Kind, iss was Gesundes!
Bild: Kyla Ewert
Gemüse, na klar, Obst und Vollkornbrot sowieso, dazu Milchprodukte und Hülsenfrüchte, Schokolade nur ab und zu – wie gesunde Ernährung für Kinder aussieht, wissen wir ganz gut. An Empfehlungen und am herzensguten Willen, sie umzusetzen mangelt es nicht. Woran also haperts?
Das Thema birgt durchaus Konfliktpotenzial und sorgt in vielen Familien regelmässig für Frust auf beiden Seiten:beim Kind, weil es sich unverstanden fühlt, und bei den Eltern, weil ihre Versuche, ihm Gesundes schmackhaft zu machen, nicht fruchten wollen. So wird der Esstisch immer wieder zum Schauplatz grösserer und kleinerer Scharmützel.
«Kein noch so vorbildliches Ernährungskonzept ist es wert, dass darüber die Freude am Essen verloren geht.»
Ines Heindl, Professorin für Ernährungswissenschaft und Verbraucherbildung an der Europa-Universität in Flensburg.
Doch eine angespannte Atmosphäre bei Tisch, in der gereizt verhandelt wird, was gegessen werden muss, ist nicht eben förderlich dafür, dass das, was auf dem Teller liegt, mit guten Gefühlen verbunden wird. Wer mit sechs Jahren vor einer Portion Spinat sitzen musste, bis sie aufgegessen war, wird Spinat höchstwahrscheinlich auch als Erwachsener noch meiden. Die Inhaltsstoffe eines Lebensmittels sind Kindern ohnehin egal. Schmecken soll es, das ist die Hauptsache.Und ist das nicht auch ein durch und durch verständlicher Ansatz?
Genuss oder Qual der Wahl?
«Die Vorliebe für Süsses ist uns angeboren.»
Online-Dossier
Eltern können Mängel oder Essstörungen bei Kindern vorbeugen
Wer möchte, dass der Nachwuchs freiwillig gesund isst, muss selbst mit gutem Beispiel vorangehen.
«Das Vorbild der Eltern hat eine starke Wirkung, auf die man sich getrost verlassen kann», sagt Ines Heindl. «Entscheidend ist, dass der ‹soziale Raum des Essens› von allen als etwas Schönes empfunden wird und sich mit positiven Erlebnissen anreichern kann.» Was aber, wenn sich das Töchterchen strikt weigert, Neues zu probieren? Tatsächlich sind Kinder hartgesottene Gewohnheitstiere und haben meist kein Problem damit, jeden Tag dasselbe zu essen. Das heisst aber nicht, dass sich Eltern dem dauerhaft ergeben müssen. Der Geschmack eines Menschen entwickelt sich allmählich und in Schüben: Phasen einseitiger Vorlieben und vermeintlicher Rückschritte sind völlig normal und kein Grund zur Sorge. «Wenn die Eltern kein Problem daraus machen, gelassen weiterhin Unterschiedliches anbieten und das Kind wählen lassen, wird sich sein Spektrum früher oder später wieder erweitern», sagt Ines Heindl.
Dranbleiben und sich nicht verunsichern lassen, lautet also die Zauberformel. Und im Kopf behalten, dass es meist mehrere Anläufe braucht, bis ein unbekanntes Lebensmittel akzeptiert wird, die erste Reaktion also nicht das letzte Wort sein muss. Zwei Wochen später, in neuem Kontext oder anders zubereitet, kann das Urteil schon wieder ganz anders ausfallen.
Haben Sie Vertrauen und bleiben Sie gelassen.
Zur Autorin:
Buchtipp:
Beltz Verlag 2017, 224 Seiten, ca. 17 Fr.
Das dänische Urgestein der Familientherapie schreibt, wie wir am Familientisch entspannter essen können. Was tun, wenn das Kind nur Spaghetti essen möchte und Gemüse nonchalant weglässt? Jesper Juul überrascht mit tollen Tipps und erprobten Rezepten aus seiner skandinavischen Heimat.
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