Von diesem gemeinnützigen Einsatz profitieren alle
Mit dem Ausreissen von invasiven Neophyten leisten Schulklassen im Kanton Bern nicht nur einen sinnstiftenden Beitrag fürs Gemeinwohl, sondern sorgen gleich noch für einen finanziellen Zustupf in die Lagerkasse.
Es ist Ende August, Mittwochmorgen, kurz nach acht Uhr. Gerhard Schneider, Mitglied der Schwellenkorporation der betreffenden Gemeinde, steht am Ufer der Emme. In Kürze wird eine Oberstufenklasse am Treffpunkt erscheinen, ausgerüstet mit gutem Schuhwerk und Gartenhandschuhen.
Gerhard Schneider wird sie in Empfang nehmen und ihnen geduldig und anschaulich den Arbeitseinsatz an diesem Morgen erklären. Die Jugendlichen werden sich entlang des Flusses und an vorab rekognoszierten Standorten nach sogenannten invasiven Neophyten umsehen und diese fachkundig ausreissen.
Die Arbeit an der frischen Luft ist eine willkommene Abwechslung zum Alltag in der Schule. Der Einsatz ist entsprechend gross.
«Als Neophyten werden Pflanzen bezeichnet, die seit der Entdeckung Amerikas eingeführt wurden und sich seither erfolgreich in der heimischen Flora etabliert haben», schreibt die Abteilung Naturförderung des Kantons Bern. Ein paar dieser eingeschleppten Pflanzenarten vermehren sich dabei äusserst schnell und unkontrolliert, weshalb sie als invasiv bezeichnet werden.
Neophyten verdrängen heimische Pflanzen
Sie sind sehr dominant und verdrängen die heimische Pflanzenwelt in schädlicher Weise. Die Biodiversität der betroffenen Gebiete wird dadurch beeinträchtigt. Im betreffenden Gebiet der Emme ist es vor allem der Japanische Knöterich, der bekämpft werden muss. Aber auch die Goldrute oder der Sommerflieder sind auf der Liste der unerwünschten Arten.
Die Gefahr, die von diesen Pflanzen ausgeht, haben auch die kantonalen Behörden erkannt. Sie haben daher entsprechende Richtlinien und Massnahmen erlassen, um deren weitere Verbreitung einzudämmen. Am stärksten im Fokus liegen Fliessgewässer, da sich Neophyten den Ufern entlang besonders rasch verbreiten. Im Kanton Bern obliegt die Wasserbaupflicht an Fliessgewässern grundsätzlich den Gemeinden. Sie erfüllen sie entweder selbst oder delegieren diese Aufgabe an Schwellenkorporationen oder Wasserbauverbände.
Ein gemeinsames Ziel
Die Umweltkommission der Gemeinde war es denn auch, welche die Idee von Arbeitseinsätzen der Schule zugunsten der Schwellenkorporation ins Spiel brachte. Nach lediglich zwei Sitzungen stand das Konzept. Jede Klasse der Sekundarstufe 1 wird pro Schuljahr an einem Arbeitseinsatz zur Bekämpfung von invasiven Neophyten teilnehmen. Die Schwellenkorporation vergütet die Arbeit mit einem Stundenansatz von 12.50 Franken pro Jugendlichem und Jugendlicher. Für den vierstündigen Einsatz mit der gesamten Schulklasse kommt so ein namhafter Betrag zusammen. Dieses Geld fliesst übrigens direkt in das Budget des Schneesportlagers der Schule ein.
Mit dem Arbeitseinsatz sollen die Jugendlichen lernen, Verantwortung in der Gesellschaft und für die Umwelt zu übernehmen.
Für unsere Schule ist diese Kooperation mit der kommunalen Behörde ein Glücksfall, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Die Schulklasse beteiligt sich an einem sinnstiftenden Einsatz und verdient gleichzeitig Geld für das Lager. Die Arbeit an der frischen Luft und der körperliche Einsatz sind gesund. Die Tätigkeit stellt zudem eine willkommene Abwechslung zum Alltag in der Schule dar. Alle Jugendlichen haben ein gemeinsames Ziel und erfahren die Wirksamkeit einer Gruppe. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass sich die Jugendlichen mächtig ins Zeug legen.
Dies zeigt sich auch vor Ort. Die Schulklasse hat sich mittlerweile eine Pause verdient. Es gibt Sandwiches und Süssmost. Das Znüni ist von der Schwellenkorporation offeriert. Die Stimmung ist ausgelassen und heiter. Die Arbeit scheint gut voranzukommen. Eine gerodete Grünfläche und ein beachtlicher Haufen zeugen vom Einsatz.
Auch wenn im Verlauf des gesamten Vormittages noch weitere Flächen gerodet werden, wird die Arbeit nie ausgehen. Gerhard Schneider kennt die Region nur zu gut und weiss, dass die Neophyten nicht gänzlich eliminiert werden können. Nebst der wiederkehrenden Eindämmung der Pflanzen erhofft er sich aber auch eine präventive Wirkung. Mit insgesamt drei Arbeitseinsätzen in der Sekundarstufe 1 werden die Jugendlichen die häufigsten Neophyten in Zukunft auf Anhieb erkennen können und sind bezüglich deren Schädlichkeit sensibilisiert.
Im Lehplan 21 verankert
Im Lehrplan lässt sich der Arbeitseinsatz indes klar verorten. Die zu erwerbenden Kompetenzen sind im Lehrplan 21 unter «Bildung für nachhaltige Entwicklung» zu finden. Die Bandbreite dieses Themenfeldes ist dabei so gross, dass es im Lehrplan als transversales Modul definiert wurde. Dies bedeutet, dass der Kompetenzerwerb nicht einem Fachbereich zugeteilt ist, sondern fächerübergreifend stattfindet.
Um 12 Uhr ist der Einsatz beendet. Obwohl den Jugendlichen die Anstrengungen der vergangenen Stunden anzusehen sind, wirken sie zufrieden. Gerhard Schneider bedankt sich bei der Schulklasse und lobt deren Einsatzfreude. Während den Schülerinnen und Schülern ein unterrichtsfreier Nachmittag bevorsteht, wird er die gerodeten Pflanzen auf einem Anhänger zusammentragen. Die Pflanzenabfälle dürfen nämlich ausschliesslich der Kehrichtverbrennung und nicht der gewöhnlichen Grünabfuhr zugeführt werden.
Wichtigstes Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist, die Lernenden zu befähigen, sich aktiv und selbstbestimmt an der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft zu beteiligen. BNE unterstützt den Aufbau von personalen, fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen, die es den Lernenden erlauben, den eigenen Platz in der Welt wahrzunehmen und sich kritisch und kreativ mit einer komplexen, globalisierten Welt mit unterschiedlichen Wertvorstellungen, dynamischen Entwicklungen, Widersprüchen und Ungewissheiten auseinanderzusetzen. Dabei geht es einerseits um die Verwirklichung der eigenen Persönlichkeit, andererseits um die Übernahme von Verantwortung in der Gesellschaft und für die Umwelt.
(Quelle: education21.ch)