Unser Sohn Tim war damals fast vier Jahre alt. Wir waren unendlich traurig, haben geweint und geflucht. Mein Mann und ich haben nichts beschönigt, haben auch nicht die Starken gespielt. Von Anfang an gingen wir offen mit Linas Krankheit um und haben sowohl gegenüber der Familie als auch im Umfeld offen kommuniziert. Weil uns die Zeit fehlte, alle Nachfragen zu beantworten, haben wir einen Blog eingerichtet, um unsere Familie, Freunde und Nachbarn zu informieren.
«Mami, wie ist es im Himmel?»

Bilder: Herbert Zimmermann / 13 Photo
Chemotherapie abgebrochen
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1/5 Gedenkstätte im Garten, … -
2/5 … hier ist … -
3/5 … Claudia Weideli-Krapf … -
4/5 … ihrer verstorbenen Tochter … -
5/5 … besonders nah.
Drei Wochen später durften wir unsere Tochter nach Hause nehmen. Lina hat ihr Schicksal unglaublich tapfer angenommen. Sie war zwar körperlich geschwächt, konnte aber wieder ein einigermassen normales Leben führen. Wir haben ihr das zugemutet, was sie sich selber zugetraut hat, und ihr den nötigen Freiraum gelassen.
Lina wusste immer sehr klar, was sie wollte. Sie hatte sich ihre Eigenständigkeit trotz Krebserkrankung bewahrt. Erstaunlicherweise wollte sie nicht mehr in den Kindergarten, sondern die verbleibende Zeit mit uns Eltern, ihrem Bruder und Freunden verbringen.
Sechs Wochen später traten Komplikationen auf. Eine weitere Hirnoperation stand zur Diskussion, um Linas Beschwerden zu lindern. Ich fragte sie, ob sie noch bei uns auf der Erde bleiben wolle und genug Kraft für eine weitere Operation habe. Lina wollte leben und entschied sich mit uns für den Eingriff. Wenige Tage nach der zweiten Operation holten wir Lina nach Hause. Es war uns sehr wichtig, dass wir als Familie zusammenbleiben und wir unsere Tochter zu Hause auf ihrem Weg begleiten konnten. Mein Mann unterstützte mich sehr.
Linas Schutzengel
Auch Tim spürte, dass ihn seine Schwester brauchte. Er wollte lieber bei ihr bleiben, als mit Freunden etwas zu unternehmen. Obwohl Tim damals erst knapp vier Jahre alt war, hat er seine grosse Schwester bei alltäglichen Dingen unterstützt, sein Tempo an ihres angepasst und viel Unbeschwertheit in ihren und unseren Alltag gezaubert.
Als Lina mich fragte, was passieren wird, wenn der Knollen in ihrem Kopf weiterwächst, sagte ich ihr die ganze Wahrheit. Ich erklärte ihr, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen werde, an dem sie entscheiden könne, ob sie in den Himmel gehen möchte, wenn das Leben auf der Erde zu anstrengend sei.
Auch Tim wusste, wie es um seine grosse Schwester stand. Das Ausmass ihres Schicksals war für ihn aber nicht fassbar. Das war es auch für uns Eltern nicht. Wir wussten genauso wenig wie Tim, was es für uns bedeuten würde, wenn Lina stirbt. Auch blieb uns keine Zeit, darüber nachzudenken, denn der Alltag mit unseren Kindern forderte uns im Hier und Jetzt. Und das war gut so. Beide Kinder halfen uns sehr, das Leben im Augenblick anzupacken und wertzuschätzen.
In den folgenden Wochen nahm der Krebs seinen Lauf. Linas Zustand verschlechterte sich drastisch. Sie entschied, die Medikamente nicht mehr einzunehmen.
Eine Woche später, am 2. Mai 2015 frühmorgens um 1:15 Uhr, starb Lina.
Zwölf Stunden vorher sagte sie ihre letzten Worte: «Tschüss Mami, machs guet». Dann schloss sie ihre Augen und schlief ein.
Lina ist sehr präsent im Alltag unserer Familie
Obwohl es auch heute noch schwierige Tage gibt, haben wir unser Schicksal angenommen. Dass wir Lina zu Hause in den Tod begleiten und unsere eigene Geschichte schreiben konnten, ist ein grosser Trost. Menschen, die Angehörige im Sterben begleiten, wünschen wir den Mut, ihren eigenen Weg zu gehen.
Krebs: Zahlen und Fakten
Quellen: Bundesamt für Statistik (bfs.admin.ch), Verband Krebsliga Schweiz (krebsliga.ch), Verein Kinderkrebs Schweiz (kinderkrebs-schweiz.ch)
«Schieben Sie nichts mehr auf!»
Frau Bergsträsser, Linas Mutter sagt, dass es für sie sehr erleichternd war, ihre Tochter in den letzten Monaten ihres Lebens zu Hause betreuen zu können. Studien zufolge geht es vielen Eltern so, deren Kind unheilbar krank ist. Warum ist das so?
Sie leiten am Kinderspital Zürich ein Palliativ Zentrum, bestehend aus Medizinern, Pflegekräften, Psychologen und Sozialarbeitern. Beim Begriff Palliative Care (lat. palliare, «mit einem Mantel bedecken»; engl. care, «Fürsorge, Betreuung») denken viele sofort an Sterbe-
beziehungsweise Trauerbegleitung.
beziehungsweise Trauerbegleitung.
Fühlen sich Ärzte unsicher, wenn es um sterbende Kinder geht?
Bei Lina wurde ein besonders aggressiver Hirntumor diagnostiziert. Von Anfang an war klar: Es gibt keine Chance auf Heilung.
Was ist die Aufgabe eines Palliativ-Teams?
zu gestalten.
Was heisst das konkret?
Wie gehen Sie vor?
Der Schritt des Loslassens hat dann schon stattgefunden?
Wie können Sie den Geschwistern helfen?
Wie sollte man auf eine Familie zugehen, deren Kind im Sterben liegt?
Gibt es Dinge, die ich nicht ansprechen sollte?
«Das kann ich mir gut vorstellen» ist sicher auch so ein Satz.
Wenn ein Kind stirbt, hinterlässt es eine durch nichts zu füllende Lücke. Linas Mutter sagt, dass sie ihre Tochter auch Jahre später noch neben sich spürt.
Verein Sternentaler
www.sternentaler.ch
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