Wie redet man mit Kindern über den Tod?
Wie nimmt man Abschied von einem Familienmitglied und wie erklärt man seinen Kindern, dass «Grospi» jetzt im Himmel ist? Unser Blogger Christian J. Käser bringt es auf den Punkt.
Als ich nach Hause in die Wohnung kam und das Radio einschaltete, sang Kuno weiter. «… aber irgendwie chunnts gar nid so drufa, wär was und wieso. Mir si eifach a däm Punkt acho, wo eifach nüt meh chunnt …» Ich zuckte zusammen und war in dem Moment überzeugt: The sexiest man alive, der Mann, der Mikrophonstangen liebkost und dazu mit rauen Stimmbändern präziseste Prosa musikalisch werden lässt, ist nicht mehr da. Kuno ist tot. Die Google Suche erleichterte mich: Kuno hat «nur» Geburtstag. Er ist 60 geworden, deswegen die erhöhte Radiopräsenz.
Der Tod meines Vaters
Ein feiner Filter der Melancholie überzieht seither meinen Alltag mit den Kindern. Sie hatten ihn gern, ihren «Grospi». Und meine 9-jährige Tochter und der 7-jährige Sohn bastelten einen kleinen Schrein in der Küche mit Fotos, Muscheln, einem Buddha und Zetteln, auf die sie «Grospi» schrieben. Sie waren sehr rücksichtsvoll mit mir und ertrugen meine Dünnhäutigkeit. Doch dann kam die gefürchtete Gretchenfrage: «Papa, wo ist Grospi jetzt?»
Dem 4-jährigen Sohn erzählte ich etwas vom Regenbogenland und er war gerne bereit, diese Geschichte anzunehmen und selber auszuschmücken. Als er dann aber zum ersten Mal das Grab sah, merkte ich seinen Fragen an, dass er die Tatsache, dass der Grossvater hier in der Erde liegt, nicht mit seinen Vorstellungen vom Land des Regenbogens zusammenbringen konnte. Trotzdem schien er ganz zufrieden und ich war froh, wenigstens ein Kind mit etwas Jenseitspoesie beruhigt zu haben.
Da machten es mir die älteren zwei schon schwerer. Nachdem der Pfarrer an der Beerdigung berichtet hatte, dass der Grossvater jetzt im Himmel bei Gott sei und auf seine Enkel herunterschaue meinte mein siebenjähriger Sohn beim Mittagessen nüchtern: «Papa, ich glaube nicht an Gott, also kann Grospi auch nicht im Himmel sein.» Natürlich erschreckte mich diese Aussage erst, aber die Argumentation erschien mir als Agnostiker nicht ganz falsch zu sein.
Die Tochter dagegen kämpfte mit der nackten Angst vor dem Tod. Wie kann es sein, dass ich irgendwann nicht mehr bin? Sie konnte nicht einschlafen und weinte angesichts der existentiellen Bedrohung, die ihr der Tod des Grossvaters vor Augen geführt hatte.
Wie kann ich meinen Kindern die Angst vor dem Tod nehmen?
Ich bin selber katholisch aufgewachsen und die Antwort ist dort auf den ersten Blick klar und verständlich: Wenn wir uns gut verhalten, dann werden wir belohnt mit dem Himmelreich. Bei mir hat das als Kind aber keineswegs funktioniert. Ich war überzeugt davon, dass Jesus mit seinem Satz «Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel» den Zahnarztsohn (der ich nun einmal war) nicht ins schöne Jenseits einlassen würde. Das machte mir Angst. Angst vor der Hölle.
Die naheliegende Antwort, die ja auch der Pfarrer letztlich angewendet hat und die auch allgemein beliebt ist: Der Grossvater ist jetzt an einem besseren Ort.
Ja, dieser bessere Ort hat eine lange religiöse Tradition und ist eine urmenschliche Hoffnung mit klingenden Namen: Valhalla, Dschanna, Nirwana, die Ewigkeit. Was aber, wenn es einem als Eltern schwer fällt zu glauben, dass da noch was Besseres kommt? Was, wenn man selber damit hadert? Woran glaubt jemand, der nicht glaubt? Können Kinder diese Zweifel aushalten oder ist es erzieherisch geradezu eine Sünde (auch wieder so ein religiöser Begriff), sie in diesem Zweifel zu lassen?
Was mir selber letztlich geholfen hat war die grosse Anteilnahme, die Gespräche mit lieben Menschen, die nachgefragt haben. Die auch hören wollten wie es war, beim letzten Atemzug des Vaters dabei gewesen zu sein. Ja, ich hatte das Bedürfnis das zu erzählen, weil es mir sehr nahe gegangen ist und ich es verarbeiten wollte.
Und was hat den Kindern geholfen?
Geholfen haben uns auch zwei Bücher, die wir von lieben Menschen geschenkt bekommen haben.
Und wenn es mir immer noch nicht besser geht trotz den schönen Erinnerungen an meinen Vater, dann höre ich Züri West und Kuno Lauener raunt mir zu: «Irgendeinisch fingt ds Glück eim, irgend anere Bushautschteu, plötzlech schmöckt’s wieder wie daheim, irgendeinisch fingt ds Glück eim.»