Zu manchen Themen hatten die Eltern von Jade eine ganz klare Meinung: «Wir haben alle klassischen Begriffe abgelehnt», sagt die Mutter. So hiess die Feier für Jade nicht Beisetzungsfeier oder Abschied, sondern Lebensfeier. Sie fand nicht auf einem Friedhof, sondern draussen statt, an dem Ort, wo Jade auch getauft wurde. Die Menschen sammelten Steine, Blumen, Holz auf dem Weg dorthin und legten Mandalas. Jades Schulfreunde liessen Luftballons steigen. Die Feier sollte sein wie Jade: voller Strahlen und verbunden mit der Natur. Bei dieser Feier platzierte das Ehepaar Dreier auch seine eindringliche Bitte der Eltern an alle Freunde und Bekannte und die Dorfgemeinschaft: »Sprecht mit uns über das, was passiert ist. Unsere Türen sind offen und wir sind dazu bereit.»
Eva Finkam nickt. Sie kennt die Scheu und die Unbeholfenheit, die viele im Umgang mit trauernden Eltern empfinden. «Sie haben Angst etwas Falsches zu sagen und tun gerade deshalb so, als sei alles in Ordnung.» «Ja!», bekräftigt Dominique Dreier. Ein legeres «geht’s gut?» sei verletzend. «Natürlich geht es mir nicht gut! Wir müssen uns komplett neu finden. Worte wie Lebensfreude oder Glücksmomente müssen neu definiert werden. Was bedeutet gut jetzt für uns?»
«Viele Menschen haben Angst, Wunden aufzureissen, wenn sie uns auf Jade ansprechen. Aber das geht gar nicht. Denn für uns ist sie immer präsent.»
Dominique Dreier sagt, dass viele Menschen Angst davor hätten, Wunden aufzureissen, wenn sie über Jade sprechen würden. «Aber das ist gar nicht möglich. Denn für uns ist Jade immer präsent. Wir werden immer bereit sein, über unsere geliebte Tochter zu sprechen.»
Hingegen berühre es sie sehr, zu hören, dass Jade in vielen Herzen einen Platz hat. Dass die Kinder ein Pult für Jade im Klassenzimmer gestaltet haben und zu ihrem Gedenkplatz pilgern. «Nichts kann den Schmerz wirklich lindern, aber die Anteilnahme gibt uns das Gefühl getragen zu werden.» Für Familie Dreier war von Anfang an klar, dass sie auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen würden – zu Beispiel von der Seelsorgerin und einer Trauerbegleitung.
Ausserdem suchten sie den Austausch mit anderen Eltern, die ein Kind verloren haben über die Jasmina Soraya Stiftung. «Wir werden von vielen Menschen begleitet, die uns immer wieder Sicherheit und Vertrauen geben. Sie sprechen uns Mut zu, unterstützen uns, positive Momente wahrzunehmen und uns als Familie neu zu finden. Denn nichts fühlt sich mehr so an wie früher», sagt Dominique Dreier.
Auch eigene Rituale tragen zur Heilung bei. So entzündet die Familie jeden Morgen Kerzen auf der Truhe mit Jades Urne und spricht jeden Abend Gutenacht-Worte in Jades Zimmer.
Wenn der Tod eines Kindes nicht plötzlich kommt, sondern eine Krankheit vorausging, haben Eltern und Kinder eine Chance, sich auf die letzten Tage vorzubereiten – auch solche Fälle begleitet Eva Finkam. Sie nimmt in ihrem Bestattungsinstitut eine besonders schön gestaltete Urne zur Hand, eine Sonderanfertigung für ein krebskrankes Mädchen. Diese habe sich eine Urne gewünscht mit einem Schmetterling, der gleichzeitig aussieht, als ob er abfliegt und als ob er landen würde. «Es ist diese ganz besondere Weisheit von Kindern, die bald sterben werden, die mich in meinem Beruf oft tief berührt», sagt die Bestatterin.
Für das Gespräch mit dem ElternMagazin und der Bestatterin hat Mutter Dominique Dreier die Hauptperson, um die es geht, mitgebracht: ihre verstorbene Tochter Jade Pearl – in einer perlenförmigen Urne mit einer Kette an der ein Herz aus Jade-Stein hängt. Die Bestatterin improvisiert sofort, als sie die Urne sieht und baut ihr auf einem Stuhl einen kleinen Altar auf mit einem Sternentuch geschmückt und Kerzen. Die kleinen Details eben.
Die folgenden Vorschläge stammen von Dominique Dreier, die ihre neunjährige Tochter Jade bei einem Unfall verloren hat. Sie spricht vor allem aus ihrer eigenen Erfahrung und möchte damit anderen Eltern in einer ähnlichen Situation helfen.