Patchworkfamilie: Neue Liebe – neues Glück?
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Neue Liebe – neues Glück?

Lesedauer: 10 Minuten

Gründen Eltern mit ihrer neuen Liebe eine Patchworkfamilie, warten viele Stolpersteine auf sie. Das Familienmodell bietet aber auch Chancen – dazu braucht es Ausdauer und Empathie.

Text: Virginia Nolan
Bilder: Herbert Zimmermann / 13 Photo

Vater, Mutter und die ehelichen Kinder: So sieht Familie nach traditioneller Vorstellung aus. Doch die wird der Realität immer weniger gerecht. Gesellschaftliche Entwicklungen, die zu Alternativen geführt haben, äussern sich beispielsweise in der Scheidungsziffer. Zwei von fünf Ehen in der Schweiz werden wieder geschieden, bei fast der Hälfte sind minderjährige Kinder involviert.

Eine immer häufigere Gegenvariante zum traditionellen Modell sind Patchworkfamilien: Zehn Prozent der geschiedenen Männer und Frauen hierzulande leben in Paarhaushalten mit Kindern. Dazu kommt die von der Statistik nicht erfasste Zahl unverheirateter Mütter und Väter, die nach der Trennung eine Stieffamilie gründen, wie Patchworkfamilien in der Wissenschaft genannt werden.

Im 19. Jahrhundert waren Patchworkfamilien viel verbreiteter als heute.

Norbert Schneider, Soziologe

Neu ist an «Patchwork» nur der Begriff, nicht die Konstellation, weiss Soziologe Norbert Schneider: «Im 19. Jahrhundert waren Stieffamilien viel verbreiteter, als es Patchworkfamilien heute sind.» ​Entstanden sind sie laut Schneider oft aus blanker Not: Die Sterblichkeit war hoch, und wer mit Kindern allein zurückblieb, heiratete wieder, um das Auskommen der Familie zu sichern. Heute entstehen Patchworkfamilien in der Regel unabhängig von sozialen Zwängen: Zwei Erwachsene, von denen mindestens einer Kinder aus einer früheren Beziehung mitbringt, ziehen aus Liebe zusammen.

Eine grosse Herausforderung

«Patchwork» bedeutet auf Deutsch «Flickwerk» und ist auch ein Begriff für bunte Stoffkreationen. Dies weckt fröhliche Assoziationen, genauso wie Prominente, die ihre zusammengewürfelte Sippe inszenieren und betonen, es zähle allein die Verbindung der Herzen.

Doch der Alltag in einem solchen Beziehungsgeflecht ist anspruchsvoll. Kinder müssen einen Elternteil, mit dem sie allein gelebt haben, plötzlich mit einer Partnerin beziehungsweise einem Partner teilen. Vielleicht trauern sie ihrer Ursprungsfamilie nach und sträuben sich, diese durch eine neue zu ersetzen.

Die Hälfte der Patchwork-Partnerschaften geht in die Brüche.

Auch für diejenigen, die mit dem Nachwuchs der neuen Liebe unter einem Dach wohnen, ist die Situation kompliziert: Wird die Beziehung zu den Kindern gelingen? Darf man sich in deren Erziehung einmischen? Noch komplexer wird es, wenn beide Kinder aus früheren Beziehungen mitbringen: Werden sie zu Geschwistern zusammenwachsen oder Rivalen sein? Muss man Stiefkinder lieben wie die eigenen?

Ganz zu schweigen von den organisatorischen Herausforderungen, die anstehen, wenn Kinder mehr als ein Zuhause haben, auswärts lebende Elternteile miteinbezogen und die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt werden müssen. So erstaunt es wenig: Die Hälfte der Patchwork-Partnerschaften geht in die Brüche.

Einfühlungsvermögen ist gefragt

Wie kann dieses Familienmodell – trotz allem – gelingen? Auf welche Stolpersteine müssen sich die Beteiligten gefasst machen und wie können sie mit diesen umgehen? Kurz: Was brauchen Kinder und Erwachsene, damit das Flickwerk zum tragfähigen Beziehungsnetz wird?

«Aus unserer Sicht ist die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen einer Patchworkfamilie, dass man die Handlungen und Reaktionsweisen der anderen Beteiligten nachvollziehen kann. Wer sich in andere einfühlen und deren Handeln verstehen kann, beharrt weniger auf seiner eigenen Sichtweise und reagiert flexibler und verständnisvoller. Dadurch kommt ein Prozess in Gang, der eine bessere Beziehungsgestaltung ermöglicht», schreiben Claudia Starke und Thomas Hess in «Das Patchworkbuch – Wie zwei Familien zusammenwachsen». Sie sind Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, betreiben eine Praxisgemeinschaft am Zürichsee und sind auf Paar- und Familientherapie spezialisiert.

Gerade Kinder können viel lernen, wenn ihre Eltern eine neue Beziehung eingehen.

Kinder als Gradmesser

Drei von vier Familien, die ihre Hilfe suchen, leben in einer Patchworkkonstellation. «Die ist allerdings meist nicht der Anlass für den Gang zum Therapeuten, zumindest nicht aus Sicht der Erwachsenen», sagt Hess. «Die meisten kommen, weil die Kinder Probleme machen. Sie verweigern die Schule oder fallen dort negativ auf, fordern ihre Eltern mit aggressivem Verhalten heraus oder ziehen sich immer mehr in sich zurück.»

Das Gelingen der neuen Familie hängt sehr davon ab, ob die alte ein friedliches Ende gefunden hat.

Oft zeige sich erst auf den zweiten Blick, dass der Grund für die Probleme die Familiensituation ist, dass Kinder mit der Patchworkkonstellation überfordert sind oder unter Konflikten leiden, die zerstrittene Ex-Partner über sie austragen. «Unangepasste Kinder sagen es geradeheraus: Ich hasse deinen neuen Freund», sagt Hess. «Die Zurückhaltenden machen mit Verhaltensproblemen oder körperlichen Symptomen auf sich aufmerksam.»

Was die beiden Therapeuten nach 20 Jahren Erfahrung wissen: Das Gelingen der neuen Familie hängt erheblich davon ab, ob die alte ein einigermassen friedliches Ende gefunden hat, die Beziehung zum Ex-Partner so weit geklärt ist, dass man als Eltern gut kooperieren kann.

Kinder im Clinch

Wenn ein Elternteil dem Kind suggeriert, der oder die Ex mache es falsch, gerät das Kind in einen Loyalitätskonflikt: Aus Solidarität dem einen Elternteil gegenüber äussert es sich negativ über den anderen, was eine innere Not verursacht, weil das Kind beide Eltern braucht. Oder es versucht anhand dessen, was es hört und beobachtet, zu ermessen, wem mehr Unrecht widerfährt, verteidigt den jeweiligen Elternteil – «Weil Papa dir so viel Geld geben muss, hat er für sich keines mehr» – und gerät in einen Teufelskreis.

Loyalitätskonflikte sind ein Risikofaktor für eine gesunde Entwicklung. Sie treten, mehr oder weniger stark ausgeprägt, in manchen Scheidungsfamilien auf und können sich durch eine Patchworkkonstellation zuspitzen. Etwa dann, wenn ein Elternteil die neue Liebe der Ex-Partnerin schlechtmacht. «Dies erschwert es dem Kind, sich auf die Stiefmutter oder den Stiefvater einzulassen, weil es glaubt, damit einen Elternteil zu hintergehen», sagt Therapeut Hess. Die Wahrscheinlichkeit, dass Konflikte aus der alten Familie die neue torpedieren und für diese zur Zerreissprobe werden, sei dann sehr hoch.

Patchworkfamilie
Kopf einziehen gilt nicht: Beziehungsarbeit ist wichtig, um gemeinsam zu wachsen.

Das Scheitern einer Partnerschaft und den eigenen Anteil daran zu reflektieren, ebnet nach einer Trennung nicht nur den Weg für eine kooperative Elternschaft der Ex-Partner, es verbessert auch die Prognose für die nachfolgende Liebesbeziehung und Patchworkfamilie, weiss Starke: «Wer eigene Verhaltensweisen kritisch hinterfragt, läuft weniger Gefahr, dass sich ungünstige Beziehungsmuster wiederholen.»

Doch die damit verbundene Auseinandersetzung sei anspruchsvoll, «und viele wählen stattdessen die Flucht nach vorne», beobachtet Hess. «Sie konzentrieren sich auf die frische Liebe, erhoffen sich von dieser eine heilere Perspektive und neues Glück und sehen dieses als Patchworkfamilie besiegelt.»

Warten mit Zusammenziehen

Dabei laufe man nicht nur Gefahr, die neue Partnerschaft mit Erwartungen zu überfrachten – im Bestreben, Konflikte hinter sich zu lassen, werde der Ex-Partner oft ausgeblendet. Viele bezögen in der Folge den ausserhalb lebenden Elternteil, meist ist das der Vater, kaum mehr in familiäre Angelegenheiten mit ein. «Das funktioniert nicht», sagt Hess, «schliesslich betreffen diese auch seine Kinder.» Dann seien Probleme vorprogrammiert: mit demjenigen, der sich ausgeschlossen fühlt und anfängt, sich querzustellen, oder aus Kränkung den Rückzug aus der Elternrolle antritt; mit den Kindern, die das merken, sich solidarisieren und gegen den Stiefelternteil opponieren.

Auch unter besseren Voraussetzungen erfordert das Zusammenwachsen als Patchworkfamilie viel Einfühlungsvermögen und Geduld. «Viele ziehen zu schnell zusammen», beobachtet Familientherapeut Hess. «Sie sind zuversichtlich und berichten, dass es gut klappe mit den Kindern und der neuen Liebe, wenn diese auf Besuch komme.» Tatsächlich wirkten in dieser Phase Emotionen, von denen die Frischverliebten beflügelt sind, häufig auch auf die Kinder, die glücklich seien, dass die Mutter oder der Vater wieder fröhlich ist. «Dann ziehen sie zusammen und es kracht.»

Bis sich alle an die neue Situation gewöhnen, braucht es Zeit – bis zu zwei Jahre.

Bei der Gründung einer Patchworkfamilie breche eine Familienkultur unvermittelt in die andere hinein – und mit ihr zuweilen irritierende Gewohnheiten, Hausregeln oder Erziehungsstile. Bis sich alle an die neue Situation gewöhnen, braucht es Zeit – je nach Alter der Kinder bis zu zwei Jahre, wie Forschungsresultate zeigen.

«Zu den grössten Stolpersteinen gehört die Vorstellung, dass es untereinander gleich harmoniert, wenn man es richtig macht», sagt Ria Eugster, Mediatorin, Coach und Administratorin des Netzwerks Patchworkfamilie.ch. Auch sie wurde nicht mit offenen Armen empfangen, als ihr Partner seinen Töchtern – damals 11, 15 und 20 Jahre alt – eröffnete, seine Freundin werde mit ihren fünf- und siebenjährigen Mädchen einziehen. «Die Älteste kündigte an, sie werde ausziehen, die Mittlere verschwand im Zimmer.»

Patchworkfamilie
Eltern erleichtern Kindern den Start in die Patchworkfamilie, wenn sie nichts forcieren.

Skepsis oder Ablehnung der Kinder, weiss Eugster, würden dann meist nicht der Person gelten, sondern seien Ausdruck ihrer Angst, durch die neue Situation etwas zu verlieren: den Platz auf Papas Beifahrersitz, Exklusivzeit mit der Mutter, Mitsprachemöglichkeiten oder liebgewonnene Gewohnheiten. Ria Eugsters Teenager-Stieftöchter sahen unter anderem die Freiheiten in Gefahr, die sie hatten, während ihr Vater arbeitete: ungestörte Mahlzeiten vor dem Fernseher, das Privileg, dass sich tagsüber kein Erwachsener einmischte.

«Jetzt kam eine Mutter mit zwei Kindern, die auch noch ständig zu Hause war», so Eugster lachend. «Das fanden sie das Letzte.» Bei der 15-Jährigen wich der Unmut darüber der Freude, dass da nun immer jemand zum Reden war und Interesse an ihren Themen hatte. Die Älteste zog aus. «Sie mochte sich nicht mehr umstellen», sagt Eugster. «Ich hatte Möbel, die ich ihr schenken konnte, half beim Umzug. So näherten wir uns an.»

Genauso haben einander fremde Kinder oft keine Lust darauf, Stiefgeschwister zu sein. Micha, damals 11, war wenig angetan von der Idee, die vier Wände von Papa Christoph künftig mit Leon und Nino zu teilen, die mit Mutter Regine einzogen. Micha lehnte insbesondere seinen Stiefbruder Leon rundheraus ab. «Ich vermisste meine Ruhe», erinnert sich Micha, «und wimmelte ihn konsequent ab.»

Ein Nachmittag vor elf Jahren, als die Patchworkfamilie ihre ersten Gehversuche machte, hat sich in Mutter Regines Erinnerung eingebrannt: «Der Ausflug endete im Desaster. Leon schluchzte, weil Micha ihn abserviert hatte, Micha kamen die Tränen, weil er nur noch genervt war, und Nino schrie, er wolle heim. Am Schluss weinten alle ausser Christoph. Ich dachte: Das wird nie funktionieren.»

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Rollen klar definieren

Eltern können Kindern den Start in die Patchworkfamilie erleichtern, wenn sie nichts forcieren – weder die Beziehung der Kinder untereinander noch die zum Stiefkind. Es sei ausserdem wichtig, Rollen zu differenzieren, rät Expertin Starke: «Ein Stiefelternteil sollte sich primär als Partnerin oder Partner seiner neuen Liebe definieren, nicht als Ersatzmutter oder -vater.

Man muss seine Stiefkinder nicht so lieben wie die eigenen Kinder.

Claudia Starke, Psychiaterin

Im Idealfall bietet man sich den Kindern als Bezugsperson an, aber gleichzeitig muss diesen klar sein, dass sie den Stiefvater oder die Stiefmutter nicht genauso lieb haben müssen wie den leiblichen Elternteil, der ausserhalb lebt.» Umgekehrt gelte das Gleiche: «Man muss seine Stiefkinder nicht so lieben wie die eigenen – einer liebevollen Beziehung zu ihnen steht dadurch nichts im Weg.»

Beziehungsangebote, weiss Patchworkcoach Eugster, nähmen Kinder eher an, wenn sie das Tempo bestimmen dürften, der Stiefelternteil ein offenes Ohr für sie habe und ihrem Alltag mit Interesse begegne, ohne sie nacherziehen zu wollen.

«Letzteres», sagt Eugster, «ist allerdings einfacher gesagt als getan.» So gelinge es Männern oft besser, ihren Stiefkindern ein guter Freund zu sein und nicht in die Ersatzvaterfalle zu tappen, während Stiefmütter häufig nicht umhinkämen, sich in die Erziehung einzumischen: «Aus dem einfachen Grund, weil sie mehr Care-Arbeit leisten als Stiefväter. Dadurch ergeben sich Berührungspunkte mit den Kindern, die für Reibungsfläche sorgen.»

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Mütter sind oft in ihrer Rolle gefangen, auch gegenüber ihren nicht leiblichen Kindern.

Die böse Stiefmutter

Auch die Forschung zeigt: Das Verhältnis zur Stiefmutter ist häufiger konfliktbelastet. Weil Väter Aufgaben rund um die Kinder öfter ihren neuen Partnerinnen delegierten als umgekehrt, weiss Familientherapeutin Starke, und es keine Kernfamilie brauche, damit klassische Rollenbilder nachwirkten: «Viele Frauen fallen automatisch in die Rolle der häuslichen Versorgerin, sobald Kinder im Spiel sind. Das archaische Frauenbild ist eng verknüpft mit dem Mythos der guten Mutter und drückt selbst da durch, wo keine eigentliche Mutterschaft besteht. Im Märchen gibt es ja auch keine bösen Stiefväter, aber das weibliches Pendant ist allgegenwärtig.»

Das Verhältnis zur Stiefmutter ist häufiger konfliktbelastet, zeigt die Forschung.

Eine der häufigsten Stiefmutterfallen bestehe darin, dass Frauen versuchten, diesen Vorurteilen mit grösstmöglichem Einsatz entgegenzuwirken. «Irgendwann kommt dann zu Recht das Gefühl auf, nichts richtig zu machen», sagt Starke. «Entweder wird der Stiefmutter trotz aller Bemühungen mangelndes Engagement vorgeworfen, nur weil sie zu ihren eigenen Kindern die engere Bindung hat, oder sie bekommt zu hören, sie mische sich zu stark in die Erziehung der Stiefkinder ein, weil sie versucht, die weniger intensive Beziehung zu diesen zu kompensieren.»

Männer erwartet demgegenüber häufig, was Experte Hess den «Stiefvaterspagat» nennt: «Sie tragen in einer Patchworksituation oft die finanzielle Hauptverantwortung für zwei Haushalte, gleichzeitig wollen sie engagierte Väter sein, Zeit verbringen mit ihren Kindern – mit denen aus der neuen Partnerschaft, aber auch denjenigen aus der Ex-Beziehung, die mehrheitlich bei der Mutter wohnen.» Der daraus resultierende Druck, finanzielle Pflichten und die Beziehung zu den Kindern unter einen Hut zu bringen, sei oft immens.

Patchworkfamilie
«Der Weg hierhin war oft holprig», sagen Christoph und Regine Schmutz. Ihre Geschichte erfahren Sie hier.

Ein häufiger Konfliktpunkt in Patchworkfamilien betrifft den Umgang des einen Partners mit den leiblichen Kindern des anderen. Wie weit darf man sich in die Erziehung von Kindern einbringen, die nicht die eigenen sind? «Grundsatzentscheidungen, etwa zu Mediennutzung, Schulthemen oder Ernährungsfragen, sind Sache des leiblichen Elternteils und des Ex-Partners», sagt Eugster.

Als Stiefelternteil könne man unterstützend wirken, indem man diese Entscheidungen mittrage, was gerade bei kleinen Kindern hilfreich sei. «Ab 12, 13 Jahren ist die Erziehung weitgehend gelaufen, da geht es mehr um Fragen des Zusammenlebens.» Es sei Sache der Erwachsenen, da in Absprache einen verbindlichen Rahmen festzulegen.

Patchworkfamilien bieten grosses Potenzial für die persönliche Entwicklung.

Thomas Hess, Psychiater

«Mit wenigen Regeln, die das Allernötigste betreffen», sagt Eugster: «Haushaltsarbeiten oder die Nutzung von gemeinsamen Räumen zum Beispiel. Es soll ein Minimum sein, dafür müssen die Partner voll dahinterstehen.» Wichtig sei, den Kindern die Regeln gemeinsam anzukündigen – zusammen mit der Information, dass beide Erwachsenen das Recht haben, sie von ihnen einzufordern. «Wenn meine Stieftöchter die Küche im Chaos hinterliessen, forderte ich sie durchaus zum Aufräumen auf», sagt Eugster. «Wann sie lernen oder zu Hause sein sollten, bestimmte ihr Vater.»

In Beziehungen investieren

Bei allen Durststrecken, die eine Patchworkfamilie für die Beteiligten mit sich bringt: In den allermeisten Fällen lohne es sich, zu kämpfen, finden die Therapeuten Hess und Starke. «Nicht nur, um den ersehnten Wunsch einer glücklichen Liebe erfüllt zu sehen, sondern auch, weil eine Patchworkfamilie grosses Potenzial für die persönliche Entwicklung bietet», sagt Hess.

«Man ist immer wieder angehalten, sich der Angst vor Konflikten zu stellen und solche vernünftig auszutragen, man lernt durch das Plus an Bezugspersonen andere Sichtweisen miteinzubeziehen und verschiedene Beziehungen unterschiedlich zu leben.» Gerade für Kinder, weiss Hess, sind gut funktionierende Patchworkfamilien hochkarätige Sozialisierungsbiotope: «Aber dafür muss man in Beziehungen investieren – auch in diejenigen, die man vielleicht lieber gekappt hätte.»

Hilfe & Rat

Das Schweizer Netzwerk für Patchworkfamilien, moderiertes Forum mit Mediatorin und Coach Ria Eugster:
www.patchwork-familie.ch

Onlineplattform der Familientherapeuten Claudia Starke und Thomas Hess mit Tipps rund um Patchworkthemen:
www.patchworkfamilien.ch

Blogartikel für ein friedliches Familienleben:
www.patchworkaufaugenhoehe.de

Stiefmutterblog, das Onlinemagazin für Patchwork und zweite Familien:
www.stiefmutterblog.com

Virginia Nolan
ist Redaktorin, Bücherwurm und Wasserratte. Sie liebt gute Gesellschaft, feines Essen, Tiere und das Mittelmeer. Die Mutter einer Tochter im Primarschulalter lebt mit ihrer Familie im Zürcher Oberland.

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