohol. Laut Eidgenössischem Departement des Inneren dürfen in der Schweiz Getränke mit bis zu 0,5 Volumenprozent Alkoholgehalt als «alkoholfrei» deklariert werden. Somit kann ein Bier vermeintlich ohne Alkohol dennoch geringe Mengen Alkohol enthalten. Und diese können sich bei häufigem Konsum negativ auf den sich im Wachstum befindenden Körper auswirken.

Wina Fontana
ist Ernährungsexpertin SVDE, hat einen Bachelor in Ernährung und Diätetik und arbeitet bei Betty Bossi.

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