«Ein Rosenkrieg hätte mich abgeschreckt» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Ein Rosenkrieg hätte mich abgeschreckt»

Lesedauer: 2 Minuten

Als Patrick Mirjam kennenlernte, eröffnete sich ihm dank deren Sohn Joris eine neue Welt. Heute macht die gemeinsame Tochter Svea die Patchworkfamilie aus Sursee LU komplett.

Aufgezeichnet von Virginia Nolan
Bilder: Herbert Zimmermann / 13 Photo

Mirjam: «Mein Ex und ich trennten uns, als Joris eineinhalb war. Als er drei war, lernte ich Patrick kennen. Dann ging es schnell: Ein Jahr später kündigte sich Svea an, wir zogen zusammen und drei Monate später kam unsere Tochter zur Welt.»

Patrick: «Ich war es nicht gewohnt, meine vier Wände zu teilen. Dann hatte ich von einem Tag auf den anderen eine Familie – und drei Hunde. Das war eine Umstellung.»

«Ich sehe uns als ganzheitliche Gemeinschaft», sagt Sekundarlehrerin Mirjam Kaufmann, 37 – hier mit Sohn Joris, 6, und dessen Stiefvater Patrick Senn, 41. Svea, 2, ist die gemeinsame Tochter des Paares.

Mirjam: «Am Anfang achtete ich drauf, mich so zu organisieren, dass Patrick Joris nicht hüten musste. Ich dachte: Er ist ja mein Kind. Diese Trennung mache ich nicht mehr, seit Svea da ist. Ich sehe uns als ganzheitliche Gemeinschaft.»

Patrick: «Genauso war ich immer sehr zurückhaltend damit, mich in Joris’ Erziehung einzumischen, etwa, wenn es darum ging, meinen Standpunkt einzubringen oder Dinge einzufordern. Mit zwei Kindern ist es unrealistisch, sich bei einem rauszuhalten, sie brauchen ja gemeinsame Rahmenbedingungen.»

Mirjam: «Was deren Umsetzung betrifft, sind wir uns, wie andere Paare, nicht immer einig. Ich erziehe bedürfnisorientiert, bei Patrick ist es weniger flexibel und verhandelbar.»

Patrick: «Ich hatte vor Joris keine Vorstellung davon, wie Kinder so sind – mit ihm bin ich in eine neue Welt hineingewachsen. Das war bereichernd. Die Vorstellung einer neuen Liebe, die ein Kind mit in die Beziehung bringt, schreckt viele ab, weil sie Probleme befürchten. Doch es lohnt sich, offen zu sein, Dinge auf sich wirken zu lassen. Ich merkte schnell, dass Mirjam und ihr Ex-Mann ein gutes Einvernehmen haben. Das war für mich entscheidend. Die Aussicht, in einen Rosenkrieg verwickelt zu werden, hätte mich abgeschreckt.»

Von einem Tag auf den anderen hatte ich eine Familie – und drei Hunde.

Patrick Senn

Mirjam: «Aber so ein Verhältnis musst du wirklich wollen und dafür über den eigenen Schatten springen. Paare leben sich selten in Frieden auseinander. Meist sind die Hintergründe einer Trennung unschön. Auch ich war versucht, mit Schuld und Unschuld zu operieren, wurde gar ermuntert, mich querzustellen. Ich hielt mir vor Augen: Es geht jetzt ums Kind. Auch mein Ex hielt dieses Credo hoch, und so haben wir uns zusammengerauft und alles rund um Joris gemeinsam aufgegleist.»

Die gemeinsame Tochter Svea, 2, macht die Patchworkfamilie Kaufmann und Senn komplett.

Patrick: «Ich finde es schön, wie alle das Kind im Fokus haben und in seinem Sinne zusammenspannen. Ich komme mit Mirjams Ex-Mann gut aus. An Joris’ letztem Geburtstag bauten wir die Festbänke gemeinsam auf, seine Partnerin backte den Kuchen. Joris’ letzter Geburtstag feierten wir gemeinsam – mit allen, um die sich seine Familie in den letzten Jahren erweitert hat.»

Mirjam: «Vor zwei Jahren ist er gleich zweifach grosser Bruder geworden. Der Sohn meines Ex-Manns und seiner Partnerin kam zehn Tage vor Svea auf die Welt.»

Patrick: «Joris war von Beginn an sehr liebevoll mit Svea. Nur was seine Spielsachen betrifft, versteht er keinen Spass.»

Virginia Nolan
ist Redaktorin, Bücherwurm und Wasserratte. Sie liebt gute Gesellschaft, feines Essen, Tiere und das Mittelmeer. Die Mutter einer Tochter im Primarschulalter lebt mit ihrer Familie im Zürcher Oberland.

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