Eltern, die in der Schule mitgestalten statt zuschauen
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Eltern, die in der Schule mitgestalten statt zuschauen

Lesedauer: 3 Minuten

Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen gelingt besser, wenn Lehrpersonen und Erziehungsberechtigte am gleichen Strick ziehen – in einem vertrauensvollen, aktiven Miteinander.

Text: Thomas Minder
Bild: Adobe Stock

Manchmal geschehen Missverständnisse ganz leise. Ein Kind erzählt daheim nur bruchstückhaft vom Unterricht oder berichtet von einem Konflikt. Als einfühlsame, achtsame Eltern hört man zu und überlegt sich, was es damit auf sich hat. Ein Streit unter Freunden, Überforderung, Unsicherheit oder Unstimmigkeiten mit einer Lehrperson?

Gleichzeitig spüren wir in der Schule, dass sich etwas verändert hat – ein Kind zieht sich zurück, wirkt abwesend oder verhält sich auffällig. Und bevor ein klärendes Gespräch geführt wurde, beginnt auf beiden Seiten das Rätselraten: Was ist da los? 

Gegenseitiges Misstrauen erschwert einen offenen und ehrlichen Austausch im Interesse des Kindes.

In solchen Momenten zeigt sich, wie verletzlich das Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Elternhaus sein kann. Eltern wissen oft nicht genau, was im Schulalltag geschieht. Umgekehrt stellen auch wir in der Schule Vermutungen an, was im Elternhaus vielleicht nicht optimal läuft. Es entsteht Misstrauen – auf beiden Seiten. Und dieses Misstrauen erschwert genau das, was eigentlich am wichtigsten wäre: ein offener, ehrlicher und lösungsorientierter Austausch im Interesse des Kindes.

Eltern und Schule unterstützen sich gegenseitig

Dabei sind wir als Schule zutiefst überzeugt: Niemand kennt ein Kind so gut wie seine Eltern und niemand sieht es in seiner Rolle als Lernende oder Lernender so kontinuierlich wie wir Lehrpersonen. Diese beiden Perspektiven sollten sich ergänzen, nicht ausschliessen. Die Schule ist kein abgeschotteter Raum, sondern ein Teil des Lebensraums eines Kindes. Darum möchten wir diesen Weg gemeinsam mit Ihnen gehen – nicht an Ihrer Stelle, nicht in Konkurrenz, sondern als Partner auf Augenhöhe.

Doch wie kann dieses Miteinander konkret aussehen? Was braucht es, damit Eltern sich als aktiver Teil der Schule verstehen – nicht nur als Zuhörende bei Elternabenden oder als Unterschriftenleistende unter Tests? Ein zentraler Punkt ist Transparenz. Eltern brauchen mehr Einblick in das, was Schule heute bedeutet: Wie lernen Kinder heute? Welche Methoden setzen wir ein? Was tun wir bei Konflikten?

Welche Werte sind uns wichtig? Wir bemühen uns, das immer wieder zu zeigen – bei Elternabenden, Standortgesprächen oder Schulbesuchen, durch Hospitationsmöglichkeiten oder mittels Newsletter und auf Social Media. Dabei soll es keine Einwegkommunikation sein, sondern vielmehr ein echter Dialog.

Denn genau das wünschen wir uns: Eltern, die mitdenken, mitfragen, mitgestalten. Eltern, die nicht nur wissen wollen, was läuft – sondern verstehen möchten, warum wir es so tun. Wir wissen, dass Schule aus der Perspektive der Familie oft ganz anders erlebt wird als im Klassenzimmer – und genau das macht den Austausch so wertvoll.

Vom Infoabend zum echten Eltern­abend

Gerade Elternabende werden seitens der Schule noch zu oft als reine Informationsveranstaltungen konzipiert. Dabei könnten sie viel mehr sein: eine echte Dialogplattform, ein Ort der Begegnung zwischen Elternhaus und Schule – aber auch unter den Eltern selbst. Denn mit der Klasseneinteilung wird man als Eltern plötzlich Teil einer Art Schicksalsgemeinschaft.

Notabene mit Menschen, mit denen man unter Umständen im Alltag wenig Berührungspunkte hätte, wenn nicht die Kinder gemeinsam die gleiche Klasse besuchen würden. Warum also diesen Rahmen nicht nutzen, um Verständnis, Austausch und vielleicht sogar gegenseitige Unterstützung zu fördern?

Es braucht das gemeinsame Interesse, einander nicht vorschnell zu bewerten, sondern den Dialog zu suchen – gerade dann, wenn es schwierig wird.

Selbstverständlich haben Lehrpersonen auch die Aufgabe, Veränderungen im Verhalten von Kindern festzustellen und bei den Eltern nachzufragen. Idealerweise sollte es aber gar nicht erst so weit kommen. Denn wir ermutigen Eltern, ihrerseits zur Transparenz beizutragen.

Wenn wir in der Schule merken, dass es einem Kind nicht gut geht, dann hilft es enorm, wenn wir auch etwas über das Zuhause wissen dürfen: Gibt es Veränderungen in der Familie? Belastungen und Sorgen? Es müssen nicht einschneidende Veränderungen sein wie zum Beispiel eine Scheidung.

Kein Detail ist zu klein, wenn es hilft, ein Kind besser zu verstehen. Ein kurzer Anruf, eine E-Mail, ein Gespräch beim Abholen des Kinds kann manchmal mehr bewirken als viele Stunden pädagogische Analyse. Kommunikation wirkt oft wie ein Türöffner für Verständnis und gemeinsame Lösungen. 

Eltern als aktiver Teil der Schule

Wir wünschen uns eine Elternschaft, die nicht aus der Distanz beobachtet, sondern mittendrin ist. Die Schule nicht nur als Institution sieht, sondern als Lern- und Lebensort ihres Kindes – und damit auch als ihren Ort. Das kann durch Engagement in der Elternvertretung geschehen, durch Mitarbeit an Projekttagen, durch Ideen in der Schulentwicklung oder ganz einfach durch Interesse und Präsenz. Jeder Beitrag zählt – auch ein freundliches Gespräch auf dem Pausenplatz oder ein wohlwollender Kommentar in der Eltern-Chatgruppe.

Natürlich wissen wir, dass viele Eltern beruflich und familiär stark eingespannt sind. Engagement muss nicht zeitintensiv sein, entscheidend ist die Haltung: Wollen wir gemeinsam an der Entwicklung Ihres Kindes arbeiten? Dann braucht es gegenseitige Offenheit, eine Gesprächskultur auf Augenhöhe, Wertschätzung – und Vertrauen.

Vertrauen braucht offene Ohren

Vertrauen entsteht nicht durch perfekte Lösungen, sondern durch offene Türen und offene Ohren, und zwar auf beiden Seiten. Es braucht das gemeinsame Interesse, hinzuschauen, zuzuhören, einander nicht vorschnell zu bewerten, sondern den Dialog zu suchen – gerade dann, wenn es schwierig wird.

In diesem Sinne: Sprechen Sie uns an. Fragen Sie nach. Bringen Sie sich ein. Ihre Sicht zählt. Ihr Beitrag macht einen Unterschied. Und wir freuen uns darauf, Schule gemeinsam mit Ihnen zu gestalten – als lebendigen Ort, der nicht nur Wissen vermittelt, sondern Beziehungen stärkt.

Thomas Minder
ist Präsident des Verbands Schulleiterinnen und Schulleiter VSLCH und leitet die Volksschulgemeinde Eschlikon TG auf Stufe Kindergarten und Primarschule.

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