Weniger Streit mit dem Ex-Partner -
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Weniger Streit mit dem Ex-Partner

Lesedauer: 5 Minuten

Meist erhoffen sich Paare nach einer Trennung mehr Ruhe im Familienleben, was nicht einfach ist. Erfahren Sie in Teil 2 unserer Serie «Trennungseltern» die wichtigsten Tipps für eine friedvolle Kommunikation.

Text: Vanessa Matthiebe
Bilder: Thomas Schweigert / 13Photo

Mit fragendem Blick stand kürzlich die siebenjährige Melanie vor mir und ­sagte: «Meine Mama hat sich von Papa getrennt, weil sie immer so viel gestritten haben. Jetzt leben Mama und Papa nicht mehr zusammen, doch sie streiten immer noch!»

Für einen Moment wusste ich nicht, was ich darauf antworten sollte. Melanie verstand offenbar die Welt nicht mehr. Sie hatte korrekt gefolgert, als sie annahm, dass die Streitigkeiten zwischen ihren Eltern doch aufhören müssten, wenn diese der Grund der Trennung gewesen waren. Jedoch erlebt Melanie, wie andere Kinder auch, dass die Konflikte zwischen den Eltern trotz der Trennung nicht verschwinden, sondern sich unter Umständen sogar verstärken. 

In der Beratung lernen die Eltern, dass sie selbst der Schlüssel für eine konstruktive ­Verständigung sind.

Die Autoren des 2019 erschienenen Buches «Empirische Befunde zur famlienrechtlichen Begutachtung» schreiben, dass mit einer Trennung die Hoffnung verbunden ist, Streitereien und Auseinandersetzungen zu entkommen und endlich die ersehnte Ruhe im Familienleben zu erfahren. 

Die Realität sieht jedoch meist anders aus, wie die Forschung und auch die Praxis zeigen. Befinden sich Eltern bereits vor ihrer Trennung auf einem hohen Konflikt­level, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie auch nach der Trennung in einer belasteten Beziehung verharren, so das Ergebnis der Autoren.

Die Chance ist zudem höher, dass die Kinder in die Konflikte hineingezogen werden, was ihrer Entwicklung schadet. Darum ordnen Gerichte oder die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden KESB in strittigen Trennungs-, Eheschutz- oder Scheidungsverfahren sogenannte Kindesschutzmassnahmen an, die auch zum Ziel haben, die elterliche Kommunikation zu verbessern. 

Frühzeitig professionelle Hilfe holen 

So weit sollte es im besten Fall gar nicht erst kommen. «Mein Ex-Mann und ich wollten wissen, wie wir über unsere Tochter sprechen können, ohne dass die Fetzen fliegen», erzählte mir neulich eine getrennt­erziehende Mutter. «Daher haben wir uns beraten lassen und inzwischen kommunizieren wir viel ruhiger.»

Kommen Mütter und Väter, deren Konfliktniveau sich während der Partnerschaft nicht erheblich verstärkt hat, frühzeitig in die Beratung, können in den meisten Fällen destruktive Kommunikationsmuster aufgeweicht werden. Die Eltern lernen, dass sie selbst der Schlüssel für eine konstruktive Verständigung sind. 

Kommunikation kann in vielerlei Hinsicht anspruchsvoll sein, je nachdem in welcher Rolle man steckt und in welcher grundlegenden Lebenssituation und Tagesform man ist. Eine Trennung ist eine Krise und stellt einen Risikofaktor für die Entwicklung des Kindes dar. Gelingt es den Eltern jedoch trotz aller Streitpunkte, ihre Kommunikation fried- und respektvoll zu gestalten, werden die betroffenen Kinder emotional entlastet. Aber nicht nur das. Diese Eltern berichten in der Beratung, dass sie selbst weniger Stress und dafür mehr Leichtigkeit im Familienalltag erleben.

Mit den folgenden fünf Tipps können getrennt lebende ­Paare ihren Weg in eine friedvolle Elternkommunikation finden: 

1. Die Haltung macht den Austausch

Egal in welcher Form getrennte Eltern miteinander kommunizieren, ob persönlich, telefonisch oder schriftlich, die richtige Haltung ist wesentlich für eine gelingende Elternkommunikation. 

Die Psychologin Marianne Nolde spricht in ihrem 2020 erschienenen Buch «Eltern bleiben nach der Trennung» von einer zu entwickelnden Haltung, die auf Respekt und Verantwortungsübernahme für die eigenen Gefühle und das eigene Leben beruht. 

Aktives ‹Lauschen› hilft, die eigene Meinung und Bedürfnisse für einen Moment in den Hintergrund zu stellen.

Respekt und Verantwortung sind oft genannte Werte, die Eltern auch in der Kindererziehung wichtig sind. Leben sie diese Werte, entsteht eine entsprechende Haltung, die sie in die Elternkommunikation einbringen können. «Bevor ich den Vater unserer Tochter anschreibe, schaue ich vorher ein Bild mit zwei sich verneigenden Kampfsportlern an. Das erinnert mich daran, den anderen zu achten, auch wenn ich das Gefühl habe, er kämpft gegen mich», so eine betroffene Mutter. 

Andere Elternteile berichten von persönlichen Gegenständen, die sie in eine respektvolle Haltung bringen und daran erinnern, dass sie einen Einfluss auf eine positive Kommunikation haben. 

2. Das Eisen schmieden, wenn es lauwarm ist

Auch wenn man diesen Satz vielleicht schon mehrere Male gehört hat: Es lohnt sich, genau zum richtigen Zeitpunkt an ihn zu denken. Konflikte lassen sich nicht in ihrer heissen Phase lösen. Bereits vor zehn Jahren fanden Kognitions­psychologen der Ruhr-Universität Bochum heraus, dass Menschen unter Stress nicht ergebnisorientiert denken können, da Hirnregionen, die zielgerichtetes Verhalten steuern, durch die Neurotransmitter Cortisol und Noradrenalin blockiert sind. Wird man nun durch eine Aussage des anderen Elternteils getriggert, steigt der Stresspegel und man greift auf seine üblichen Verhaltensmuster zurück.

Ist man zu diesem Zeitpunkt im persönlichen Gespräch oder am Telefon mit dem anderen Elternteil, sollte man das Gespräch ruhig unterbrechen und vertagen. Damit verhält man sich verantwortungsvoll, weil man ja auf eine friedvolle Weise kommunizieren möchte. Bringt einen eine SMS oder eine Mail auf die Palme, sollte man das Gerät zur Seite legen und sich bewusst eine kurze Auszeit nehmen. Oft helfen Atemübungen, Meditation oder Ablenkung, um zur Ruhe zu kommen. Nehmen Sie das Thema erst wieder auf, wenn Sie in Frieden mit sich selbst sind. 

3. Vom Sendemodus ins aktive Lauschen

Marianne Nolde erwähnt in ihrem Buch das Werk «Die Macht des Zuhörens» des Familientherapeuten Michael P. Nichols. Dabei geht es darum, die Sichtweise des anderen anzuerkennen, auch wenn man dessen Meinung nicht teilt. 

Aktives Lauschen: Was will der andere Elternteil mir sagen?

In meinen Elternberatungen sehe ich häufig, wie schwer Zuhören fällt. Es ist beiden Eltern förmlich anzusehen, dass sie nur darauf warten, endlich wieder zu Wort zu kommen, ohne gehört zu haben, was der andere gerade gesagt hat. Hier kann die Haltung von Respekt helfen. Aktives «Lauschen» hilft, die eigene Meinung und Bedürfnisse für einen Moment in den Hintergrund zu stellen und sich auf den Gesprächsinhalt des anderen Elternteils zu konzentrieren. Damit fühlt sich dieser wirklich wahrgenommen, was die gesamte Kommunikation positiv beeinflusst. 

4. Fragen statt behaupten, wünschen statt vorwerfen

«Tobias kann nicht einschlafen, wenn er von dir zurückkommt, weil er die ganze Zeit fernsieht oder am Gamen ist!» Solche Aussagen spiegeln die Not und das Bedürfnis, das eigene Kind gesund aufwachsen zu sehen – am besten bei beiden Elternteilen. Das Problem ist hier: Wird ein Elternteil mit einem Satz dieser Art konfrontiert, wird er sich in der Regel angegriffen fühlen. Es könnte ja sein, dass Tobias auch beim anderen Elternteil Probleme mit dem Einschlafen hat und gar nicht so viel Medien konsumiert. Um die Kommunikation respekt- und friedvoll zu gestalten, hilft es, zu fragen: «Hast du auch bemerkt, dass Tobias so schlecht einschläft? Meinst du, es könnte mit dem Fernsehen oder dem Gamen zusammenhängen?»

Oder: «Jedes Mal, wenn Louise zu mir kommt, hat sie viel zu dünne Kleider an und kränkelt herum.» Oft sind es genau diese Themen, bei denen getrennte Eltern aneinandergeraten. Das Formulieren von Wünschen statt Vorwürfen kann hier helfen: «Mir ist aufgefallen, dass Louise jedes Mal kränkelt, wenn sie kommt. Könntest du ihr künftig ­bitte mehr oder dickere Kleider mitgeben?»

5. Und wenn alles nichts nützt 

Zugegeben – mit den obigen Tipps ist die Hoffnung verbunden, dass der andere Elternteil ebenfalls mit derselben Haltung agiert und nur beide zu einer friedvollen Kommunikation beitragen können. Nun ist es leider so, dass sich Menschen nicht verändern lassen, sondern nur sich selbst verändern können, wenn sie das wollen. Mütter und Väter sollten daher ihre jeweiligen Beiträge zu einer friedvollen Elternkommunikation als eines von vielen Zahnrädern verstehen. Sie sollten das eigene konstant entspannt am Laufen halten, so dass Sie am Ende zu sich selbst sagen können, dass Sie Ihr Bestes für eine friedvolle Elternkommunikation gegeben haben.

Vanessa Matthiebe
ist Sozialpädagogin FH und Gründerin von «Familie im Wandel – Eltern bleiben» (www.familieimwandel.ch). Sie hilft ­getrennten Eltern mittels Online-SOS-­Coachings, ein möglichst unbeschwertes, friedvolles Elternbleiben nach der Trennung zu leben. Vanessa Matthiebe ist getrennterziehende Mutter von zwei Kindern und lebt in Zürich.

Alle Artikel von Vanessa Matthiebe

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