Welcher Weg ist meiner?
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Welcher Weg ist meiner?

Lesedauer: 4 Minuten

Den Jugendlichen stehen nach dem neunten Schuljahr viele Möglichkeiten offen. Sie können an eine Mittelschule wechseln oder mittels Lehre in die Berufswelt eintauchen. Die wichtigsten Bildungsangebote im Überblick.

Text: Stefan Michel
Bild: Gabi Vogt / 13 Photo

Jugendliche machen sich nach der Sekundarschule in ganz unterschiedliche Richtungen auf. Doch die Wege führen bald wieder zusammen – und mehr noch: Sie kreuzen und verästeln sich zu einem weit verzweigten Angebot an Aus- und Weiter­bildungs­möglich­keiten.

So gilt es zunächst diesen ersten drei oder vier Jahren auf dem persönlichen Weg ins Berufsleben die volle Aufmerksamkeit zu widmen; im Wissen, dass danach immer noch alle Möglichkeiten offenstehen. Vom Schreiner zum Physiotherapeuten? Kein Problem! Von der Fachfrau Gesundheit zur Lehrerin? Warum nicht! Mit der Matur in die Landwirtschafts­lehre? Auch das geht.

Berufslehre EFZ

Die Berufslehre ist der bewährte Weg für alle, die Lust haben, sofort ins Berufsleben einzusteigen und sich in der Erwachsenenwelt zu beweisen. An drei bis vier Tagen pro Woche arbeitet man im Lehrbetrieb, an einem bis zwei Tagen gibt es in der Berufsschule die Theorie zum Beruf und wichtige Lektionen in Allgemeinbildung. Die klassische Lehre dauert drei oder vier Jahre und führt zu einem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ).

Schulisch organisierte Berufslehren sind in der Schweiz unüblich, und doch gibt es Hunderte Angebote. Manche nennen sich Lehrwerkstätten. Einzelne Berufe wie Uhrmacher/-in oder Geigen­bauer/-in können nur in spezialisierten Schulen erlernt werden.

Attestlehre EBA

In vielen Berufen gibt es eine zweijährige, praxisorientierte Attestlehre für schulisch weniger starke Jugendliche. Das Eidgenössische Berufsattest (EBA) berechtigt bei guten Leistungen in der Lehre dazu, sie bis zum EFZ fortzusetzen. EBA-Absolventinnen steigen in das zweite Lehrjahr der EFZ-Lehre ein. Mit dem Einstieg über eine EBA-Lehre dauert es also vier beziehungsweise fünf Jahre bis zum EFZ.

Vorlehre

Jugendliche, deren Kompetenzen noch nicht für eine EBA- oder EFZ-Lehre ausreichen, können in gewissen Berufen und Betrieben eine einjährige Vorlehre absolvieren. Nach dieser haben sie – oft im gleichen Betrieb – Zugang zur EBA- oder auch EFZ-Lehre.

Viele schätzen es im Verlauf ihres Berufslebens, dass sie ihr Metier von der Pike auf gelernt haben.

Berufsmatur

Wer seine Lehre mit Berufsmatur absolviert, geht einen halben bis einen ganzen Tag pro Woche mehr zur ­Schule und kann direkt nach der Lehre ein Studium an einer Fachhochschule beginnen. Viele schätzen es im Verlauf ihres Berufslebens, dass sie ihr Metier von der Pike auf gelernt haben, dass sie beispielsweise als Maurer auf der Baustelle anpackten, bevor sie Bauingenieur wurden. Zudem können Studierende mit einer abgeschlossenen Berufslehre jederzeit einer gut bezahlten Arbeit nachgehen.

Um während der Lehre eine Berufsmaturitätsschule absolvieren zu können, muss der Lehrbetrieb einverstanden sein – nicht alle sind gleich offen dafür. Manche verweisen darauf, dass der zusätzliche Unterricht weniger Zeit für das praktische Lernen im Betrieb lässt. In den meisten Kantonen ist eine Aufnahmeprüfung vorgeschrieben. Die Berufsmatur oder einen anderen Maturatypus kann man über einen Erwachsenenlehrgang oder ein Fernstudium auch nach der Lehre ablegen.

Mittelschule

Das Gymnasium beziehungsweise die Mittel- oder Kantonsschule ist der Weg für jene, die gerne zur Schule gehen. Wer später an einer Universität studieren will, ist hier ebenso richtig wie jene, die mehr Zeit brauchen, um herauszufinden, wohin die Reise gehen soll. Doch auch wenn das Gymi für einige der Weg des geringsten Widerstands ist, ist er anspruchsvoll: Man muss sich viel Stoff in diversen Fächern aneignen, und zu gewissen Zeiten jagt eine Prüfung die ­an­dere. Die Mittelschule ist ein spannender und fordernder Weg zu einem intellektuell an­spruchsvollen Berufsleben – sie ist aber nicht der einzige.

Fachmittelschule

Ein interessanter Mittelweg zwischen Gymnasium und Berufs­lehre sind Fachmittelschulen, die eine thematische Ausrichtung haben und auf ein Fachhochschulstudium im jeweiligen Bereich ausgelegt sind. Mit drei Jahren ist der Weg zur Fachmatur ein Jahr kürzer als jener zur gymnasialen Matur. Fachmittelschulen gibt es in den Richtungen Gesundheit, Soziale Arbeit, Pädagogik, Kommunikation und Informatik, Gestaltung und Kunst, Musik/Tanz/Theater sowie Angewandte Psychologie. In einigen Kantonen gibt es Wirtschaftsmittelschulen, die eine vollschulische KV-Lehre mit Berufsmatur anbieten.

Brückenangebote und Zwischenlösungen

Wenn sich abzeichnet, dass ein Jugendlicher weder eine Lehrstelle findet noch die Aufnahme in eine Mittel­schule schafft, sollten er und seine Eltern sich rechtzeitig, das heisst vor den Frühlingsferien, um ein Brückenangebot bemühen. Das ist keine Notlösung, sondern eine sinnvolle Ergänzung, um ein Jahr nach der obligatorischen Schule eine Lehre oder eine weiterführende Schule beginnen zu können. Das zehnte Schuljahr kann als Berufsvorbereitungsjahr, Berufswahljahr oder auch als Mittelschulvorbereitung dienen. Weitere Möglichkeiten für das erste Jahr nach der Oberstufe sind das Hauswirtschaftsjahr, das Sozialjahr, der ge­stalterische Vorkurs, das Vor­bereitungsjahr für medizinische Berufe, der kaufmännische Vorkurs, Sprachaufenthalte oder Praktika. Letztere sollten von einem Tag Schul­unterricht pro Woche begleitet sein.

Passerelle

Wer eine Berufs- oder Fachmatur bestanden hat, aber nicht an einer Fachhochschule studieren will, sondern an einer Universität oder der ETH, kann die einjährige Passerelle absolvieren. An deren Ende steht die Aufnahmeprüfung für eine universitäre Hochschule.

Einige Fächer können sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen studiert werden.

Studium

Die gymnasiale Matur berechtigt zum Studium an einer Universität oder den Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH und EPFL). Dort erhalten die Studierenden eine wissenschaftliche Ausbildung. Manche Fächer zielen direkt auf eine berufliche Tätigkeit hin, so die Medizin, die verschiedenen Ingenieurwissenschaften oder Architektur. Studierende der Sozialwissenschaften können ihr Wissen in Forschungsinstitutionen einbringen, in Medienhäusern, in der öffentlichen Verwaltung oder in privaten Unternehmen. Abschlüsse sind Bachelor und Master. Einzelne führen ihre Studien danach mit einem Doktorat fort.

Fachhochschule

Die Berufs- und Fachmatur berechtigt zum Studium an einer Fachhochschule. Dieses unterscheidet sich nicht klar von jenen an Universitäten und ETH. In Fachhochschulen stehen angewandte Wissenschaften im Mittelpunkt, zum Beispiel Unternehmenskommunikation, Facility Management, Physiotherapie oder angewandte Psychologie.

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Lehrpersonen für die Volksschule studieren an einer pädagogischen (Fach-)Hochschule. Einige Fächer können sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen studiert werden, etwa Architektur und verschiedene Ingenieurwissenschaften. Abschlüsse sind Bachelor und Master.

Höhere Berufsbildung

Die höhere Berufsbildung steht jenen offen, die eine EFZ-Lehre abgeschlossen haben. Die spezialisierten Schulen nennen sich oft Höhere Fachschulen (HF), nicht zu verwechseln mit Fachhochschulen (FH). Dort kann sich beispielsweise eine Fachperson Gesundheit EFZ zur Pflegefachperson HF weiterbilden. Maurer oder Strassenbauerinnen EFZ können zu Bauführer/-innen HF werden und entsprechend in Bauprojekten mehr Verantwortung übernehmen. Manche Berufe wie beispielsweise Polizist/-in oder Pilot/-in können erst in der höheren Berufsbildung erlernt werden. Voraussetzung ist in der Regel eine abgeschlossene Berufslehre oder eine Matur.

Stefan Michel
ist freier Journalist und Texter und lebt mit seiner Partnerin und zwei Kindern in Zürich.

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