Seit mein Vater Ende Januar unerwartet gestorben ist, sehe ich nur Tod und Vergänglichkeit überall. Ja, er hatte ein gutes und langes Leben und trotzdem bleiben bei mir viele «wiesos». Wieso ist er plötzlich nicht mehr hier? Wieso kann ich mit ihm nicht mehr über den FC St. Gallen philosophieren? Wieso geht er nie mehr ans Telefon, wenn ich bei den Eltern anrufe?
Ein feiner Filter der Melancholie überzieht seither meinen Alltag mit den Kindern. Sie hatten ihn gern, ihren «Grospi». Und meine 9-jährige Tochter und der 7-jährige Sohn bastelten einen kleinen Schrein in der Küche mit Fotos, Muscheln, einem Buddha und Zetteln, auf die sie «Grospi» schrieben. Sie waren sehr rücksichtsvoll mit mir und ertrugen meine Dünnhäutigkeit. Doch dann kam die gefürchtete Gretchenfrage: «Papa, wo ist Grospi jetzt?»
Dem 4-jährigen Sohn erzählte ich etwas vom Regenbogenland und er war gerne bereit, diese Geschichte anzunehmen und selber auszuschmücken. Als er dann aber zum ersten Mal das Grab sah, merkte ich seinen Fragen an, dass er die Tatsache, dass der Grossvater hier in der Erde liegt, nicht mit seinen Vorstellungen vom Land des Regenbogens zusammenbringen konnte. Trotzdem schien er ganz zufrieden und ich war froh, wenigstens ein Kind mit etwas Jenseitspoesie beruhigt zu haben.
Da machten es mir die älteren zwei schon schwerer. Nachdem der Pfarrer an der Beerdigung berichtet hatte, dass der Grossvater jetzt im Himmel bei Gott sei und auf seine Enkel herunterschaue meinte mein siebenjähriger Sohn beim Mittagessen nüchtern: «Papa, ich glaube nicht an Gott, also kann Grospi auch nicht im Himmel sein.» Natürlich erschreckte mich diese Aussage erst, aber die Argumentation erschien mir als Agnostiker nicht ganz falsch zu sein.
Die Tochter dagegen kämpfte mit der nackten Angst vor dem Tod. Wie kann es sein, dass ich irgendwann nicht mehr bin? Sie konnte nicht einschlafen und weinte angesichts der existentiellen Bedrohung, die ihr der Tod des Grossvaters vor Augen geführt hatte.