30. September 2021
«Begleiten statt verbieten»
Lesedauer: 2 Minuten
Wie lernen Kinder einen vernünftigen Umgang mit digitalen Medien.
Sechs Fragen an Thomas Feibel, Fritz+Fränzi-Kolumnist und Leiter des Büros für Kindermedien in Berlin.
Herr Feibel, wann beginnt Medienerziehung?
Quasi von Geburt an. Das Foto vom ersten Schrei ist der Auftakt zu einer endlosen Bildreihe, mit der wir Entwicklungsschritte unseres Kindes dokumentieren. Das war schon immer so. Neu ist, dass wir die (Handy-)Kamera ständig zücken. Entsprechend früh lernen Kinder, zu posen. Dann wundern wir uns, warum sie mit 15 ständig Selfies machen und sich auf Instagram präsentieren. Vielleicht würden sie das auch sonst tun, doch das Beispiel zeigt, wie wir selbst ein Verhalten fördern, über das wir uns später aufregen.
Darf mein Kleinkind mit Tablets und Co. spielen?
Kinder unter drei Jahren sollten möglichst keine digitalen Medien konsumieren. Theorie und Familienalltag passen aber nicht immer zusammen: Wir können den 3-Jährigen schlecht aus dem Raum schicken, wenn die 6-Jährige einen Film schaut. Eltern müssen stets neu austarieren, was ihnen möglich und dem Kind gegenüber vertretbar ist. Da plädiere ich für gesunden Pragmatismus. Gleichzeitig brauchen Kinder präsente Eltern: Besser, das Kind hat auf dem Spielplatz 45 Minuten ungeteilte Aufmerksamkeit, als wenn Eltern drei Stunden bleiben und das Handy mitnehmen.
Wann darf mein Kind ein Smartphone haben?
Bei einem Primarschulkind hat ein Smartphone bis zur fünften Klasse nichts verloren, denn das Kind wird schnell überfordert und trifft womöglich auch auf verstörende Inhalte. Wenn Eltern ihr Kind im Notfall erreichen wollen, tut es auch ein Tastenhandy. Zu Hause kann das Kind das Tablet oder Smartphone der Eltern zu gemeinsam vereinbarten Zeiten und Zwecken nutzen – im Blickfeld der Erwachsenen.
Thomas Feibel ist einer der führenden Journalisten zum Thema Kinder und neue Medien im deutschsprachigen Raum. Er leitet das Büro für Kindermedien, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare und schreibt Bücher zum Thema.
Lesen Sie das den Hauptartikel «Generation Smartphone».
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Wie regeln wir den Medienkonsum?
Ich empfehle, gemeinsam einen Mediennutzungsvertrag abzuschliessen. Das Kind erklärt, wie und warum es ein Medium nutzen möchte, auch die Eltern bringen ihre Forderungen mit ein. Auf mediennutzungsvertrag.de finden sich Vorlagen nach Altersstufe und Medium, inklusive Vorschläge zu Nutzungsregeln. Oft bekommt das Kind das alte Smartphone von Mutter oder Vater und rutscht einfach so in die Mediennutzung hinein. Aber ohne Einführung geht es nicht: Wir schicken Kinder auch zur Verkehrskunde, bevor es auf die Strasse geht. Mit dem Vertrag allein ist das Thema Medien nicht erledigt. Kinder werden älter, ihre Ansprüche ändern sich, es kommen neue Geräte, Spiele, Apps und Herausforderungen dazu.
Wie weisen wir Kinder auf Gefahren hin?
Kinder, die das Internet allein nutzen können, sind auch alt genug für klare Worte: Es gibt Erwachsene, die im Internet mit Kindern über Sex reden oder sich mit ihnen zum Sex verabreden wollen, und das ist nicht in Ordnung. Es gilt Kindern zentrale Dinge klarzumachen, etwa, was mit Fotos passieren kann, die sie online stellen. Die wichtigste Botschaft lautet: Wenn dir etwas komisch vorkommt, ruf mich. Risiken zu thematisieren bedeutet aber nicht, nur noch darüber zu sprechen. Wenn ein Kind Fahrrad fahren lernt, reden wir ja auch nicht dauernd über Verkehrsunfälle.
Es heisst, Eltern sollten im Hinblick auf digitale Medien selbst à jour sein. Müssen wir jetzt TikTok und Co. installieren?
Nein. Aber Sie müssen sich über Apps und Spiele informieren, die Ihr Kind nutzt. Es gibt im Internet unzählige Elternseiten dazu. Bei Computerspielen lohnt es sich, den Trailer auf Youtube anzusehen. Es ist ein Trugschluss, zu denken, Kinder seien uns in Sachen digitale Medien überlegen. Sie sind technisch versiert, können die Folgen ihres Handelns aber nicht abschätzen. Da sind sie auf Eltern angewiesen, die Orientierung bieten, Werte vermitteln. Die haben sich im Internetzeitalter nicht verändert: Im Kern geht es darum, wie man respektvoll miteinander umgeht, für sich selbst einsteht und die Bedürfnisse anderer achtet.
Serie: Computergames von Thomas Feibel
Kaum etwas hat auf Jugendliche eine so grosse Sogwirkung wie Computerspiele. Worin liegen die Faszination und die Chancen? Welche Gefahren birgt das Zocken am Computer und wie schützen wir unsere Kinder davor?
Hier lesen Sie alle Artikel der Serie
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