Kranke Eltern hinterlassen Kindern ihre Lebensgeschichte - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Kranke Eltern hinterlassen Kindern ihre Lebensgeschichte

Lesedauer: 1 Minuten

3 Fragen an Gabriela Meissner, Mitgründerin von Hörschatz. Der Verein ermöglicht unheilbar kranken Eltern, ihre Audiobiografie aufzuzeichnen – damit ihre Stimme bleibt.

Interview: Virginia Nolan
Bild: iStockphoto

Frau Meissner, was ist ein Hörschatz?
Ein USB-Stick in Herz-Hülle. Er birgt ein besonderes Vermächtnis: die persönliche Audiobiografie, die unheilbar kranke Eltern ihren Kindern hinterlassen. In ihren eigenen Worten blicken Palliativpatientinnen und -patienten dabei zurück auf ihr Leben. Viele erzählen aus ihrer Kindheit und Jugend, von Streichen und Abenteuern, prägenden Erfahrungen und Einsichten, die das Leben sie gelehrt hat, von der gemeinsamen Zeit als Familie, dem Umgang mit der Krankheit, die diese Zeit enden lässt. Die thematischen Schwerpunkte bestimmen Mütter und Väter selbst. So enthält jeder Hörschatz eine Lebensgeschichte, ergänzt um ganz persönliche Liebesbotschaften – konserviert in der Stimme des geliebten Elternteils, die damit nicht vergessen geht. Ich sage oft: Die Stimme ist die DNA der Seele.

Gabriela Meissner (zVg)

Ihr Angebot ist kostenlos. Wer darf davon Gebrauch machen?
Mütter und Väter, die eine lebensbegrenzende Krankheit im fortgeschrittenen Stadium und minderjährige Kinder haben. Jede Audiobiografie wird professionell produziert, enthält Vor- und Nachwort sowie unterschiedliche Kapitel. Die Erzählenden stellen ausserdem Musik zusammen, die ihre Geschichte abrundet – der Soundtrack ihres Lebens. Wo Betroffenen die Kraft fehlt, richten wir uns nach ihren Möglichkeiten: Während die einen ihren Liebsten über acht Stunden Hörmaterial hinterlassen, reicht es bei den anderen nur noch für eine liebevoll vorgetragene Gutenachtgeschichte. Der Hörschatz ist aber nicht nur ein Abschiedsgeschenk von Eltern an ihre Kinder, er ist gleichermassen eine Ode ans Leben.

«Die Stimme ist die DNA der Seele»

Wie meinen Sie das?
Studien aus der Palliativforschung zeigen, dass die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie Betroffene stärken kann. Anstelle des Bewusstseins, dass das eigene Leben nicht mehr lange währt, rückt dann oft dessen Fülle. Vielen wird im Lauf des Erzählens und Rekapitulierens bewusst, wie reich ihr Leben eigentlich war, manche staunen richtiggehend darüber, was sie alles erlebt haben. Zurückblicken und ihr Dasein auf diese Weise würdigen zu können, berichten uns viele Betroffene, mache Freude und verschaffe ihnen Genugtuung.

Für Infos und Spenden: www.hoerschatz.ch

Virginia Nolan
ist Redaktorin, Bücherwurm und Wasserratte. Sie liebt gute Gesellschaft, feines Essen, Tiere und das Mittelmeer. Die Mutter einer Tochter im Primarschulalter lebt mit ihrer Familie im Zürcher Oberland.

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