«Nie hätte ich gedacht, dass ich mal eine Therapie brauche»

Lea, 15, wollte ihre Probleme mit sich selbst ausmachen. Als ihre Selbstverletzungen immer schlimmer wurden, suchte sie Hilfe bei der Schulpsychologin. Hier erzählt sie ihre Geschichte.
Zunächst rollten die Stimmungsschwankungen schleichend an. Ich dachte: Das geht vorbei. So war es zuerst auch. Dann kam das nächste Loch. Die Abwärtsspirale drehte sich immer schneller. Dieser Zustand war mir fremd. Ich war verwirrt, zusehends verzweifelt und verlor die Freude an dem, was mir lieb war.
Ich bin ein Mensch, der auftankt, indem er Zeit mit anderen verbringt. Jetzt mochte ich nicht mal mehr meine Freunde sehen. Ich war traurig, müde, schleppte mich zur Schule. Wie lange würde ich das noch schaffen? Da war das Gefühl, nichts mehr im Griff zu haben. Ich fing an, mich selbst zu verletzen. Diese Handlung war, so schien es mir, das Einzige, was ich noch kontrollieren konnte.
Ich ging zur Schulpsychologin, wollte nur noch eines: das Ganze irgendwo abladen. Ich erzählte ihr alles. Nach dem Termin war klar: Ich brauchte Hilfe, und dafür brauchte es meine Eltern. Es folgte ein Gespräch in ihrem Beisein. Erzählen, was ich ihnen über Monate verschwiegen hatte, war der Horror.
Meine Mutter hatte damals, als alles anfing, mein Tief bemerkt, sich aber nicht weiter Sorgen gemacht, weil ich lernte, meine Gefühle zu verstecken, normal zur Schule ging. Ich weiss, dass ich mit ihr über alles reden kann. Bloss, ich war immer schon jemand, der Sorgen lieber mit sich selbst ausmacht und anderen ungern schlechte Gefühle bereitet.
Ich lernte Strategien, die mir helfen, mich selbst besser zu verstehen.
Lea (Name geändert), 15
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich mal eine Therapie brauche. Den Platz hatte ich schnell. Mittelschwere Depression mit Selbstverletzung, lautete die Diagnose. Seither ist bald ein Jahr verstrichen und viel Schwere von mir abgefallen. Die Therapie hat mir sehr geholfen. Es tut gut, dort einmal die Woche deponieren zu können, was mich beschäftigt.
Ich lernte Strategien, die mir helfen, mich selbst besser zu verstehen. In einem Protokoll erfasse ich, wie es mir geht und was mir in welcher Situation geholfen hat. So kann ich Erlebtes einordnen und fühle mich weniger hilflos, wenn es schwierig wird. Ich habe gelernt, Gefühle in Worte zu fassen, weiss heute, wie ich darüber reden kann, wenn es mir zu viel wird. Es hilft, mir dann etwas Gutes zu tun: ein Bad einlassen, einen Tee trinken, spazieren gehen.
Was der Auslöser für meine Krise war? Ich weiss es nicht genau. Jedenfalls nicht die Pandemie. Den Lockdown habe ich in bester Erinnerung: Mit meinen Geschwistern und den Kindern im Quartier war ständig was los. Eine Rolle spielte sicher, dass sich eine Freundin von mir abwendete und ich nicht wusste, warum.
Und die Schule: Damals war das Thema Berufswahl allgegenwärtig. Im Gegensatz zu den anderen hatte ich keine Ahnung, was ich werden will, war ohne Plan. Das stresste mich extrem. Da ist viel Druck von mir gewichen, seitdem ich weiss, dass ich bald aufs Gymnasium gehe und mich vorerst nicht um einen Beruf kümmern muss.