«Ich habe einfach funktioniert», erinnert sich Andrea Wiesmann an das erste Jahr ohne den geliebten Mann und Vater. Zu gross der Schock. Man stirbt im Alter, nicht mit 47. Aufstehen, die Kinder in den Kindergarten, die Schule bringen, kochen, schlafen – alleine in einer Wohnung voller Erinnerungen. An Weihnachten kommen die Schwiegereltern, es gibt Butterzopf und Citterio-Salami. Wie jedes Jahr. Sie gehen auf den Friedhof, danach ist Bescherung. Die Witwe hält sich aufrecht, wird gestützt von Freundinnen, ihren Geschwistern, lieben Menschen. «Die Anteilnahme war riesig, fast schon zu gross», sagt sie. Das lag auch an Daniel, da ist sie sich sicher. Dem lebenslustigen Spassvogel, dem Metzgermeister bei Coop, dem Vereinsmenschen, der sich in Gesellschaft am wohlsten gefühlt hat. Seine Familie lässt man nicht allein mit dieser Last.
«Aber im zweiten Jahr war das auf einmal vorbei. So, als ob die Trauer für alle anderen abgeschlossen war», erinnert sich Andrea Wiesmann. «Aber die Trauer kommt in Wellen», weiss sie heute, «sie schwappt über dir zusammen und zieht dich hinab.» Im Frühling 2011 nimmt sie die Hilfe einer Psychologin in Anspruch, reden hilft, weinen auch.
Und die Buben? Psychologen sagen, Kinder haben je nach Alter ein anderes Verständnis von Sterben und Tod. Bis etwa 8 Jahre erfassen sie die Endgültigkeit nicht. Sie leben in dem Gefühl, Mama oder Papa kämen wieder.
Der Verlust habe Patrick verändert, sagt seine Kindergärtnerin. Patrick wird anhänglich, will nur noch auf dem Schoss seiner Mutter sitzen, nicht mehr alleine schlafen. «Mama, wir können doch nicht in eine andere Wohnung ziehen, dann findet uns Papa nicht mehr.» An seinem ersten Schultag sitzt seine Mutter alleine neben ihm in der grossen Aula.