Ich heirate eine Familie

Sechs Prozent aller Schweizer Kinder wachsen in Patchworkfamilien auf. Dass es nicht immer einfach ist, das Familienkonstrukt wie ein Puzzle immer wieder neu zusammenzusetzen, erlebt unsere Autorin Valerie Wendenburg.
Die Patchworkfamilie, die mit einem gemeinsamen Kind noch Zuwachs bekam, faszinierte mich mit all ihren kleineren und grösseren Freuden und Sorgen.
«1+1 gleich 5»
An unserer Hochzeit stellte mein Bruder die These auf, dass mein Lebensweg angesichts dieser nicht abzustreitenden Parallelen seit meiner Jugend klar vorgezeichnet gewesen sei. Seitdem muss ich oft an die Serie denken, die auch jetzt noch Fanclubs hat und im Jahr 2020 sogar ein Revival im ZDF erleben durfte. Auch wenn viele Szenen heute wie aus der Zeit gefallen scheinen, muss ich immer wieder schmunzeln, wenn der Patchworkalltag aus den Fugen zu geraten scheint. Die Fernsehfamilie lebt vor, dass verstrickte Situationen mit Leichtigkeit besser zu bewältigen sind. Dass es mit Humor gelingen kann, sich selbst innerhalb der Familienkonstellation nicht zu wichtig zu nehmen und kleinere Konflikte mit einem Augenzwinkern hinzunehmen. Humor kann befreiend wirken und dabei helfen, für sich selbst einen neuen und passenden Platz im sich drehenden Familienkarussell zu definieren.
Der neue Mann und die Vaterrolle
Dieses plötzlich entstehende Ungleichgewicht zwischen den Geschwistern wirft mich oft aus der Balance, und auch unsere kleine Tochter wundert sich immer wieder, dass ihre Brüder plötzlich für eine gewisse Zeit weg sind. Mal findet sie es toll, alleine bei uns bleiben zu können, ein anderes Mal ärgert sie sich, dass ihre Brüder von zwei Papis Geschenke zum Geburtstags bekommen und sie nur von einem. Meinen Söhnen rechne ich hoch an, dass sie sich nie mit ihrer kleinen Schwester vergleichen und keine Konkurrenz unter den Geschwistern aufkommen lassen. Als einer von ihnen mit 16 Jahren ein Austauschjahr in Südamerika verbrachte und sich im Flugzeug tausende Kilometer von uns und seiner Heimat entfernte, tigerte ich schlaflos durchs Haus. Mein Mann hingegen schlummerte selig, er freute sich für meinen Sohn, sein Abschiedsschmerz war mit meinem nicht vergleichbar. In Momenten wie diesen kommt der Unterschied hinsichtlich der Bindung zum eigenen Kind zum Vorschein. Diese Tatsache anzunehmen und keine Gefühle erzwingen zu wollen, fordert mich heraus. Umgekehrt erscheinen mir das gute Verhältnis und der von Respekt getragene Umgang zwischen meinem Mann und meinen Söhnen als Geschenk und alles andere als selbstverständlich.
Es gibt kein Patentrezept für Patchworkfamilien
Für Patchworkfamilien gibt es kein Patentrezept, wie aus den einzelnen Familienmitgliedern eine Familie zusammenwächst. Respekt und Wertschätzung sind essentiell, wenn das neue Lebenskonstrukt plötzlich wie ein Puzzle neu zusammengesetzt wird. Die Beziehung zwischen Elternteil, Partner oder Partnerin, Kindern und neuen Geschwistern müssen immer wieder neu ausgelotet werden. Alltägliche Reibereien gehören dazu, stellen aber kein ernst zu nehmendes Risiko dar, wenn Zuneigung und Respekt vorhanden sind. Dies zeigte bereits die Serie «Ich heirate eine Familie» auf humorvolle Weise. Sie «live» auf dem Bildschirm zu verfolgen, zog Mitte der achtziger Jahre nicht nur mich in den Bann und hilft auch heute noch, die eigene Situation mit der oft nötigen Gelassenheit zu betrachten.
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