Die jüngsten Jugendlichen schätzt die Apothekerin auf 13 Jahre. Bei einem Preis von 7.30 Franken pro Fläschchen ist der Trip für die meisten Jugendlichen erschwinglich. Die Wirkung von Codein kann von Gelassenheit, Unbeschwertheit, Euphorie, Aufgeregtheit bis hin zu einer Steigerung des Selbstbewusstseins reichen.
Hustensirup – die legale Jugenddroge

Das Wichtigste zum Thema
- Opiate wie Dextromethorphan oder Codein, die in Hustenmitteln enthalten sind, haben in hohen Dosen eine berauschende Wirkung, können unterschiedliche Gemütszustände hervorrufen und süchtig machen. In Form von Hustentropfen ein rezeptfreies und erschwingliches Mittel, das besonders zum Wochenende hin in Apotheken häufig gekauft wird.
- Erfahren Sie im Artikel, weshalb vor allem die Kombination mit Alkohol so gefährlich ist und welche Folgen nach dem Konsum auftreten können.
- Nicht nur Hustensaft, sondern auch andere vermeintlich ungefährliche Substanzen werden von jungen Erwachsenen für den Rausch missbraucht. Welche das sind, erfahren Sie im Artikel.
- Wie können Eltern mit ihren Kindern über den bedenklichen Konsum sprechen und signalisieren, dass sie Hilfe und Sicherheit bieten? In jedem Fall ist darauf zu achten, dass dem Jugendlichen keine Vorwürfe gemacht werden und ein Interesse seitens der Eltern besteht, um die Gründe für den Konsum zu erfahren. Weitere Expertentipps finden Sie im vollständigen Text.
Mit 14 Jahren probierte es Lea* zum ersten Mal aus. Sie ging zum Medikamentenschrank im Badezimmer ihrer Eltern und schluckte Hustensirup mit dem psychoaktiven Wirkstoff Dextromethorphan (DXM), nicht etwa, weil sie erkältet war, sondern um auszuprobieren, wie es sich anfühlt, high zu sein. Die eingenommene Menge lag weit über der in der Packungsbeilage empfohlenen Dosierung.
Die Oberstufenschülerin beschreibt ihren ersten Trip: «Ich hatte das Gefühl, ich könnte fliegen. Die Schwerkraft war wie ausgeschaltet. Gleichzeitig war ich total verwirrt und konnte mich auf nichts mehr konzentrieren. Ich hörte und sah Dinge, die nicht da waren.» Obwohl es ihr während ihres Trips speiübel wurde, wiederholte die Jugendliche das Experiment immer wieder. Am Anfang alle paar Wochen, später mehrmals wöchentlich mit zunehmender Dosis.
Den Hustensirup besorgte sie sich rezeptfrei in verschiedenen Schweizer Apotheken, um nicht aufzufallen. Heute ist die Jugendliche süchtig nach dem Hustensirup und möchte davon wegkommen, weil sie immer wieder an Albträumen leidet.
Süchtig machende Hustenmitteln sind günstig und leicht erhältlich
Wie gefährlich ist der Hustensaft-Trip?
Der Fachmann weiss, dass Jugendliche, die solche Hustenpräparate am Wochenende auf Partys nutzen, meist nicht süchtig danach sind. Beck warnt jedoch davor, dass die Opiate Codein und Dextromethorphan bei regelmässiger Einnahme süchtig machen können, und plädiert dafür, Jugendliche adäquat über Wirkung und Gefahren zu informieren.
Manche Apotheken geben die Säfte nur noch auf Rezept
Die Olympia-Apotheke hat gehandelt und gibt den an sich frei verkäuflichen Hustensirup nur noch bei Reizhusten auf Rezept ab, wenn ein Verdacht auf nicht verschreibungsgemässen Gebrauch besteht. Valeria Rauseo wirft ein: «Allerdings gehen manche Jugendliche so weit, dass sie Rezepte fälschen, um an den Sirup zu gelangen.»
Legal Highs: Gar nicht harmlose Räucherstäbchen
Legal Highs enthalten oft Substanzen aus der medizinischen Forschung, synthetisch hergestellte Wirkstoffe, die ähnlich wie Cannabis, Kokain, Amphetamine oder LSD wirken. Die Substanzen stammen meist aus China, werden in Osteuropa konfektioniert und in peppig aufgemachten kleinen Päckchen übers Netz relativ günstig verkauft.
Oft fehlen Angaben zu den Inhaltsstoffen oder sie entsprechen nicht dem tatsächlichen Inhalt – wer sie bestellt, kauft eine Wundertüte und spielt Russisches Roulette. Diese Substanzen beurteilt Cornelia Reichert als potenziell sehr gefährlich, weil Erfahrungen mit den Hunderten von Wirkstoffen fehlten: «Eine genaue Risikoeinschätzug bei einer Überdosierung ist deshalb äusserst schwierig.»
Die Hersteller von Legal Highs spielen Katz und Maus mit dem Gesetz
Betroffene können je nach Substanz, Dosis, Begleitumständen und eigener psychischer Verfassung sehr aggressiv werden. In den USA sind einige Fälle beschrieben, in denen Jugendliche, die vermutlich zuvor Legal Highs konsumiert hatten, Amok gelaufen sind, Selbstmord begangen oder sich selbst verstümmelt haben. Legal Highs gibt es in unzähligen Variationen.
Damit die Substanzen nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, spielen die Hersteller mit dem Gesetzgeber Katz und Maus und verändern die Drogen laufend. «Um dem zu begegnen, können diese neuen Drogen in einem beschleunigten Verfahren zeitnah der Betäubungsmittelgesetzgebung unterstellt werden.»
Die meisten Jugendlichen, die psychoaktive Substanzen konsumieren, tun dies aus Neugier und gehen nicht zu einem regelmässigen Konsum über. Monique Portner-Helfer von Sucht Schweiz sagt dazu: «Einen einmaligen Probierkonsum sollten Eltern nicht dramatisieren. Wichtig ist, dass sie mit den betroffenen Jugendlichen nachdrücklich über die Risiken sprechen und ihre Haltung klar kommunizieren.»
Anja Lischer von der Jugendberatung Streetwork, die auch die Webseite Saferparty.ch betreibt, rät Eltern, offen zuzuhören und nicht gleich mit Anschuldigungen oder Mahnungen zu kommen. «Wenn man den Konsum von Drogen und die Drogen selber nur schlechtredet, kann es schnell passieren, dass Konsumierende einem nicht mehr zuhören und einen nicht ernst nehmen.»
Ernsthaft nachfragen: «Warum nimmst du Drogen?»
Sie sollen ihrem Kind ruhig auch sagen, dass sie sich Sorgen machen und ihnen viel daran liegt, dass es ihm gut geht. Anja Lischer ergänzt: «Am besten ist es, wenn die Eltern in klaren Ich-Botschaften sprechen.» Also «ich mache mir Sorgen um dich» oder «ich beobachte, dass du Drogen ausprobierst » anstatt «warum schluckst du das Zeug?!».
Für solche Gespräche müssen sich Eltern viel Zeit nehmen, aktiv zuhören und in erster Linie auf die Gefühle reagieren. Statt die eigenen Befürchtungen darzustellen, beschreiben die Eltern besser das Verhalten ihres Kindes, ohne es zu bewerten (z. B. «ich merke, dass du wütend bist»).
Wenn Jugendliche mehrmalig oder regelmässig potenziell schädigende Substanzen konsumieren, empfiehlt Monique Portner-Helfer den Umständen, die dazu beigetragen haben (z. B. Gruppendruck) auf den Grund zu gehen: Was steckt hinter dem Konsum? Was ist diesbezüglich zu tun?
Wenn es den Betroffenen schwerfällt, den Konsum zu stoppen, oder wenn Jugendliche nicht zu einer Veränderung bereit sind, ist es wichtig, Fachpersonen beizuziehen. Sucht- und Jugendberatungsstellen können Eltern und Jugendlichen in solchen Situationen weiterhelfen.
* Name von der Redaktion geändert
Finger weg von Suchtmitteln – das können Eltern tun
- Legen Sie möglichst früh in der Kindheit die Basis für eine gute Beziehung zu Ihrem Kind. Ein durch Respekt und Vertrauen geprägtes Verhältnis erleichtert es, auch in schwierigen Situationen im Gespräch zu bleiben.
- Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass Sie da sind. Das gibt Kindern und Jugendlichen Halt.
- Fragen Sie nach und zeigen Sie Interesse an dem, was Ihr Kind in seiner Freizeit tut. Dabei geht es nicht um Kontrolle.
- Schaffen Sie eine Beziehung, die auf gegenseitigem Vertrauen und Offenheit für die Sichtweise des Gegenübers aufbaut. So schaffen Sie eine Atmosphäre, in der Ihr Kind Ihnen eher mitteilt, was es in der Freizeit tut.
- Insistieren Sie, wenn Sie sich Sorgen machen.
- Wenn Sie das Gefühl haben, nicht mehr an Ihren Sohn oder Ihre Tochter heranzukommen, suchen Sie dennoch immer wieder das Gespräch.
- Wenn Sie nicht weiterkommen, wenden Sie sich an eine Erziehungs- und Jugendberatungsstelle.
- Lassen Sie zu, dass Ihr Kind Freundschaften pflegt und ausgeht – schaffen Sie fürs Ausgehen am Abend einen klaren Rahmen (wann, wie häufig und bis um welche Uhrzeit darf unser Sohn / unsere Tochter in den Ausgang).
- Wenn Jugendliche abends weggehen, sollten Sie immer wissen, wohin Ihr Kind geht, mit wem und wie es nach Hause kommt.
- Besprechen Sie vorab die Konsequenzen, wenn sich Ihr Kind nicht an die Regeln hält.
- Thematisieren Sie mit Ihrem Kind den Umgang mit psychoaktiven Substanzen.
Quelle und weitere Informationen: www.suchtschweiz.ch/eltern