Mein Mann arbeitet vorwiegend nachmittags und abends. Seine Präsenz zu Hause beschränkt sich meist auf den Sonntag. Erst wenn sein Schlafbedürfnis gedeckt ist, hat er für die Tochter etwas Zeit, die er am liebsten in der Wohnung verbringt. Ich muss oft intervenieren, damit es zu einer gemeinsamen Aktivität kommt. Dann schaut er mit ihr eine Kindersendung, oder wir essen zusammen.
Die Rollenaufteilung in der Familie ist klassisch: Der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau steht hinterm Herd und erzieht die Kinder. Damit bin ich nicht einverstanden. Ich bin anders erzogen worden, fügte mich aber zum Wohl des Kindes. Nach Jahren musste ich feststellen, dass mein Mann depressiv ist. Er hat das auch zugegeben, nachdem er über Selbstmordgedanken gesprochen hatte.
Ich arbeite, habe promoviert und bin total erschöpft. Wir haben auch finanzielle Probleme. Und alles, was mit unserer Tochter zu tun hat, regle ich im Alleingang. Unterstützung bekomme ich gar keine – und zwar seit Anfang an. Die Kommunikation zwischen mir und meinem Mann ist momentan auf ein Telefongespräch reduziert.
Unsere Tochter spürt die Frustration und Nervosität meinerseits und ist unglücklich, dass sie wenig von ihrem Papa hat. Sie vermisst seine Aufmerksamkeit und leidet darunter. Seit einem Jahr ist sie sehr weinerlich, fühlt sich oft von Kindern ausgeschlossen, sagt öfters, sie habe einen schlechten Tag und sei traurig. Sie hat keine Strategie entwickelt, um nach einem Ersatz oder Ausweg zu suchen, wenn sie ausgeschlossen wird. Sonst gibt sie gern den Ton an, das liegt in ihrem Temperament. Allerdings kann sie nicht diplomatisch sein.