Grenzenloses Gamen? Besser nicht - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Grenzenloses Gamen? Besser nicht

Lesedauer: 4 Minuten

Computergames – die Serie, Teil 5

Viele Eltern machen sich Sorgen wegen der negativen Folgen des Gamens. Dabei gibt es wirkungsvolle Schutzmassnahmen.

Kaum ein Ereignis hat die Medienerziehung so durcheinandergewirbelt wie die Corona-Pandemie. In dieser für uns alle schwierigen Zeit wurden die üblichen Medienregeln ausgehebelt. Kinder und Jugendliche verbringen deutlich mehr Zeit mit digitalen Geräten. Sie besuchen zum Teil ihre Schule online und halten über das Netz zu Freunden oder Verwandten Kontakt. Vor allem tauchen sie noch stärker als bisher in Games ab, da sie zumindest in diesen Pixelwelten keinerlei Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit zu befürchten haben. Viele Eltern machen sich Sorgen, wie sie dieses Übermass nach der Pandemie wieder in geordnete Bahnen lenken können. Persönlich glaube ich, dass dies weniger schwierig wird als erwartet: Kinder brauchen nicht nur Schutz – sie wollen ihn auch.
 
Welche Bereiche beim Gaming müssen bzw. können geschützt werden? Acht Fragen, acht Antworten.

Woran erkenne ich, ob ein Spiel für das Alter meines Kindes geeignet ist?

In der Schweiz sorgen die Kennzeichen von PEGI (Pan European Game Information) mit Altersangaben und Symbolen (Gewalt, anzügliche Sprache, Sex) für eine erste Orientierung. Die Differenzierung erfolgt in den Abstufungen PEGI 3, 7, 12, 16 und 18. Diese Attribute liefern allerdings keine inhaltlichen Empfehlungen, sondern stellen nur fest, inwieweit das Spiel im Sinne des Jugendschutzes gefährlich oder ungefährlich ist.

Was taugt PEGI?

PEGI wird überall in Europa für die Alterskennzeichnung von Games verwendet – ausser in Deutschland. Dort legt die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) die Altersangaben für Games fest. Alain Jollat hält PEGI jedoch für das präzisere Instrument. «Aus meiner persönlichen Sicht», sagt der Vize-Projektleiter des Onlinemagazins GAMES.CH, «gibt die PEGI-Altersempfehlung einen wesentlich besseren Überblick über den problematischen Inhalt der Spiele. Dies durch die Inhaltsdeskriptoren, die bei der USK komplett fehlen. Eines der grössten Mankos meines Erachtens. Auf der Webseite von PEGI kann man nachvollziehen, warum zum Beispiel ‹Mortal Kombat 11› ab 18 ist – bei der USK nicht.»

Wie finde ich selbst heraus, ob das Spiel inhaltlich gut oder schlecht ist?

Da hilft nur ein Blick ins Internet und die Suche nach Rezensionen, Trailern oder Videos von Let’s Playern, um einen Eindruck zu erhalten. Eine gute Anlaufstelle ist auch die bereits erwähnte Seite GAMES.CH. Ich rate zu einer Eltern-Taskforce «Games» mit Hilfe einer Messenger-Gruppe. Schliesslich stehen beim Thema Gaming alle Mütter und Väter vor ähnlichen Problemen und könnten sich gegenseitig mit Einschätzungen und Erfahrungen zu den jeweiligen Spielen unterstützen und sich für eine gemeinsame Vorgehensweise (z.B. Spiel xy erlauben/nicht erlauben) absprechen.

Wie kann ich mein Kind vor übermässigem Spielekonsum schützen?

Zunächst der Klassiker: Gemein­same Regelungen vereinbaren und sich um deren Einhaltung kümmern. Das ist oft sehr mühsam und führt zu unschönen Diskussionen. Schliesslich versuchen Kinder und Jugendliche auch in der Mediennutzung – und insbesondere bei Games –, ihre Grenzen immer wieder neu auszutesten. Noch kniffliger verhält es sich mit Mobilgeräten, da sich Kinder damit der Kontrolle entziehen können.

Viele Kinder und Jugendliche können sich beim Thema Gaming nicht selbst regulieren. Aber sie können es lernen. Da sie beim Gamen jegliches Zeitgefühl verlieren, hat sich zum Beispiel der Wecker als extrem uncooles, aber probates Mittel bewährt. Auch andere Freizeitbeschäftigungen und gemeinsame Aktivitäten mit der Familie sind gute Präventionsmassnahmen gegen übermässiges Gamen und schützen so vor einer möglichen Abhängigkeit.

Welche technischen Lösungen sorgen für Schutz?

Am Computer, bei gängigen Spielkonsolen und Mobilgeräten können Eltern die jeweiligen Jugendschutzeinstellungen vornehmen. Das betrifft dann Alterseinstufungen, kann aber auch zur Deaktivierung von Käufen innerhalb eines Games führen. Der Aufwand hält sich in Grenzen, der Erfolg allerdings auch. Sobald Kinder älter werden, setzen sie diese Funktionen mit erstaunlicher Mühelosigkeit ausser Kraft. Darum halte ich es für unerlässlich, unsere Motive für den Einsatz solcher Werkzeuge mit Kindern und Jugendlichen immer wieder zu thematisieren. Es muss klar sein, dass unser Ziel Schutz und nicht Gängelung heisst.

Kann ich bestimmte Spiele verbieten?

Das kommt auf die Argumentation an. Blinde und nicht nachvollziehbare Verbote, weil etwa Games ohnehin für Zeitverschwendung gehalten werden, bringen nichts. Anders verhält es sich, wenn wir einem 12- oder 14-Jährigen gegenüber inhaltlich begründen können, warum wir ein Kriegsspiel ab 18 Jahren als ungeeignet für ihn empfinden. Zwar fallen einem die Kinder deshalb kaum dankbar um den Hals, aber sie können den Schutzgedanken nachvollziehen, der hinter dem Verbot steht.

Kann ich verhindern, dass mein Kind bei seinen Freunden von mir verbotene Games spielt?

Nein. Aber es ist dennoch wichtig, Grenzen zu setzen, auch wenn die dann umgangen werden. Bei einem sinnvoll begründeten Verbot geht es nicht allein um den Gehorsam des Kindes, sondern vor allem um unsere Haltung.

Wie kann ich die Kosten in Grenzen halten?

Viele Games verführen zum In-App- oder In-Game-Kauf. Bei jüngeren Kindern ist das Deaktivieren dieser Funktion ratsam. Ab ca. 12 Jahren halte ich es für klüger, zu lernen, mit diesen Verführungen umzugehen. Zum Beispiel, indem sich Kinder pro Woche ein Limit setzen.


Das Wichtigste in Kürze

  • Lassen Sie sich nicht entmutigen. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht.
  • Kapitulieren Sie nicht, zeigen Sie Haltung. Auseinandersetzungen sind anstrengend.
  • Stigmatisieren Sie Videospiele nicht als Zeitverschwendung. Nur wenn Kinder uns vertrauen, kommen sie auch bei diesem Thema mit ihren Problemen zu uns.
  • Warnen Sie stets vor Fremden und dem Thema Pädophilie – auch bei Games.
  • Verwenden Sie für Registrierungen eine zweite Mailadresse mit Kunstnamen.

Computergames: Die Serie

Kaum etwas hat auf Jugendliche eine so grosse Sog­wirkung wie Computerspiele. Worin liegen die Faszination und die Chancen? Welche Gefahren birgt das Zocken am Computer und wie schützen wir unsere Kinder davor? Alles, was Eltern übers ­Gamen wissen sollten, in einer sechsteiligen Serie.
 
Teil 1 Was wir über das Gamen wissen müssen
Teil 2 Welche Chancen bieten Games? 
Teil 3 Lernen mit Games
Teil 4 Wie gefährlich sind Games?
Teil 5 Welche Schutzmassnahmen gibt es bei Games?
Teil 6 Good Games, bad Games – diese Spiele können wir empfehlen

Hier lesen Sie alle Artikel der Serie

Thomas Feibel
ist einer der führenden ­Journalisten zum Thema «Kinder und neue Medien» im deutschsprachigen Raum. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare. Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

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