«Man will heute zu viel in der Schule»
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«Man will heute zu viel in der Schule»

Lesedauer: 2 Minuten

Die Eltern Kathrin Heuscher, Massimo Scandurro, Marisa Duarte und Manuela Huwiler haben alle mindestens zwei Kinder. Sie sparen nicht mit Kritik an der Schule, finden aber schliesslich für manche Entwicklungen auch lobende Worte.

Text: Sandra Markert
Bilder: Lucas Ziegler / 13 Photo

Kathrin Heuscher: «Ich finde, man will heute zu viel in der Schule. Zum Beispiel Englisch ab der 3. Klasse und obendrauf Französisch in der 5. Klasse! Ursprünglich wollte man spielerisch die Freude an der gesprochenen Fremdsprache wecken. Nun sollen die Kinder diese auch schon schriftlich beherrschen.»

Massimo Scandurro: «Es ist schon extrem, was Kinder heute in der Schule alles können müssen. Als Eltern wünscht man sich da manchmal, dass sie mehr Kind sein dürfen. Aber dieser Leistungsdruck, der prägt eben unsere ganze Gesellschaft. Für die Lehrpersonen bedeutet es auch zusätzlichen Druck, dass sie den ganzen Stoff durchbringen müssen.»

Manuela Huwiler: «Und das in Klassen, in denen es immer mehr Kinder gibt, die Schwierigkeiten haben, mitzukommen. Die Lehrpersonen haben keine Zeit, allen zu helfen. Und für Kinder, die gute Leistungen bringen, fehlen die Ressourcen.»

Kathrin Heuscher: «Wir haben auch Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Bei einem Kind kam es deshalb zur Schulverweigerung, weil die Schule die notwendige Hilfestellung nicht geben konnte. Daraufhin haben wir uns auch eine Privatschule angeschaut mit kleinen Klassen und mehr Lehrpersonen. Da kann man natürlich ganz anders auf die Bedürfnisse eingehen.»

Massimo Scandurro: «Das integrative Modell überfordert die Volksschulen einfach. Wie soll man es denn als Lehrperson hinbekommen, so viele verschiedene Leistungsniveaus parallel zu unterrichten?»

Kathrin Heuscher: «Es tönt sehr blumig und schön, dass alle in die gleiche Klasse gehen können. Aber das System ist damit einfach chronisch überfordert.»

Marisa Duarte: «Heute möchte man jedem Kind individuell gerecht werden, aber ich denke, das ist für die Lehrpersonen wie auch für die Kinder eine zu grosse Herausforderung. In einer Gemeinschaft – und das ist eine Klasse ja – muss man sich immer auch anpassen und zurücknehmen können.»

Kathrin Heuscher: «Das gilt auch für die Eltern. Viele Mütter und Väter übertragen ihr Leistungsdenken auf ihr Kind und erzeugen damit Druck. Eines unserer Kinder macht gerade bei einem Pilotversuch ohne Noten mit. Das nimmt bei uns in der Familie viel Stress raus. Von mir aus könnte man auch die Hausaufgaben abschaffen. Sie vergrössern nur die Niveauunterschiede zwischen den Schülern, die zu Hause Hilfe bekommen, und jenen, denen diese Unterstützung fehlt. Das ist ungerecht.»

Vielleicht sollten wir nicht nur auf die Schule schimpfen, vieles läuft auch besser als noch zu meiner Schulzeit.

Massimo Scandurro

Manuela Huwiler: «Ich finde die Ufzgi eine gute Sache. Wir können so darüber reden, was in der Schule behandelt wird.»

Massimo Scandurro: «Vielleicht sollten wir nicht nur auf die Schule schimpfen, vieles läuft auch besser als noch zu meiner Schulzeit. Ich erlebe die Kinder heute sehr selbständig. Weil meine Tochter so früh Sprachen in der Schule gelernt hat, kommt sie damit jetzt auch im Ausland gut zurecht.»

Manuela Huwiler: «Es gibt viele Lehrpersonen, die mit sehr viel Herzblut an die Arbeit gehen. Man merkt, dass sie gerne mit Kindern arbeiten. Das habe ich in meiner Schulzeit oft anders erlebt.»

Kathrin Heuscher: «Und es ist auch die Meinung der Kinder gefragt, sie dürfen diskutieren, werden auf Augenhöhe behandelt. Da hat sich sehr viel getan. Und das gefällt mir.»

Sandra Markert
ist freie Journalistin und Mutter von drei Kindern im Kindergarten- und Primarschulalter. Sie lebt mit ihrer Familie am Bodensee.

Alle Artikel von Sandra Markert

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